Ein einfacher Weg zu helfen: Die Nachbarn fragen, ob man für sie einkaufen gehen kann.

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Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt mit dem, was wir bekommen, aber wir leben von dem, was wir geben", hat Winston Churchill einst gesagt – und wusste als einer von vielen, wie erfüllend Hilfsbereitschaft sein kann. Und nicht nur das: Anderen zu helfen ist auch gesund. Wer sich ehrenamtlich engagiert, das zeigen Langzeitstudien, ist körperlich fitter, mit dem eigenen Leben zufriedener und leidet seltener an Depressionen.

Somit ist freiwilliges Engagement auch eine gute Strategie für die aktuelle Krise, sagt Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie. Der Dienst am Mitmenschen stärkt die eigene Psyche, "weil er uns Freude und Sinn gibt, zwei Grundbedürfnisse des Menschen", so der Psychotherapeut.

Vor allem ältere Menschen finden in freiwilligem Engagement oft das Gefühl, gebraucht zu werden. Diverse Studien haben gezeigt, dass sich durch ein Ehrenamt auch das Sterberisiko reduzieren kann. Zwei Untersuchungen von der Universität Berkeley sowie der Universität Michigan haben ergeben, dass ältere Menschen, die sich für andere engagieren, in den fünf darauffolgenden Jahren seltener starben als jene, die dies nicht taten – teilweise reduzierte sich das Risiko um 44 Prozent. Und eine Studie aus dem Jahr 2008 hat gezeigt, dass nach dem Tod des Partners jene Menschen, die anderen helfen, schneller über den Verlust hinwegkommen.

Mehrere Glückshormone

In den Neurowissenschaften ist dieser Effekt des Gebens gut untersucht. Anderen zu helfen wirkt sich positiv auf unser Gehirn aus, weil dabei gleich mehrere Glückshormone, darunter auch das Bindungshormon Oxytocin, ausgeschüttet werden. Es wirkt dem Stresshormon Cortisol entgegen und entsteht, wenn Zusammengehörigkeit empfunden wird. Chronischer Stress ist für eine Vielzahl gesundheitlicher Probleme verantwortlich, dafür gibt es klare Evidenz: Er wirkt gefäßverengend, stört die Durchblutung und führt zu Bluthochdruck.

Fakt ist: Geber und Nehmer profitieren von ehrenamtlichem Engagement. Aber wer sich ehrenamtlich engagiert, will sich den eigenen Vorteil oft nicht eingestehen. "Bei vielen Freiwilligen gibt es einen Widerstand, das anzuerkennen. Denn hätte man selbst einen Nutzen, wäre die Tätigkeit nicht mehr so altruistisch, denken viele", erklärt Psychotherapeut Stippl, der sich ausführlich mit dem persönlichen Nutzen vom Ehrenamt beschäftigt hat. Dabei ist es sogar wesentlich, dass beide Seiten profitieren. "Ehrenamtliche Arbeit ist eine Win-win-Situation", sagt auch der Freiwilligenkoordinator der Caritas, Gregor Jakob-Feiks.

Selbst profitieren

Denn auch wenn viele Freiwillige den persönlichen Nutzen als Motiv für ihre Tätigkeit nur zögerlich nennen, bekennen dies doch rund 70 Prozent, das hat eine Umfrage des Instituts für empirische Sozialforschung aus dem Jahr 2016 ergeben, bei der die Motive für Freiwilligenarbeit untersucht wurden. Auch Selbstverwirklichung, aktiv zu bleiben, dazuzulernen und die persönliche Lebenserfahrung zu erweitern wurden als weitere Beweggründe genannt, durch die die Ehrenamtlichen selbst profitieren.

Sich freiwillig zu engagieren ist in Zeiten von Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen allerdings herausfordernd. Neben selbst initiierter Hilfe in der Nachbarschaft oder Familie, die kontaktlos erfolgen sollte, stehen auch professionelle Hilfsorganisationen vor diesem Problem. "Es war ein sehr dynamisches Jahr mit wenig Planbarkeit und vielen Überlegungen dazu, wie wir unsere Freiwilligen, vor allem jene aus der Risikogruppe, gut vor einer Ansteckung schützen können", sagt Jakob-Feiks.

Mehr Zeit haben

Noch dazu, weil sich aktuell, so wie schon seit Beginn der Corona-Krise, sehr viele Menschen bei der Caritas melden, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Einerseits weil die Bereitschaft, anderen zu helfen, gestiegen ist, andererseits, weil manche Menschen nun auch mehr Zeit haben, so der Freiwilligenkoordinator. Gleichzeitig sind viele Bereiche der klassischen Freiwilligenarbeit aktuell nicht möglich, etwa Besuchsdienste in Alten- und Pflegeheimen. Viele Angebote sind daher in den digitalen Raum gewandert, etwa Lerncafés.

Und auch bei der Caritas hat man beobachtet, dass sich immer wieder Menschen als Freiwillige melden, die selbst vor psychischen Herausforderungen stehen oder von ihrem Therapeuten sogar darauf hingewiesen worden sind, dass ein ehrenamtliches Engagement für sie sinnvoll sein könnte. "Andere Lebensrealitäten kennenzulernen, eine Struktur zu haben, das Gefühl, gebraucht zu werden, das ist für viele Menschen einfach bereichernd", sagt Jakob-Feiks, der davon überzeugt ist, dass es mehr als in Ordnung ist, von einem Ehrenamt auch selbst zu profitieren. Und letztlich zählt nicht, was einen zum Ehrenamt bewegt, sondern vielmehr, dass man es schlichtweg tut. Und das fühlt sich einfach gut an. (Bernadette Redl, 5.12.2020)