Die Polizei bekam im Zuge der Corona-Krise zahlreiche Zusatzaufgaben.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Die Kritik war da, aber so richtig laut wurde sie nicht. Die Polizei soll künftig in Betrieben kontrollieren dürfen, ob die Corona-Maßnahmen eingehalten werden – so steht es in einem Gesetzesänderungsantrag, den die Regierungspartner zu Beginn der Woche auf den Weg gebracht haben. Das erzürnte die Opposition zumindest momentan – und auch die Polizeigewerkschaft.

Denn die Polizei hat eigentlich keine Kapazitäten für noch mehr Kontrollen, heißt es aus der Fraktion Christlicher Gewerkschafter – also ausgerechnet aus dem ÖVP-Teil der Polizeigewerkschaft. "Wir können nicht für alles zuständig sein", sagt deren Vorsitzender Reinhard Zimmermann zum STANDARD. Das "Ende der Fahnenstange" sei erreicht, er sei "nicht sehr amused". Und außerdem wäre das personell gar nicht zu schaffen, immerhin ist die Polizei seit der Pandemie mit zahlreichen anderen Aufgaben befasst: Maskenkontrolle, Abstandskontrolle, Quarantänekontrolle.

Geschlossene Gasthäuser

Was genau die Gesetzesänderung in der Praxis bedeuten würde, lässt sich aus dem Antragstext nur recht verklausuliert herauslesen. Darin heißt es, dass die Bezirksverwaltungsbehörde "Betriebsstätten, Arbeitsorte, Verkehrsmittel und bestimmte Orte" betreten und besichtigen "sowie in alle Unterlagen, die mit der Einhaltung (...) im Zusammenhang stehen" Einsicht nehmen und Beweismittel sichern darf. Und künftig eben auch die Polizei, allerdings nur auf Ersuchen der Bezirksverwaltungsbehörden.

Dass die Polizei jetzt wahllos in Betriebe marschieren kann und dort keinen Stein auf dem anderen lassen wird, um herauszufinden, ob gegen Corona-Maßnahmen verstoßen wird, heißt das aber noch nicht. Im Covid-19-Maßnahmengesetz, Paragraf 8, ist detailliert geregelt, in welchen Fällen die Polizei nun eine Betretungsbefugnis hat. Da geht es etwa um Betriebe, für die momentan ein Betretungsverbot besteht – etwa die Gastro –, oder auch darum, dass der Inhaber oder die Inhaberin eines Betriebes dafür zu sorgen hat, dass er nicht zur falschen Zeit oder von zu vielen Personen betreten wird.

Besonderer Schutz für Redaktionen und Kanzleien

So könnte die Polizei künftig etwa Mitarbeiteraufzeichnungen verlangen, sagt Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk – beschlagnahmen dürfe sie diese aber nicht. Sehen Beamte zum Beispiel, dass bei einem Betrieb besonders viele Personen ein- und ausgehen, könnte auch das ein Grund für eine Kontrolle sein.

"Eine Hausdurchsuchung oder die Verschaffung von Unterlagen" seien jedoch nicht erlaubt, sagt Funk, es sei denn, es liege der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung vor. Besonders heikle Betriebe, etwa Kanzleien, Arztpraxen oder Redaktionen seien außerdem besonders geschützt. Letztere etwa dank des Quellenschutzes. "Den anzugreifen ist und bleibt tabu", daher könne die Polizei in Redaktionen nicht fragen, wen man wann wo getroffen habe. Und auch bei anderen Betrieben dürfe die Polizei nicht willkürlich vorgehen: "Sie kann nicht sagen: 'Diese Tischlerei erscheint uns unsympathisch, da schauen wir auf jeden Fall nach'", sagt Funk.

Opposition in Sorge um Grundrechte

Die Opposition reagierte jedenfalls heftig auf den Vorstoß. In der FPÖ sprach man von "Grundrechtsschwierigkeiten", auch die SPÖ sprach von einem "massiven Eingriff in die Grundrechte". Rechtlich, so betont Jurist Funk, sei die Gesetzesänderung aber in Ordnung. Gerald Loacker von den Neos kritisiert außerdem, dass nicht dokumentiert werden müsse, warum die Polizei einen Verdacht hegt, der sie zur Kontrolle veranlasst.

Funk meint dazu, es gebe zwar keine explizite gesetzliche Dokumentationspflicht, aber einige interne Rechtsvorschriften, dank denen die Polizei ihr Verhalten sehr wohl dokumentieren müsse. Dennoch sei "Willkür, vielleicht sogar eine Art Bösartigkeit", nicht auszuschließen, meint Funk, "so gut kann ein Rechtsstaat nicht sein, dass man mit Sicherheit annehmen kann, dass es das nicht gibt". (Gabriele Scherndl, 5.12.2020)