Ein Bild aus der Messehalle noch vor Beginn der Tests. Foto- und Filmaufnahmen sind nämlich nicht erlaubt, steht auf dem Infoblatt, das man vor dem Massentest ausgehändigt bekommt.

Foto: Christian Fischer

Am späten Freitagvormittag hielt sich der Andrang in der Innsbrucker Messehalle in überschaubaren Grenzen.

Foto: Steffen Arora

Mittlerweile kennt man das: Ein Stäbchen wird in die Nase gesteckt, damit herumgewühlt, so lange, bis Sekret daran klebt. Es ist erstaunlich, wie schnell Corona-Tests so etwas wie normal geworden sind, viele Österreicherinnen und Österreicher haben in den letzten Monaten einen gemacht, und man könnte meinen, wir alle sind zu Experten geworden, wenn wir über Nasen und Rachen, über Antigene und Antikörper sprechen, wie wir früher über das Wetter gesprochen haben. Nur der Körper will sich nicht so recht an dieses Stäbchen gewöhnen, weinen muss man immer noch.

Start der Massentests in Wien und Tirol – begleitet von Pannen des IT-Systems.
APA

Am Freitag starteten in Wien, Tirol und Vorarlberg die Corona-Massentests, tausende, gar hunderttausende Menschen sollen in nur wenigen Tagen getestet werden. In Wien, bei der Messehalle, einem von drei Testquartieren, reicht schon vor der offiziellen Eröffnung die Schlange bis zur nahe gelegenen U-Bahn-Station. An der Kreuzung werden FFP2-Masken verteilt und Fahrradfahrer verärgert, die eigentlich nur durchwollen.

IT Pannen in mehreren Bundesländern

Während draußen gewartet wird, wird drinnen – nicht nur in Wien, auch in anderen Bundesländern – mit IT-Problemen gekämpft. Negativ getestete Personen haben in Tirol vorerst nur eine verspätete oder gar keine Benachrichtigung über ihr Ergebnis erhalten. Am Nachmittag entschied die Einsatzleitung in Innsbruck, wegen anhaltender Probleme auf das IT-System des Bundes gänzlich zu verzichten. Nur mehr positiv Getestete erhalten nun binnen fünf Stunden eine Benachrichtigung per SMS. Bekommt man nichts, ist man negativ, so die Information der Behörden. In manchen Gemeinden ging man offenbar dazu über, die Getesteten direkt telefonisch zu informieren. Auch in Wien kommt immer wieder zu Ausfällen, heißt es, an mehreren Standorten fielen die elektronischen Erfassungssysteme aus – man musste auf Papier umsteigen und die Daten später nachtragen.

In Linz stieg man schon am Vormittag aus der Anmeldeplattform des Bundes aus. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sprach angesichts der Pannen von "keiner überraschenden Entwicklung": "Wie so oft wird vom Bund viel angekündigt, nichts funktioniert." Auch bei den Tests von Lehrerinnen und Lehrern, die in Linz bereits anlaufen, dürfte es Probleme gegeben haben: Offenbar wurden die Testtermine überbucht. Zudem habe, so der Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ), der Bund die Anmeldemöglichkeit "zu früh auch für Nichtpädagogen geöffnet und 60.000 statt der geplanten 28.000 Termine für Linz vergeben". Das Bundesland will das Wochenende noch abwarten, ob es seinen "Plan B" aktiviert.

Auch in Salzburg haben Lehrer, deren Tests eigentlich erst am Samstag beginnen, Termine für Freitag bekommen. Die Betroffenen sind erschienen und wurden auch getestet, weil das Bundesheer bereits startklar war, heißt es vom Militär. Ähnliche Pannen soll es auch in Niederösterreich geben. Eine Frau aus Gänserndorf hat einen bestätigten Termin für Samstagmittag bekommen, obwohl in Niederösterreich die Tests für die breite Bevölkerung erst am 12. Dezember beginnen.

Masken, Infoblätter und gutes Zureden

Zumindest physisch geht es in Wien flott voran: nächste Station, ein Ordner drückt ein Infoblatt in die Hand, nächste Station, eine junge Frau schreit "Halle C! Halle A!" und teilt den Strom entzwei. Sicherheit geht vor, daher werden nun noch einmal Masken verteilt – mit der Bitte, auch nur die zu tragen anstatt des schon recht vernudelten Mund-Nasen-Schutzes, den man sonst in der U-Bahn aufsetzt. "Wie geht'n des auf, der Scheißdreck", murmelt jemand, der mit Handschuhen an der Plastikverpackung herumfummelt.

Ein bisschen nervös ist er schon, meint ein älterer Herr mit beschlagener Brille. Es sei zwar nicht sein erster Corona-Test, sagt er, aber der erste, der über die Nase gemacht wird. "Zahnarzt ist schlimmer", meint seine Begleitung, eine Frau, die ebenfalls warm eingepackt ist. "Ich bin froh, wenn wir uns testen lassen können", sagt sie, "wenn das der Allgemeinheit hilft, dann machen wir mit."

Die nächste Station, immer noch draußen, markiert ein Desinfektionsmittelspender, der Helfer daneben grüßt mit einem fröhlichen "Morgen, gut geschlafen?". Es ist kurz vor acht Uhr, und irgendwie liegt Aufregung in der Luft. "Danke, dass Sie mithelfen", steht auf den Bannern, die auf Polizeigitter gehängt wurden, sie symbolisieren: Das ist ein nationaler Kraftakt, Sie selbst sind Teil davon. Und das ist es wahrlich: In wenigen Tagen wurden Software, System und Abwicklung auf die Beine gestellt – wenn auch mit Tücken –, nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) relativ unvermittelt die Tests angekündigt hatte.

Wenigstens schneit es nicht

In Schlangenlinien führen die Gitter zum Hintereingang der Messehalle, die Aufregung mischt sich mit dem seltsam vertrauten und doch vermissten Gefühl, am Flughafen anzustehen. Nur dass am Flughafen bisher nicht alle weiße Schalen vor dem Mund gespannt hatten, aber auch das wird zunehmend ein vertrauter Anblick. Kalter Wind zieht durch, und so wechseln die Gespräche doch wieder auf Wetter statt Tests: "Wenigstens schneit es nicht", meint die Begleitung des nervösen Herrn. Sie hofft, das viele kommen, sagt sie jetzt. Aber es gebe halt doch viele Corona-Leugner. Irgendwie würde sie gerne mal einen kennenlernen, meint sie.

Angekommen an der Tür, mittlerweile ist es acht, offizieller Beginn der Tests, schickt ein Soldat die nächsten vier Personen in die Halle. Dunkel ist es dort, der Boden schwarz. Bunte Linien wurden draufgeklebt, um die Ströme in die richtige Richtung zu lenken. "Alle zuhören", ruft eine Frau und fragt lautstark, wer oft Nasenbluten hat, wer blutverdünnende Medikamente nimmt. Die, die bejahen, werden zu einer ärztlichen Abklärung geschickt, alle anderen marschieren Richtung Teststation.

Ein bevorzugtes Nasenloch

An vielen Tischgruppen sitzen da Soldaten in hellgrünen Schürzen, ihre tarnfarbenen Heeresrucksäcke liegen feinsäuberlich aufgeschlichtet am Boden. Einer von ihnen schreibt handschriftlich das Formular ab, das man im Vorfeld ausfüllen und mitbringen musste. "Das System spinnt", sagt er und zeigt auf den Scanner neben dem Laptop, der das eigentliche Formular scannen sollte. Das System hat wahrlich gesponnen, immerhin kam es im Vorfeld zu mehreren groben Pannen bei der Anmeldung: Da wurden Daten vertauscht und an Dritte weitergeleitet, Termine durcheinandergebracht, und per Telefon ging die Anmeldung gar nicht. Dass deswegen nur jüngere Leute da wären, wie man annehmen könnte, stimmt aber nicht: Die Menge der zu Testenden ist ein bunt gemischter Querschnitt Wiens.

Einer am Testtisch trägt Weiß, er ist der Sanitäter, und auch er ist außerordentlich freundlich. Welches Nasenloch man bevorzuge, fragt er. Das verwirrt viele, manche schniefen dann durch jedes Nasenloch und treffen ihre Entscheidung. Nach dem unguten Akt mit dem Stäbchen wird man in die Wartezone geschickt. Aber irgendwie gehört warten seit Beginn der Pandemie ohnehin dazu – wir warten vor Apotheken und Punschständen, vor Arztpraxen und in Messehallen. Hat die Pandemie uns wieder geduldiger gemacht? Den Sanitäter vom Nachbar-Test-Tisch nicht. "Die Computer sind das Problem", schimpft er, "sonst ginge es zack, zack, zack", meint er und schlägt mit seinen behandschuhten Händen in die Luft.

Negativ ist kein Freibrief

Orange Quadrate markieren, wo die Getesteten stehen müssen, ein Soldat bittet, exakt an seinem Platz zu bleiben. Immerhin habe man extra die Abstände ausgemessen. Einer seiner Kollegen sagt zu einem dritten, ein wenig genervt: "Es ist grad mal viertel neun. Das geht bis 18 Uhr." Die Wartenden plaudern und tauschen sich derweil aus, immerhin ist der Massentest das erste gesellschaftliche Großereignis seit langem. "Burschen, bringts nix durcheinander", meint eine Frau, die immer noch Tränen in den Augen hat.

Sie bringen nichts durcheinander und händigen jeder Person, die auf einem orangen Quadrat steht, ihr Ergebnis aus, etwa eine Stunde ist vergangen, seit man an der Kreuzung das Infoblatt in die Hand gedrückt bekommen hat. Wer positiv ist, muss nun noch zu einem PCR-Test, der ist, aber das wissen all die frischgebackenen Expertinnen und Experten in Österreich ohnehin schon, zuverlässiger als der hier verwendete Antigentest. Wer negativ ist, verlässt die Halle über eine grüne Linie.

Doch auch die negativ Getesteten, das betonten im Vorfeld viele der tatsächlichen Expertinnen und Experten, sollen diesen Zettel, mit dem man wieder in die Kälte spaziert, nicht als Freibrief betrachten. Ein Ergebnis muss nicht stimmen, und es kann sich vor allem schnell ändern.

"Reibungsloser" Start in Tirol

Abgesehen von den oben beschriebenen IT-Problemen und heftigem Föhnsturm verlief der Start der Tiroler Massentestungen "reibungslos", hieß es seitens des Landes. Damit es in den insgesamt sechs Innsbrucker Test-Zentren zu keinem Massenandrang kommt, kann man sich online über die Auslastung der jeweiligen Standorte informieren. Dort ist nach dem Ampelsystem – rot, gelb, grün – ausgewiesen, ob und wie lange man warten muss. Vor den Teststationen Olympiaworld und Messehalle waren am späten Vormittag keine Warteschlangen zu sehen.

Die meisten Menschen kamen ohne Anmeldung, nur manche nutzten die Möglichkeit, sich online ein Zeitfenster zu reservieren. Die Abwicklung selbst verlief problemlos, berichteten Getestete – es gebe ausreichend Platz und man müsse nirgends länger warten. "Es brennt kurz und die Augen tränen, es ist aber nicht schlimm", erzählte eine Mutter, die mit ihren drei Kindern zum Testen in die Messehalle gekommen war. Sie hatte ebenfalls online einen Termin nach Schulschluss für die Familie reserviert und alle vier wurden gemeinsam getestet. Wobei die beiden Söhne das Prozedere weniger toll fanden: "Das hat schon wehgetan!"

In Dörfern wird nach Straßen getestet

Für das Testwochenende wurden in Innsbruck die Kurzparkzonen ausgesetzt. Die Stadtführung appellierte an die Bevölkerung, wenn möglich zu Fuß oder mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zum Testen zu kommen. Die Innsbrucker Verkehrsbetriebe werden dazu übers das Wochenende den Fahrplan ändern und die Takte erhöhen, um Gedränge in den Öffis zu vermeiden.

In den kleineren Ortschaften Tirols wurden der Bevölkerung Zeitfenster zugeteilt. In Absam beispielsweise wird nach Straßenzügen getestet. Die Bewohner erhielten per Postwurf die Mitteilung, wann ihre Straße an der Reihe ist. Man wurde aufgefordert, sich in dieser Stunde beim Testzentrum in der örtlichen Volksschule einzufinden. Das funktionierte reibungslos, Freitagmittag war es ruhig, nur zwei Feuerwehrler standen vor der Schule, um Testwillige zu empfangen und einzuweisen. (Gabriele Scherndl, Steffen Arora, 4.12.2020)