Klemens Hagleitner (23), Student

Ich klettere, seit ich zwölf Jahre alt bin, ich brauche den Sport, um mich auszupowern. Normalerweise trainiere ich in der Kletterhalle in der Walfischgasse, aber die hat schon während des Lockdowns light geschlossen. Also habe ich die Kletterwand in meinem Zimmer reaktiviert.

Die habe ich vor zehn Jahren mit meinem Vater gebaut. Das war damals ein echtes Megaprojekt, weil die Wand so brüchig ist. Bis die Konstruktion gehalten und Gewicht getragen hat, hat es ziemlich gedauert. Als ich dann älter wurde, bin ich vielleicht alle vier Monate einmal entlang geklettert. Es sind ja nur 40 Griffe, dazu ist sie nicht sehr hoch, das war dann einfach irgendwann mal langweilig. Aber jetzt gehe ich viermal pro Woche an die Wand, um die Bewegungen zu trainieren, die Übungen nicht zu vergessen und die Muskeln in Form zu halten.

Meine Freunde beneiden mich gerade ziemlich um diese Kletterwand, sie können zurzeit nur Rad fahren oder laufen gehen. Ein Freund besucht mich aber, mit dem übe ich dann verschiedene Griffe. Und ich führe eine Liste mit verschiedenen Herausforderungen, die ich meistern will. Trotzdem kann ich es kaum erwarten, bis ich wieder an die echte Kletterwand kann. Die Community fehlt ja trotzdem.

Stefan Joham

Eugen Prosquill (31), Werbefachmann

Das Puzzlen habe ich schon im ersten Lockdown für mich wiederentdeckt. Es ist einfach eine extrem schöne Beschäftigung, bei der man das Hirn anregt und die Konzentration schärft. Man sucht nach Farben, nach Formen, man baut aus lauter kleinen Informationen ein Bild zusammen. Manchmal erinnert man sich eine halbe Stunde später plötzlich, wo das eine Steinchen lag, das man genau jetzt braucht. Das sind dann auch jedes Mal kleine Erfolgserlebnisse.

Vor mir liegt ein Puzzle, das ich neulich im Warda-Shop gekauft habe. Es ist ein Projekt des Künstlers Boicut in Kooperation mit dem Calle-Libre-Festival – und es zeigt die Welt, wie sie während des ersten Lockdowns war: Die Natur hat sich erholt, es sind keine Flugzeuge geflogen, man hat mehr Vögel gesehen. Es besteht aus 1000 Teilen, ein Teil der Einnahmen geht an den WWF. Ich werde es dann aufhängen, als Erinnerung an diese eigenartige Zeit.

Stefan Joham

Maja (39), Angestellte, Dragana Gligic (30), Supervisor

Wir haben im ersten Lockdown begonnen, eine Kollektion zu entwerfen und zu nähen. Dragana ist ja in einer Modeschule, die Klasse musste bei der Vienna Fashion Week präsentieren. Bis dahin war es ein Hobby für uns, aber im Lockdown konnten wir endlich konzentriert an unserem Traum, ein eigenes Label zu haben, arbeiten. Wir sind oft bis in die Nacht gesessen und haben genäht und ausgebessert – oder alles neu gemacht.

Im ersten Lockdown haben wir zehn komplette Outfits geschafft, für den zweiten haben wir uns dasselbe Ziel gesetzt. Weil wir nicht immer beieinander sein können, arbeiten wir viel über Videokonferenz oder per E-Mail. Weil wir jetzt so richtig Blut geleckt haben, werden wir auch demnächst eine Homepage für unsere Mode launchen.

Stefan Joham

Khalifa Dampha (30), Verkäufer

Im ersten Lockdown habe ich darüber nachgedacht, was ich eigentlich mit meinem Leben machen will. Ich arbeite seit Jahren in einem großen Textilgeschäft als Verkäufer, aber ich kann mehr. Also habe ich danach einmal pro Woche ein Pop-up-Lokal für afrikanische Fusionküche gestartet.

Jetzt im zweiten Lockdown habe ich für Freunde und Stammgäste gekocht und ihnen das Essen als Dankeschön für ihre Treue vorbeigebracht. Erst meine Top-fünf-Gerichte, etwa das "Peanut Butter Chicken", aber dann habe ich begonnen, neue Rezepte auszuprobieren, meine Kochkünste zu verfeinern. Für mich hat diese Zeit nur noch mehr darin bestärkt, dass ich später ein Restaurant aufmachen will.

Stefan Joham

Gertrud Issakides, 55, (Ladeninhaberin) und Alexandra Issakides, 65

Gertrud: Eigentlich ist Stricken ja eine Beschäftigung für den Winter, im Sommer ist man normalerweise im Garten oder in der Natur. Aber in diesem Jahr habe ich fast durchgängig gestrickt. Es ist eine emotional anstrengende Zeit, das Stricken hilft mir dabei, mich zu entspannen. Außerdem ist Stricken auch Mathematik, man muss rechnen und zählen, um bestimmte Modelle nach Vorgabe fertigzustellen. Es hält also auch das Hirn fit. Ich habe während des Lockdowns mehrere Stunden am Tag gestrickt. Normalerweise stricke ich ja für mein Geschäft. Ich besitze ein Wollgeschäft im 1. Bezirk, meist stricke ich also, weil die Kunden dann an einem fertigen Stück sehen können, wie die Wolle wirkt. Aber jetzt, wo der Laden geschlossen bleiben musste, habe ich vor allem Bestellungen von meinen Söhnen und meiner Tochter angenommen.

Alexandra: Ich lebe eigentlich in Frankreich, aber die letzten fünf Wochen war ich in Wien bei meiner Schwägerin, weil mir die Wolle ausgegangen ist (lacht). Nein, im Ernst: Es war schön, den Lockdown mit Gertrud zu verstricken, ich habe fünf Pullover und mehrere Paar Socken produziert. Ich mag das: Man sitzt nebeneinander, plaudert oder schweigt konzentriert. Es ist sehr gemütlich, vor allem, weil die Gedanken dabei frei fließen können, man hat Zeit, nachzudenken – und kommt auf neue Ideen. Und am Ende hat man dann noch etwas Selbstgemachtes, das man verschenken kann.

Stefan Joham

Mahir Jahmal (34), Fotokünstler

Früher war ich Musiker, habe mit diversen Bands auf Festivals gespielt. Irgendwann habe ich mich dann auf andere Dinge konzentriert, die Gitarren standen im Eck. Im ersten Lockdown habe ich sie wieder hervorgeholt, plötzlich war da wieder die Lust und vor allem die Zeit, mich wieder mit der Musik zu beschäftigen. Ich spiele jetzt so gut wie noch nie, ich hab es voll ausgekostet und wirklich dauernd geübt.

Jetzt bin ich also wieder auf Tour – nur halt eben im Nebenzimmer. An manchen Abenden stelle ich die Kamera auf und übertrage Live-Sessions auf Insta gram. Nicht angekündigt, sondern spontan, sobald ich Lust hab. Manchmal schalten sich Profimusiker dazu. Zuletzt war James Hersey dabei, das war cool.

Stefan Joham

Willi Chen (46), Angestellter

Ich bin jetzt in einem Alter, in dem Prävention die beste Medizin ist – also mache ich jeden Tag Sport, das ist im Lockdown sogar so etwas wie mein Tageshighlight. Ich habe dazu den Rollentrainer mit einer App verbunden, über die ich auf dem Bildschirm verschiedene Strecken mit anderen und gegen andere fahren kann. Das ist ein ziemlicher Push, weil dadurch fast schon echtes Wettkampffeeling aufkommt, während ich meine Kilometer runter spule. Meine aktuelle Lieblingsstrecke führt durch die französischen Normandie, die ist ziemlich anspruchsvoll – aber nein, sie ist nicht Teil der Tour de France, an die habe ich mich noch nicht gewagt.

Meine Wohnung ist sehr klein, ich schaue also vom Bett aus auf das Fahrrad. So gesehen kann ich also gar keinen inneren Schweinehund vorschützen.

(Stefan Joham, 6.12.2020)

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Stefan Joham