Sebastian Kurz verliert zwar etwas an Strahlkraft, hat aber immer noch mehr als doppelt so viel an Zustimmung wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

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Linz – Mit mehr als 40.000 Interviews hat das Linzer Market-Institut seit April den Optimismus-Pegel in der österreichischen Bevölkerung gemessen und dabei die Zusammenhänge zwischen der jeweiligen Corona-Situation und der Stimmungslage der Bevölkerung nachvollziehbar gemacht.

Seit der Vorwoche sieht man wieder einen deutlichen Anstieg des Optimismus: Er entwickelte sich vom rund um den Nationalfeiertag gemessenen Tiefstwert von 23 Prozent im Verlauf des November in einen Bereich um die 30 Prozent und machte in der letzten Novemberwoche einen Zehn-Prozentpunkte-Sprung auf 39 Prozent, wo auch der aktuelle Wert aus der ersten Dezemberwoche liegt.

Pessimismus geht deutlich zurück

Gleichzeitig ist der Pessimismus deutlich zurückgegangen: Im Oktober hatte der Abstand zwischen Pessimisten und Optimisten ganze 20 Prozentpunkte betragen – den 23 Prozent Optimisten waren in der 44. Kalenderwoche 43 Prozent Pessimisten gegenübergestanden (der Rest ist unentschieden). Seit der Vorwoche haben die Optimisten wieder die relative Mehrheit – sie sind in der aktuellen Market-Umfrage für den STANDARD mit 39 Prozent eine statistisch signifikant größere Gruppe als die Pessimisten (32 Prozent).

Dabei lohne der Blick darauf, wer sich hoffnungsfroh und wer sich eher skeptisch bekennt, sagt Market-Institutsleiter David Pfarrhofer. Er betont, dass die Frage nach eher optimistischer oder eher pessimistischer Grundhaltung als allererste bei den Umfragen aufpoppt: "Es ist also nicht so, dass wir jemanden fragen, welche Partei er wählt, und dann, ob er denn auch ein Optimist wäre. In unseren Fragebögen kommt die Sonntagsfrage ziemlich zum Schluss – trotzdem kann man einen engen Zusammenhang zwischen Parteipräferenzen und Grundstimmung erkennen."

Optimisten wählen Regierungsparteien

Vereinfacht gesagt: Anhänger der ÖVP und der Grünen sind weit überdurchschnittlich optimistisch – oder es sind umgekehrt Menschen mit positiver Lebenseinstellung, die diese beiden Parteien bevorzugt wählen. Pfarrhofer: "2017 waren auch die SPÖ-Wähler noch ziemlich optimistisch – seit die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist, sind sozialdemokratische Wähler im Schnitt viel weniger optimistisch. Die FPÖ hat in den letzten Jahrzehnten immer in den eher düster gestimmten Gesellschaftskreisen Wähler rekrutiert. Während der FPÖ-Regierungsbeteiligung war aber auch die FPÖ-Gefolgschaft eher positiv gestimmt."

Und: Frauen und ältere Personen sind weit weniger optimistisch als der Bevölkerungsschnitt. So bekennen sich aktuell 45 Prozent der Männer, aber nur 34 Prozent der Frauen zu einem zuversichtlichen Blick auf die nächsten Wochen und Monate.

ÖVP stark, ihr Chef nicht mehr so sehr

Die aktuelle Umfrage zeigt, dass die ÖVP derzeit auf demselben Niveau liegt wie im Jänner: 39 Prozent ergibt die hochgerechnete Sonntagsfrage für die Kanzlerpartei – aber nur 32 Prozent für Amtsinhaber Sebastian Kurz in der (hypothetischen) Direktwahlfrage. Das ist der schwächste Wert seit drei Jahren – während des ersten Lockdowns, Anfang Mai dieses Jahres, war Kurz auf 52 Prozent gekommen.

Pfarrhofer: "Kurz hat sich als die Führungsfigur durch die Krise profiliert – wenn da jetzt immer öfter Probleme thematisiert werden, färbt das negativ auf den Bundeskanzler ab."

Es gelte aber, die Dimensionen im Auge zu behalten und mit den Amtsvorgängern aus der SPÖ zu vergleichen: Werner Faymann hatte nur einmal einen höheren Wert als Kurz heute (38 Prozent im Mai 2011), meist lag er deutlich unter 25 Prozent. Und Christian Kern hatte nur so lange gute Werte, wie Kurz nicht zum Vergleich gestanden ist – danach lag er auf ähnlichem Niveau wie Kurz heute.

SPÖ legt langsam, aber stetig zu

Und: Es gibt weit und breit keinen Herausforderer für Kurz, wie die Umfrage ebenfalls zeigt:

  • Die SPÖ liegt auf dem zweiten Platz, hochgerechnet kommt sie auf 23 Prozent, deutlich mehr als die 19 Prozent im Frühjahr. Pfarrhofer: "Die SPÖ macht derzeit viel richtig, sie fällt nicht stark auf, vor allem fällt sie nicht mehr mit Meinungsverschiedenheiten auf – so kann sie ruhig an Terrain zurückgewinnen. Das kommt auch der Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner zugute. Zu Jahresbeginn wollten sie nur neun Prozent als Kanzlerin sehen, jetzt sind es 14 Prozent – immer noch weniger als halb so viel wie Kurz, aber immerhin ein Aufwärtstrend."
  • Die Grünen sind mit 14 Prozent in der Hochrechnung ähnlich langsam zurückgefallen: Im April und Mai waren sie mit 19 Prozent deutlich stärker. Und ihr Parteichef, Vizekanzler Werner Kogler, kann derzeit auf acht Prozent bauen, die ihn als Kanzler sehen wollen; zu Jahresbeginn waren es bis zu 15 Prozent.
  • Mit ebenfalls hochgerechneten 14 Prozent können die Freiheitlichen (nach einem Schwächeln im Frühsommer) den Grünen erstmals wieder den dritten Platz streitig machen. Pfarrhofer: "Auch Norbert Hofer hat sich wieder erfangen. Im Oktober hätten ihn nur sechs Prozent direkt wählen wollen, jetzt sind es neun Prozent – nicht rasend viel, aber durchaus ein Hinweis, dass man die FPÖ nicht einfach abschreiben darf, wie das manche in letzter Zeit getan haben."
  • Die Neos sind mit acht Prozent stabil, sie hätten im Frühjahr "einen leichten Durchhänger" gehabt, sagt Pfarrhofer: "Jetzt haben sie wieder die acht Prozent, die sie bei der Wahl im Vorjahr hatten. Und sie haben mit Beate Meinl-Reisinger eine Parteichefin, die mit neun Prozent in der Kanzlerfrage sogar besser liegt als die eigene Partei in der Hochrechnung."
  • Zwei Prozent weist die Hochrechnung für andere Parteien aus – Liste Pilz und andere Kleinparteien hatten im Vorjahr 3,3 Prozent erreicht. (Conrad Seidl, 5.12.2020)