Foto: ORF/KGP/Heinz Laab

Wien – Nein, es ist trotz der wunderbaren Berge keine heile Welt, die der Tiroler Landkrimi "Das Mädchen aus dem Bergsee" zeigt. Die Dreharbeiten, die im Oktober und November 2019 in Innsbruck und Umgebung stattfanden, hinterließen in Regisseurin Mirjam Unger dennoch ein wehmütiges Gefühl: "Es war für mich das letzte Projekt, das noch ganz Corona-unbeschädigt über die Bühne gehen konnte. Wer hätte das gedacht?" Am kommenden Dienstag (8.12.) ist der Film um 20.15 Uhr in ORF 1 zu sehen.

"Landschulwochen-Feeling" beim Landkrimi

"Wir haben es sehr genossen in Tirol zu drehen und haben viel Zeit miteinander im Team verbracht. Es war ein richtiges Landschulwochen-Feeling. Ich erinnere mich gerne daran zurück", sagt Unger im Gespräch mit der APA.

"Bei den Dreharbeiten für mein nächstes Projekt, den Weihnachtsfilm 'Alle Nadeln an der Tanne', der am 17. Dezember im ZDF gezeigt wird, wurden wir schon von Corona unterbrochen. Niemand wusste, wie es weitergeht. Die Dreharbeiten wurden von der Bavaria Film gänzlich ins Studio verlegt, was natürlich nur geht, wenn man entsprechende Voraussetzungen hat. Das war dann eine gemeinsame Quarantäne-Erfahrung, intensiv, anstrengend, aber auch lustig. Der Dreh für die nächste 'Vorstadtweiber'-Staffel hat darauf schon unter Corona-Bedingungen stattgefunden, mit regelmäßigen Testungen, Masken und Abstand am Set und extremer Vorsicht bei Kontakten außerhalb des Drehteams."

Keine Schnaps-Klappe: Lehren aus dem Lockdown

Wie geht es der Moderatorin, die nach ihrem Studium an der Wiener Filmakademie seit ihrem Spielfilm "Ternitz, Tennessee" (2000) und der Dokumentation "Vienna's Lost Daughters" (2007) zu den Fixgrößen der heimischen Filmlandschaft zählt, mit den herrschenden Corona-Bedingungen am Set? "Man findet sich damit ab: Ich habe einen pragmatischen Zugang und bin dankbar, dass wir überhaupt drehen dürfen. Aber natürlich ist es schade, wenn alles menschliche Drumherum wegfällt, wenn es weder ein Bergfest noch eine Schnapps-Klappe gibt."

Welche filmpolitischen Lehren lassen sich aus dem Lockdown bisher ziehen? "Zum Beispiel wurde jetzt deutlich, wie sehr die funktionierende Studioinfrastruktur fehlt, die Österreich in den vergangenen Jahren ganz aufgegeben hat. Das hat sich alles nach Budapest, Prag oder Sofia verlagert. Mitten in einer Aufbruchzeit voller interessanter Produktionen spielt Österreich da gar nicht mehr mit. Das ist total schade und könnte und sollte korrigiert werden. Ich glaube, da wäre auch Geld zu machen."

Fernsehen wie Kino

Nach dem viel gelobten Kinodokumentarfilm "Oh Yeah, She Performs!" (2012) und der Nöstlinger-Verfilmung "Maikäfer flieg!" (2016) verlagerte sich der Schwerpunkt der 1970 in Klosterneuburg geborenen Regisseurin ins Fernsehen, wo sie "Am Schauplatz"-Dokumentationen ebenso drehte wie Folgen der "Vorstadtweiber". Einen ORF-"Landkrimi" hat sie nun zum ersten Mal gedreht.

"Wir, die wir diesen Landkrimi gemacht haben, kommen alle vom Kino. Es war in der Vorbereitungszeit immer wieder Thema unter uns: Was sind die Parameter des Fernsehens, und wie könnte man es ein bisschen anders machen? Unser Anspruch war schon ein cineastischer. Wir sehen nicht ein, warum Fernsehen nicht auch wie Kino aussehen kann." Die schöne Landschaft als Verbrechens-Hintergrund besonders attraktiv ins Bild zu setzen, ist also keine Format-Vorgabe? Unger lacht. "Es geht darum, die Erwartungen zu erfüllen, sie gleichzeitig aber auch zu brechen. Es ist ein Herantasten. Ein Landkrimi kann ruhig auch anspruchsvoll sein. Wir können uns auch Experimente erlauben – wie es etwa beim 'Tatort' in Deutschland regelmäßig versucht wird."

Die Leiche vom STANDARD

Das titelgebende "Mädchen aus dem Bergsee" ist eine tote Prostituierte, die sich vermeintlich selbst das Leben genommen hat – gespielt von STANDARD-Redakteurin Lisa Stadler. Die Ermittlungen von Frau Hauptmann Lisa Kuen (Patricia Aulitzky) und ihres jungen Kollegen Alex ergeben jedoch rasch: Es war Mord. Je tiefer die Kriminalbeamtin jedoch in den Fall eintaucht, desto näher kommt sie dabei jedoch ihrer eigenen Familie. Plötzlich steht ihr eigener Vater, ein prominenter Fußballtrainer, unter Mord- und Missbrauchs-Verdacht.

"Das Drehbuch von Eva Testor ist in den Jahren der großen #metoo-Debatte entstanden. Da sind wohl auch viele Tiroler Geschichten mit eingeflossen. Wir haben kurz überlegt, es im Skizirkus anzusiedeln, die Autorin wollte es im Fußballmilieu belassen. Das habe ich respektiert", erzählt Mirjam Unger.

Es gibt noch was zu sagen über die Ermittler

Einer der Pluspunkte dieses neuen Landkrimis stellt das durchaus spannungsgeladene Verhältnis zwischen der energischen Chefin und ihrem jungen Mitarbeiter dar, der endlich einmal eine Chance und einen eigenen Fall bekommen will. "Wir mögen das Ermittler-Paar Alex und Lisa sehr gerne. Patricia Aulitzky kennt man, aber der Osttiroler Dominik Raneburger hat als Alex seine erste große Rolle. Für mich ist er eine wirkliche Entdeckung. Mit den beiden würden wir auch liebend gerne einen zweiten Teil machen. Wir hatten das Gefühl, ihre Geschichte ist nicht auserzählt."

Der Jahreswechsel hat es für Mirjam Unger in sich: "Nach der vielen Arbeit am Feld freue ich mich jetzt auf die Ernte der Ausstrahlungen mit dem ORF/ZDF-Landkrimi, dem ZDF-Weihnachtsfilm und der fünften Staffel der 'Vorstadtweiber'." Diese startet am 11. Jänner, während die Regisseurin im Schneideraum bereits an der sechsten Staffel arbeitet. Im nächsten halben Jahr möchte sie allerdings "ein wenig leiser treten und Stoffe weiterentwickeln und schreiben, außer es kommt ein reizvolles Angebot daher, das weiß man ja nie". Im zweiten Halbjahr 2021 folgt dann ein Dreh (MR-Film für ORF/ARD) für eine neue große Serie, gemeinsam mit der deutschen Regisseurin Anna-Katharina Maier. "Da werde ich vier Folgen davon drehen." (APA, 4.12.2020)

Wie es war, im Tiroler Landkrimi eine Leiche zu spielen, erzählt Lisa Stadler im Podcast Serienreif. Hören Sie, was sie erzählt: