Religion ist nichts Schlechtes. Sie ist auch nichts grundsätzlich Gutes. Aber darum geht es in der Debatte um die "adventliche Gebetsfeier" im Parlament gar nicht. Es ist keine Diskussion über Religion – sondern über ihre Rolle in der Politik.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) lädt zu einem Gebetsabend im Hohen Haus.
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Wer kritisiert, dass der Nationalratspräsident zu einem Gebetsabend im Hohen Haus lädt, kritisiert also nicht die katholische Kirche, die angesichts der angekündigten Redner bei dieser Feier ganz klar das Zepter in der Hand hält, sondern die Sonderstellung, die ihr ebendieser Nationalratspräsident einräumt. Wolfgang Sobotka ist Parlamentspräsident. Er sollte sich in dieser Funktion auf das Ansehen und die Würde des Parlaments konzentrieren. Beten kann er auch privat.

In einer modernen Republik sind Staat und Kirche getrennt. Das heißt nicht, dass die Politik nicht den Dialog mit den Religionsgemeinschaften suchen soll. Es heißt auch nicht, dass Politiker nicht religiös sein dürfen; sie können sich, wie das "Komitee des Nationalen Parlamentarischen Gebetsfrühstücks", auch zur Religionsausübung treffen.

Aber es bedeutet eben, dass die beiden Sphären Religion und Staat getrennt werden müssen: Die Bevölkerung hat das Sagen in einer Demokratie. Kein Gott und auch niemand, der glaubt, ihn zu vertreten. Und wer ständig gelobt, den "politischen Islam" zu bekämpfen, sollte ganz besonders darauf achten, die Religion nicht in der Politik mitmischen zu lassen.(Sebastian Fellner, 3.12.2020)