Diese Frage stellen sich seit 1. Juli dieses Jahres viele Unternehmen mit grenzüberschreitenden Geschäftsfällen und deren Berater. Aus diesem Grund haben die Expert*innen Sebastian Bergmann, Erik Pinetz und Karoline Spies den ersten Kommentar zum EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) herausgebracht. Hier beantworten sie die wichtigsten Fragen rund um das Gesetz, bringen Beispiele und zeigen drohende Konsequenzen bei Missachtung auf.

Das EU-Meldepflichtgesetz ist am 1. Juli dieses Jahres in Österreich in Kraft getreten. Was macht dieses Gesetz so wichtig und wer wird davon betroffen sein?

Erik Pinetz: Mit dem EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) wurde auf Basis unionsrechtlicher Vorgaben in Österreich eine Meldepflicht für bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen eingeführt. Diese Meldepflicht ist insofern besonders, als vor allem die an der Gestaltung beteiligten Intermediäre (also die beteiligten Berater verschiedenster Beratungszweige) Ansprechpersonen der Meldepflicht sind.

Karoline Spies: Allgemein hat das EUMeldepflicht das Ziel, die Transparenz im Steuerrecht erheblich auszuweiten und damit die grenzüberschreitende Steuervermeidung zu bekämpfen. Die Meldepflicht soll dem Gesetzgeber vor allem helfen, potentielle Steuerschlupflöcher frühzeitig zu identifizieren und durch Reformen schließen zu können. Daneben hat die Meldepflicht aber sicherlich auch präventiven Charakter und wird Unternehmen schon von Beginn an davon abhalten, bestimmte Gestaltungen (zB Nutzung von Safe-Harbor Regeln, Ansiedelung in Staaten mit besonders niedrigen Steuersätzen oder mit präferentiellen Steuerregimen) überhaupt zu implementieren. Es geht bei Verstößen gegen die Meldevorschriften also nicht nur um finanzstrafrechtliche Problemfelder, sondern auch um die Reputation der betroffenen Unternehmen und Personen.

EU-MPfG
EU-Meldepflichtgesetz
Kommentar, 780 Seiten
ISBN: 978-3-7046-8523-0
€ 179,00
Erhältlich auf www.verlagoesterreich.at

Wer und was muss gemeldet werden?

Pinetz: Wie bereits angerissen, betrifft die Meldepflicht insbesondere Intermediäre. Dazu zählen etwa Steuerberater, Rechtsanwälte oder Notare, aber auch Banken und sonstige involvierte Berater, die an der grenzüberschreitenden Gestaltung unmittelbar oder unterstützend mitwirken. Die Bandbreite ist durchaus groß.

Sebastian Bergmann: Gemeldet werden müssen ganz bestimmte Steuergestaltungen. Das bedeutet nicht, dass sämtliche potentiell zu Steuervorteilen führende Gestaltungen meldepflichtig sind, sondern nur jene, die vom EU-MPfG explizit erfasst werden. Es kann also durchaus vorkommen, dass bestimmte aggressive Steuergestaltungen nicht zu melden sind.

Spies: Um meldepflichtig zu sein, muss die Gestaltung bestimmte im EU-MPfG gelistete Kennzeichen (auch "Hallmarks" genannt) erfüllen. Viele der in diesen Kennzeichen verwendeten Rechtsbegriffe sind dem österreichischen Steuerrecht bisher fremd (zB "Umwandlung von Einkünften"). Einige Kennzeichen sind zudem mangels konkreterer Beispiele nur schwer eingrenzbar und könnten daher auch eine Vielzahl alltäglicher Situationen erfassen. Auch wenn der österreichische Gesetzgeber versucht hat, "Über-Meldungen" durch die zusätzliche Melde-Voraussetzung des bestehenden "Risikos der Steuervermeidung" zu minimieren, bleibt Rechtsunsicherheit bestehen.

Können Sie ein paar Beispiele für grenzüberschreitende Gestaltungen bringen?

Pinetz: Die Bereiche sind durchaus vielfältig und unterschiedlich. Im Konzernbereich betrifft es etwa grenzüberschreitende Gestaltungen in Zusammenhang mit Verrechnungspreisen bei der Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter. Im Finanzbereich können auch Strukturierungen im Bereich von Eigen- und Fremdkapital wie auch bestimmte Cash-PoolingAgreements erfasst sein. Es gibt aber auch sehr generelle Bereiche wie etwa bestimmte Verschwiegenheitsklauseln bzw Erfolgshonorarvereinbarungen.

Spies: Ob eine Gestaltung (zB ein bestimmter Forderungsverzicht oder eine Verrechnungspreisgestaltung) meldepflichtig ist, kann aber nie abstrakt beurteilt werden, sondern bedarf einer Untersuchung des jeweiligen Einzelfalls im Lichte des Kontextes der Gesamtsituation und des jeweiligen Kennzeichens. Bei einigen Kennzeichen – den sogenannten "bedingt meldepflichtigen Kennzeichen" – kann nämlich eine Meldepflicht dann verneint werden, wenn steuerliche Vorteile keinen Hauptgrund der Gestaltung bilden; bei anderen Kennzeichen ist dieser Nachweis jedoch nicht möglich.

Welche Fristen sind zu beachten?

Bergmann: Große Beachtung im Hinblick auf die Fristen fand zunächst natürlich der Umstand, dass auch bestimmte Altfälle, also bereits in der Vergangenheit verwirklichte Gestaltungen gemeldet werden mussten. Dies stellte für viele betroffene Intermediäre eine große Herausforderung dar.

Spies: Intermediäre und auch Steuerpflichtige sollten ein internes Kontrollsystem implementieren, wonach jede steuerliche Planung – egal, ob sie inhouse entworfen oder von einem Steuerberater zur Verfügung gestellt wurde – zeitnah zur Fertigstellung auf ihre Meldepflicht geprüft wird. Eine Meldung an die Finanzbehörden hat nämlich bei Neufällen innerhalb der herausfordernd kurzen Frist von 30 Tagen ab Bereitstellung oder Umsetzungsbereitschaft zu erfolgen.

Wie sieht es mit der Haftung aus? Welche Sanktionen drohen bei nicht korrekter Meldung?

Bergmann: Eine fehlerhafte Einschätzung über die Meldepflicht kann mit empfindlichen Strafen belegt werden. Jede verabsäumte, unvollständige oder nicht fristgerechte Meldung ebenso wie die Meldung unrichtiger Informationen kann als Finanzordnungswidrigkeit mit bis zu € 50.000 (bei Vorsatz) oder mit bis zu € 25.000 (bei grober Fahrlässigkeit) sanktioniert werden.

Spies: Zu beachten ist weiters, dass bei einer territorialen Anknüpfung eines Intermediärs oder des Steuerpflichtigen zu einem anderen EU-Mitgliedstaat auch dort Meldepflichten für grenzüberschreitende Gestaltungen bestehen können und die Strafen für eine Nicht-Meldung oder unvollständige Meldung in anderen Mitgliedstaaten teilweise empfindlich höher ausgestaltet sind. Bei der Einbindung mehrerer Steuerpflichtiger und/oder mehrerer Intermediäre aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten ist daher eine zeitgerechte Koordinierung aller involvierten Parteien über eine allenfalls bestehende Meldepflicht der Gestaltung zu empfehlen.

Abgesehen von der Aktualität, was zeichnet Ihren Kommentar darüber hinaus aus? Worauf haben Sie beim Kommentar besonders wert gelegt?

Pinetz: Zentral war es insbesondere, die unionsrechtlichen Grundlagen für die Praxis aufzuarbeiten. Schließlich hat sich der österreichische Gesetzgeber allgemein für eine sehr richtliniennahe Umsetzung entschieden. Insofern sind die unionsrechtlichen Vorgaben von essentieller Bedeutung für die praktische Anwendung der nationalen Regelungen im EU-MPfG.

Bergmann: Nicht zuletzt, angesichts der noch eingeschränkten Literatur in Österreich, waren auch die Ausführungen im deutschen und internationalen Schrifttum von wesentlicher Bedeutung. Durch die Berücksichtigung dieser Quellen konnte bereits in kurzer Zeit nach der Gesetzwerdung eine durchaus beachtliche Auseinandersetzung mit dem Thema erreicht werden.