Der Rettungstrupp erreichte die Dakota und ihre Passagiere erst vier Tage nach der Bruchlandung auf dem Gletscherplateau.

Foto: MHMLW

Zürich – Am 18. November 1946 startete ein US-Militärflugzeug von der Tulln Air Base bei Wien. An Bord befanden sich vier Besatzungsmitglieder und acht Passagiere, darunter zwei hochrangige Militärs der amerikanischen Besatzungstruppen in Österreich, vier Frauen und ein elfjähriges Mädchen. Ziel der Douglas C-53 (auch bekannt als Douglas Dakota) mit der militärischen Nummer 42-68846 war Pisa, wo man am 20. November anzukommen hoffte – doch daraus wurde nichts. Nach einer Zwischenlandung in München wählten die Piloten am 19. November für ihren Flug zum nächsten Zwischenstopp in Marseille zunächst die Route über den Brenner, bogen aber bei Innsbruck Richtung Westen ab.

Orientierungslos in den Alpen

Etwas später und nach einem Verlust der Orientierung flog die Maschine bei turbulenten Windbedingungen auf das Funkfeuer von Lyon zu und geriet dabei zwischen die hohen Gipfel der Westalpen. Um 14.25 Uhr streifte das Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von 280 Kilometer pro Stunde den an dieser Stelle relativ flachen Gauligletscher in den Berner Alpen und rutschte über Schnee und Eis an zwei Gletscherspalten vorbei noch 80 Meter aufwärts, ehe es in einer Seehöhe von 3.350 Metern zum Stillstand kam. Die Maschine blieb zunächst weitgehend heil, die Insassen kamen mit Ausnahme eines Schwerverletzten mit kleineren Blessuren davon.

a) Der Motor der Dakota wurde 2018 entdeckt und geborgen. b) Das gestrandete Flugzeug während der Rettungsaktion im Jahr 1946. c) Der Gauligletscher in den Berner Alpen.
Fotos: VBS/MHMLW/Gnägi

Nachdem die Besatzung davon ausging, dass sie in den französischen Alpen gestrandet waren, dauerte es trotz funktionierender Funkverbindung bis zum 21. November, ehe die Verunglückten durch Zufall entdeckt werden konnten. An der groß angelegten Suchaktion waren insgesamt 80 Flugzeuge beteiligt. Die bis dahin größte Rettungsaktion in den Alpen konnte schließlich erst am 23. November über die Bühne gehen. Die Aktion gilt als Geburtsstunde der alpinen Luftrettung. Die Douglas C-53 ging gezwungenermaßen in Schweizer Besitz über und verblieb zum größten Teil auf dem Gletscher. Was nicht gleich im Sommer 1947 von der Schweizer Armee geborgen wurde, verschwand schließlich unter Schnee und Eis und kam erst in den letzten Jahren wieder stückweise ans Licht, als der Gauligletscher durch die Klimaerwärmung an Substanz verlor.

Gletscher gibt US-Maschine bald frei

Nun hat ein Forschungsteam berechnet, dass auch die restlichen noch vor Ort befindlichen Teile des Wracks in den kommenden Jahren aus dem eisigen Untergrund auftauchen werden. Das Team der ETH und Universität Zürich schließt dies gemeinsam mit dem Labor Spiez und der Schweizer Armee aus Untersuchungen von radioaktivem Material in Eisproben. Die Atomwaffentests der USA und Russland der 50er- und 60er-Jahre hinterließen radioaktive Spuren im Gletschereis. Diese Rückstände erlauben Wissenschaftern, das Eis zu datieren und die Fließbewegung des Gletschers zu rekonstruieren.

Video: Bewegung des Flugzeugwracks im Laufe der Jahrzehnte.
ETH Zürich

Mit einem Computermodell berechneten die ETH-Forscher, wo die Soldaten in den Gletscher bohren mussten, um Eis aus der Zeit des Kalten Kriegs zu gewinnen. So entnahmen die Soldaten dem Gletscher fast eine halbe Tonne Eis an insgesamt 200 Punkten, das anschließend auf radioaktive Elemente untersucht wurde. "In den Bohrkernen der zweiten Kampagne sind die zwei Hauptpeaks der Verschmutzung mit radioaktiven Stoffen aus den Jahren 1957 und 1962 gut zu erkennen, bevor die Kontamination dann nach 1963 abrupt abbricht", sagte Guillaume Jouve von der ETH und der Uni Zürich.

Die Daten erlaubten es den Wissenschaftern, ihr Fließmodell für den Gauligletscher zu verfeinern. Demnach bewegen sich die Eismassen schneller talwärts als man bisher dachte, wie sie im Fachmagazin "The Cryosphere" berichten. (red, APA, 3.12.2020)