Mit bis zu 18 Kilogramm Masse gehört die Großtrappe zu den schwersten flugfähigen Tieren überhaupt. Sie braucht Grasland zum Überleben.
Foto: APA/ARCHIV NATIONALPARK NEUSIEDLER SEE - SEEWINKEL

Eine gemischte Bilanz zeigt der neue Europäische Brutvogelatlas, der am Donnerstag veröffentlicht wurde: Bei manchen Vogelarten hat sich das Brutgebiet in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vergrößert, bei anderen ist es leider dramatisch geschrumpft. Diese gegenläufigen Trends scheinen vor allem die Flächennutzung durch den Menschen widerzuspiegeln.

Problemfall Grasland

Der "European Breeding Bird Atlas 2" umfasst 596 Brutvogelarten Europas und vergleicht deren Verbreitung im Vergleich zur ersten derartigen Erhebung aus den 1980er Jahren. Zu jenen Arten, die ihr Brutgebiet verkleinert haben, zählen etwa Großtrappe, Blauracke und Ortolan. In Österreich gilt der Ortolan seit einigen Jahren als ausgestorben. Auch die Blauracke kämpft mit nur ein bis zwei Brutpaaren ums Überleben.

Was diese körperlich durchaus unterschiedlichen Arten gemeinsam haben: Sie brauchen offene Flächen wie Grasländer, Wiesen, Steppen, Felder oder Weiden. Feld- und Wiesenvögel gehören aber europaweit zu den Verlierern. Laut der aktuellen Erhebung hat von den fast 600 in Europa brütenden Vogelarten, die von 2013 bis 2017 registriert wurden, ein Viertel ihr Brutgebiet gegenüber den 1980er Jahren verkleinert. Hauptursache für die Bestandsabnahmen ist die intensivierte Landwirtschaft, teilte die Vogelschutzorganisation "BirdLife Österreich" mit.

Speziell im Mittelmeerraum, in West- und Mitteleuropa mit im Vergleich zu Osteuropa deutlich intensiverer Landwirtschaft haben sich "BirdLife" zufolge die Areale von Feld- und Wiesenvögeln deutlich verkleinert. Auch die Klimakrise spiele eine Rolle, wobei ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle festzustellen sei: Während Vogelarten in nördlichen Regionen Europas an Bestand zunehmen, sind sie in südlichen Regionen teils stark zurückgegangen.

Auf der positiven Seite

Dagegen hat ein gutes Drittel (35 Prozent) der europäischen Brutvogelarten ihr Brutgebiet vergrößert, ist also heute weiter verbreitet als vor 30 bis 40 Jahren. Dazu zählen viele Waldvogelarten, die davon profitieren dürften, dass sich die Waldfläche europaweit vergrößert hat – selbst wenn es sich nicht um Urwälder mit hohem Artenreichtum handelt.

Auch ein verbesserter gesetzlicher Schutz und intensivere Bemühungen um den Lebensraum seien für Arten wie Seeadler, Rohrdommel oder Säbelschnäbler von Vorteil gewesen, heißt es in dem Bericht. Der Bestand von rund 40 Prozent der Brutvögel ist im Vergleich zu den 1980er Jahren stabil.

Forderung nach mehr Naturflächen

"Der neue Atlas zeigt, dass mehr als die Hälfte aller europäischen Brutvogelarten nur in sehr kleinen Teilen Europas vorkommen", verweist Norbert Teufelbauer von "BirdLife Österreich" auf die besondere Verantwortung der einzelnen Regionen und europäischen Länder für den gemeinsamen Artenreichtum. Besonders großen Handlungsbedarf ortet der Experte im Bereich der landwirtschaftlichen Nutzung: "Nachdem die Verhandlungen zur Neuauflage der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht zugunsten der Vogelwelt ausgefallen sind, ist es umso wichtiger, auf nationaler Ebene zu handeln", fordert er "mindestens ein Zehntel aller landwirtschaftlich genutzten Flächen als Naturflächen, wo Insekten und Vögel ausreichend Nahrung und Schutz finden". (APA, red, 5. 12. 2020)