In einer Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses des Nationalrates am 1. Dezember haben sich alle bis auf einen Experten für ein Ende des Blutspendeverbots für MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) zu Gunsten einer individuellen, geschlechtsunabhängigen Risikobewertung ausgesprochen. Nur der Vertreter des Österreichischen Roten Kreuzes beharrte aus- und nachdrücklich auf dem pauschalen Ausschluss von MSM sowie darauf, bei heterosexuellem Sex weiterhin nicht(!) nach der Verwendung von Kondomen zu fragen. Jetzt ist Gesundheitsminister Anschober (Grüne) am Zug, der im Oktober 2020 das Ende des Blutspendeverbots für MSM bis Ende dieses Jahres angekündigt hatte.

Ein Jahr Abstinenz für MSM

Im Dezember 2019 hatte das Gesundheitsministerium neue Empfehlungen herausgegeben (man beachte insbesondere Frage 37). Der Monopolist Rotes Kreuz wendet sie seit 1. September 2020 an. Die neuen sind um nichts besser als die alten Regelungen. Männer, die Sex mit Männern haben, sind nach wie vor, weil sie als gefährlich gelten, generell und pauschal vom Blutspenden ausgeschlossen.

Der Begriff MSM umfasst Männer, die Sex mit Männern haben, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Also gleichgültig, ob sie homosexuell oder bisexuell oder experimentierende Heterosexuelle sind.

Bisher war jeder Mann, der jemals in seinem Leben (ab 1977) Sex mit einem anderen Mann hatte (gleich welche Art von Sex, auch gegenseitige Masturbation reicht), als gemeingefährlich, lebenslang vom Blutspenden ausgeschlossen. Und zusätzlich auch jede Frau, die jemals in ihrem Leben mit einem solchen Mann (irgendeine Art von) Sex hatte.

Dieser lebenslange Ausschluss ist nun zwar gefallen. Tatsächlich ändert sich jedoch kaum etwas. MSM dürfen nun Blut spenden, aber nur dann, wenn sie ein Jahr(!) lang abstinent waren, also keinerlei Sex mit einem anderen Mann hatten. Gleichgültig welche Art von Sex – auch gegenseitige Masturbation reicht –, gleichgültig ob geschützt (Safer Sex) oder nicht, gleichgültig mit wie vielen (einer reicht), und gleichgültig ob mit Gelegenheitspartnern oder mit dem eigenen Ehemann, mit dem man jahr(zehnt)elang monogam lebt.

Für MSM gibt es absurde Auflagen, um Blut spenden zu dürfen. Bei Heteros sind die Regelungen viel lockerer, egal wie riskant der Sex war.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at/derstandard

Kein Ausschluss bei Risikoheterosex

Heterosexueller Verkehr hingegen führt zu keinem Ausschluss. Egal welche Handlungen (anal, vaginal, oral), und nicht einmal, wenn ungeschützt und mit wechselnden Partnern. Nach ungeschütztem Verkehr wird nicht einmal gefragt! MSM sind immer ausgeschlossen, gleich ob sie geschützten Sex haben oder nicht, und alle anderen sind nicht ausgeschlossen, selbst wenn sie ungeschützt verkehren.

Männer und Frauen, die wöchentlich oder auch öfter miteinander ungeschützt(!) verkehren, sogar mit wechselnden Partnern, dürfen jederzeit problemlos Blut spenden und sind keinen einzigen Tag zurückgestellt. Nur wenn sie mehr als drei Sexualpartner in den letzten zwölf Monaten hatten oder für Sex bezahlt haben, werden sie zurückgestellt, im letzteren Fall aber eben auch nur vier Monate.

Und es kommt noch besser: Frauen, die Sex mit einem Mann haben, der jemals in seinem Leben (nicht nur im letzten Jahr) irgendeine Art von Sex mit einem anderen Mann hatte (wechselseitige Onanie reicht), sind nur vier Monate ausgeschlossen, während diese Männer selbst ein Jahr ausgeschlossen sind. Wenn MSM so ansteckungsgefährlich sind, warum wird nach Sex mit ihnen nach Geschlecht differenziert? Warum ist man dann zwölf Monate ausgeschlossen, wenn man ein Mann ist, und nur vier Monate, wenn man eine Frau ist?

Heterosex mit infektiösen Personen: nur vier Monate Ausschluss

Der Gipfel der Absurdität: Ungeschützter(!) Heterosex (anal, vaginal, oral) mit einer oder auch mehreren (bis zu drei in den letzten zwölf Monaten) Personen, die nachweislich mit HIV oder einer anderen sexuell übertragbaren Infektion angesteckt(!) sind, führt nur zu vier Monaten Ausschluss.

Es ist natürlich absolut nachvollziehbar, dass Heterosexuelle, die Swinger- und Gangbangpartys besuchen und dort ungeschützt in allen Varianten verkehren und Körperflüssigkeiten mit nachweislich infizierten, ansteckenden Personen austauschen, nur vier Monate ausgeschlossen werden müssen (solange sich die Zahl der wechselnden Partner auf drei, mit der jeweiligen Person also insgesamt vier, beschränkt); während Männer, die mit ihrem jahr(zehnt)elangen (Ehe-)Mann monogam geschützt verkehren (oder nur oral oder sogar nur wechselseitig masturbieren), so viel gefährlicher sind, dass sie ausgeschlossen werden müssen, bis sie ein ganzes Jahr mit keinem Mann (außer mit sich selbst) mehr Sex haben.

All das hat sicher nichts mit Diskriminierung und Ressentiments zu tun, zumal daran festgehalten wird, obwohl der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits 2015 entschieden hat, dass so weit wie möglich gezielt nach dem konkreten eigenen Risiko des jeweiligen Blutspenders zu fragen ist und nicht nach dem abstrakten Durchschnittsrisiko einer Bevölkerungsgruppe (Rechtssprechung "Geoffrey Léger" 29.04.2015 C-528/13). (Helmut Graupner, 4.12.2020)