Den Sucher vermisst sie an den digitalen Kameras: Christine A. Maier.

Foto: Imrana Kapetonović / Deblokada

"Ich frag immer viel", sagt Christine A. Maier, und nach einer kleinen Pause fügt sie hinzu: "Ich kann ganz schön nerven." Sie beschreibt damit ihr Selbstverständnis als Kamerafrau im Umgang mit den Regisseurinnen und (seltener) Regisseuren, mit denen sie regelmäßig arbeitet. Sie sieht sich nicht einfach als diejenige, die das technische Auge bedient, mit dem ein Drehbuch nach den Vorgaben der Filmemacher umgesetzt wird. Sie sieht sich als eingebunden in diesen Prozess, liest oft schon in frühen Phasen Drehbuchentwürfe und hinterfragt auch direkt am Drehort, wenn ihr etwas komisch vorkommt. "Ich nehme inhaltlich sehr eng Anteil."

Dieses Teamwork hat ihre Generation nicht exklusiv, aber als junge Frau, die Mitte der 1990er-Jahre in Österreich zum Film kam, hat Maier auch noch andere Zustände erlebt: eine Branche mit vielen Routiniers, die nicht viel mehr wollten, als ihre Gewohnheiten bis zur Pension nicht durcheinanderbringen zu lassen. "Als ich mit Barbara Albert an den Set von Nordrand kam, hat uns jemand gefragt, ob wir die Ankleiderinnen sind."

Moment des Aufbruchs

Die Anekdote führt zurück an den Anfang von Maiers Karriere. Nordrand war 1999 der Film, der für den ganzen österreichischen Film einen Moment des Aufbruchs markierte: in eine Gegenwart, die Wien als eine mitteleuropäische Weltstadt begriff, in eine nicht mehr nur auf Amerika ausgerichtete Sensibilität für Popkultur, in eine neue Selbstverständlichkeit der Selbstbestimmung von Frauen.

Barbara Albert war damals die Regisseurin, und für Christine A. Maier als Kamerafrau war es der erste Job, für den sie auch bezahlt wurde. Nordrand hat mit seiner beträchtlichen Wirkungsgeschichte sicher auch immer noch eine Rolle gespielt bei der Entscheidung, den Filmpreis Gloria, ausgelobt von FC Gloria, der Initiative Frauen Vernetzung Film, für eine Frau über 40 in diesem Jahr an Maier zu vergeben. In den zwei Jahrzehnten seit Nordrand ist eine Vielzahl von weiteren wichtigen Filmen hinzugekommen, wobei erstaunlich ist, wie sehr sich entscheidende Begegnungen aus der frühen Phase ihrer Laufbahn bis heute bewährt haben.

Wien – Bosnien – Berlin

Im März 1996 fuhr Maier gemeinsam mit Barbara Albert und dem Dokumentarfilmer Nikolaus Geyrhalter nach Sarajewo. Unmittelbarer Anlass war die Überbringung von Hilfsgütern, die davor in Wien gesammelt worden waren. Gleich am ersten Tag lief ihr eine Frau über den Weg, die gerade auf dem Weg zu einer Theaterperformance war: Jasmila Žbanić. Heute ist sie die bekannteste Filmemacherin aus Bosnien-Herzegowina, und Maier ist in allen Fällen die Kamerafrau des Vertrauens, zuletzt bei dem Drama über den Jugoslawienkrieg, Quo Vadis, Aida?. "Insgesamt habe ich sicher mehr als ein Jahr meines Lebens in Bosnien verbracht", erzählt Maier von einem ihrer drei Lebensorte. In Wien ging sie auf die Filmakademie, seit zwanzig Jahren lebt sie in Berlin.

Es war die aus Judenburg stammende Elfi Mikesch, die ihr in der deutschen Hauptstadt das Entree bereitete, mit einer Aufgabe als Materialassistentin bei Poussières d’amour von Werner Schroeter. "Wenn man weggeht, merkt man erst, dass es nicht überall so ist wie in Wien", erinnert Maier sich an die Zeit, als sie an die Filmakademie kam, um Kamera zu studieren. Und sich in einer Welt wiederfand, in der die meist männlichen Professoren immer mehr oder weniger selbstverständlich "die Burschen" bevorzugten.

Dass sie überhaupt aufgenommen wurde, verdankte sie dem damals dort üblichen Auswahlprinzip "eine oder keine – zumindest eine Frau pro Fach und Jahrgang galt als zumutbar".

Kindheit ohne Film

Dass sie damals selbst bei der Aufnahmeprüfung keine bereits etablierte Kollegin namhaft machen konnte, hatte auch mit ihrer Herkunft zu tun: "Ich hatte in meiner Kindheit in der Steiermark null Kontakt zu Film und Kunst. Na ja, immerhin der ORF war damals noch toll, als ich 13 wurde, durften wir dann wenigstens Filme schauen." Inzwischen ist die Französin Agnès Godard, die viel mit Claire Denis gearbeitet hat, das erklärte Idol von Maier: "Ihre Bilder haben eine starke Körperlichkeit, eine große Intimität. Das hat etwas Physisches, ist aber immer auch klug."

Maier selbst hat ähnliche künstlerische Partnerschaften wie die zwischen Godard und Denis mit der Videokünstlerin Amie Siegel, mit Sabine Derflinger oder Franz Müller. Und natürlich Jasmila Žbanić und Barbara Albert, mit der sie zuletzt den Kostümfilm Licht gemacht hat.

Nordrand wurde übrigens noch auf 16mm-Film gedreht, danach aber setzte bald die digitale Revolution ein. Es liegt nahe, Maier abschließend nach ihrer Einschätzung dieser enormen Veränderung in ihrem Metier zu fragen. Sie hänge "nicht nostalgisch am Material Film", sagt sie, "aber ich vermisse den Sucher. Bei digitalen Kameras siehst du nicht direkt durch die Optik. Ich möchte beim Arbeiten aber die Menschen ohne ein elektronisches Zwischenbild sehen." (Bert Rebhandl, 4.12.2020)