Rita schlüpft in ihren blitzroten Mantel, wickelt den langen, gestreiften Schal um den Hals – und raus gehts, mit dem Krokodil im Schlepptau. Später, im Wald, kommt es, wie es im Bilderbuchleben kommen muss: Die beiden begegnen dem Wolf.

"Was macht die Rita, während der Wolf da wartet?", will Astrid Jelencsits wissen. "Nimmt Kastanien", erkennt eine der aufmerksamen Zuhörerinnen hier auf den großen Sitzwürfeln im städtischen Kindergarten im elften Wiener Gemeindebezirk. "Sie nimmt die Kastanien, ja!", wiederholt Frau Jelencsits ermunternd. Dass die Sprachförderin den unvollständigen Zweiwortsatz des Mädchens dabei quasi nebenher richtig gestellt hat, statt der Vierjährigen rückzumelden, sie habe etwas falsch gemacht, ist bei ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Vor elf Jahren hat sich die Kindergartenpädagogin mit einer Zusatzausbildung auf Sprachförderung spezialisiert. In Wien ist sie damit eine von 306 Sprachförderkräften.

Mit Astrid Jelencsits macht Deutschlernen Spaß.
Foto: Christian Fischer

Hildegard Hefel leitet das Referat für sprachliche Bildung und elementarpädagogische Grundlagen der Stadt Wien. Sie ist beim Besuch im Kindergarten ebenfalls dabei und kündigt an: "Wir wollen bis Ende 2025 auf 500 Mitarbeiterinnen aufstocken." Wer sich für den einmonatigen Intensivkurs meldet, hat meist eine tätigkeitsrelevante Vorbildung. Das heißt, hier bekommen vorwiegend Kindergartenbetreuerinnen, Freizeitpädagoginnen, Sprachwissenschafterinnen, oder auch Lehrerinnen das theoretische Rüstzeug dafür, wie man eine Sprachstandserhebung durchführt, was vorurteilsfreie Bildung bedeutet, oder wie mit den weiterführenden Schulen eine gelingende Bildungspartnerschaft funktionieren kann.

Acht Millionen und die Hoffnung auf mehr

Frau Hefel rechnet vor, dass Wien jedes Jahr etwa acht Millionen Euro in Sprachförderung im elementaren Bildungsbereich investiert – etwa die Hälfte davon refundiere der Bund. So kommen auf rund 13.000 Kinder, bei denen im Alter von vier bis fünf Jahren ein Sprachförderbedarf festgestellt wird, eben jene knapp 300 Förderkräfte, die sich ganz gezielt auf den Spracherwerb der Kleinen konzentrieren. Hefel lässt keinen Zweifel: Man erhofft sich mehr Geld vom Bund. Immerhin sei das im türkis-grünen Regierungsprogramm angekündigt.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die deutsche Sprache wird bei den Unter-Sechsjährigen alltagsintegriert gelernt. Das machen alle Kindergartenpädagoginnen sowieso rund um die Uhr. Mit den zusätzlichen Förderkräften gibt es aber die Möglichkeit, gezielt in Kleingruppen zu arbeiten.

Fokus auf Vier- bis Fünfjährige

Wie Frau Jelencsits, die das Buch von Rita und dem Kroko auch zum Anfassen mit dabei hat – in Form von zahlreichen kleinen und großen Utensilien, die auf dem Papier die Geschichte illustrieren und die jetzt hier als Miniatur-Badewanne, als Smallsize-Version von Rita, ihrem roten Mäntelchen oder der kleinen Tasche von den Kindern befühlt und benannt werden können. Hauptzielgruppe sind auch hier jene Kinder, die knapp vor dem Schuleintritt stehen. Rund 12.000 Kinder besuchen aktuell in Wien eine Deutschförderklasse, etwas mehr als 10.000 im Volksschulbereich. Dass mehr als die Hälfte der Kinder in der Hauptstadt angibt, zu Hause eine andere Sprache als Deutsch zu sprechen, wurde vielfach uminterprediert als Index dafür, wie groß der Anteil jener ist, die nicht gut Deutsch sprechen. Immer noch wird Mehrsprachigkeit mehr als Problem, denn als Ressource gesehen.

Für die Expertinnen im Kindergarten, die besonders gerne jene Kolleginnen aufnehmen, die als Zusatzqualifikation eine der in Wien besonders häufigen Fremdsprachen mitbringen, bedeutet das: "Es lastet ganz schön viel Druck auf den Elementarpädagoginnen", insbesondere jetzt, in Pandemiezeiten. Ob es die Sache erleichtern würde, wenn das verpflichtende Kindergartenjahr ausgeweitet und demnach bereits für Vierjährige greifen würde? Frau Hefel will aus fachlicher Sicht antworten: "Natürlich, je früher wir sie haben, desto besser können wir sie begleiten." Doch letztlich sei das eine politische Entscheidung. (Karin Riss, 10.12.2020)