Karl-Heinz Grasser ist ein österreichisches Phänomen. Der smarte, junge Typ, auf den so viele ihre irrationalen Hoffnungen setzen. Der dann bitter enttäuscht.

Karl-Heinz Grasser im Wiener Straflandesgericht.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER/APA-POOL

Er war ein politischer Superstar, anno 2000 mit 31 Jahren Finanzminister in der schwarz-blauen Regierung des Wolfgang Schüssel. Er verkaufte sich glänzend. Die Industriellen hätten ihm wegen seiner Privatisierungs- und Deregulierungspolitik "fast ihre Kinder zur Segnung gereicht", wie Herbert Krejci, der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (!), sarkastisch bemerkte.

Aber auch in breiten Bevölkerungskreisen galt er als Messias. Schüssel wollte ihn zum Spitzenkandidat der ÖVP machen. Berühmt der Brief einer Anbeterin: "Sie sind für diese abscheuliche Neidgesellschaft zu jung, zu intelligent, zu schön."

Nur wenige erkannten, was er war: ein Blender. Sein berühmtes "Nulldefizit" wurde nur durch Einmaleffekte (Verkauf von Staatsbesitz) erreicht. Die Abgabenquote stieg unter ihm auf 45,4 Prozent. Später – "in der Privatwirtschaft" – kamen die Anleger seiner Investmentfirma um ihr Geld. Und bald umwehte ihn Korruptionsverdacht.

Blender werden gerne geliebt in Österreich. Nicht umsonst kam Grasser aus dem Dunstkreis von Jörg Haider. Viele Österreicher verachten "die Politiker", bis sie Hals über Kopf auf einen gefälligen Scharlatan hereinfallen. Die Ernüchterung bleibt nicht aus, aber sie hält oft nicht vor. (Hans Rauscher, 4.12.2020)