Sebastian Kurz wird sich nicht mehr ändern. Er wird weiter Politik machen, wie er es für gut befindet – also mit vielen Presseauftritten, aber im Grunde wenig transparent. Vordergründig mit Coolness, aber mit zunehmender Gereiztheit als Reaktion auf leiseste Kritik. Sicher auch das Wohl des Landes im Auge, aber mit einem stark verengten gesellschaftspolitischen Bild.

Diese Art, politisch zu denken, Politik zu machen, stößt derzeit gerade in der Corona-Frage an ihre Grenzen. Österreich bewältigt die Krise keineswegs besser als andere. Türkis und Grün haben sich einige unvermeidliche, aber etliche vermeidbare Fehler geleistet. Der Bundespräsident spricht auf wenig schmeichelhafte Weise das Grundproblem an, wenn er meint, es brauche einen "wohldurchdachten, strukturierten Plan".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

In dieser Situation fehlt zweierlei: der Wille von Kurz/Türkis, sich zu öffnen und alle geistigen Ressourcen, auch von außerhalb, einzubeziehen. Zweitens wäre aber mehr effektive Kontrolle der Regierung nötig.

Kontrolliert werden Regierungen durch eine brauchbare Opposition, kritische Medien und eine aktive Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft, also Bürger, die sich organisieren, existiert zwar, aber derzeit vor allem in sozialen Medien. Wenn so vieles in der Corona-Krise schiefläuft, etwa bei den Schulen, aber auch bei den Altenheimen, sollte man erwarten, dass es einen Bürgeraufstand über Twitter hinaus gibt.

Opposition

Zu wenige Medien stellen Grundsatzfragen. Es gibt kritische Stimmen, sogar in der Krone und im Message-kontrollierten ORF. Aber mit Ausnahmen, zu denen man den STANDARD, den Falter, ZiB2, Report, einige Bundesländerzeitungen und auch Puls 4 zählen darf, wird die Corona-Politik der Regierung zu wenig fundiert hinterfragt. Servus TV hinterfragt zwar, hat sich aber zum Sprachrohr aller seltsamen "Querdenker" gemacht. Am anderen Ende lässt der Kurier allen Ernstes zwei Redakteure diskutieren, ob Armin Wolf gegenüber Sebastian Kurz so unbotmäßig sein darf.

Bleibt die Parlamentsopposition. Die FPÖ ist schwer deroutiert und glaubt an Chemtrails, aber nicht an Corona. Die Neos und die SPÖ haben beide an sich fachliche Kompetenz, können die Fehler der Regierung aber nicht wirklich in eine effektive Oppositionspolitik verwandeln. Pamela Rendi-Wagner kennt sich fachlich aus, aber die harte Opposition liegt ihr nicht.

Um fair zu sein, die Massenzeitungen machen es der Opposition nicht leicht. Ein Titelblatt wie das von Österreich mit Kurz und Rudolf Anschober als Weihnachtsmänner im Lockdown symbolisiert die zugleich infantile und unterwürfige Haltung. Um hier mit einer seriösen Kritik durchzukommen, müssten Neos und SPÖ härter, geschickter agieren.

Allerdings ist spürbar, dass sich in der Bevölkerung die Zweifel an der Kompetenz der Koalition in Sachen Corona-Politik zu mehren beginnen. Daher müssten die beiden relevanten Oppositionsparteien, also Neos und SPÖ, aber auch die Medien und die Zivilgesellschaft, ihre gesamten Reserven mobilisieren, um zu verhindern, dass die Regierung weiter ohne "wohldurchdachten, strukturierten Plan" vor sich hin werkelt. Der Weg zur Normalität ist noch lang, es dürfen nicht noch weitere Fehler passieren. (Hans Rauscher, 5.12.2020)