Das Bankgeheimnis in Österreich ist bereits stark durchlöchert. Nun soll ein noch tieferer Blick in die Konten der Bürger möglich werden.

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Corona deckt einiges zu: Zwischen Lockdown, Massentests und Impfdiskussionen wird so manches politische Vorhaben ohne Aufsehen beschlossen, das in anderen Zeiten hitzige Debatten auslösen würde. Eine Maßnahme, die am Donnerstag im Nationalrat beschlossen werden soll, berührt eine ebenso traditionsreiche wie umstrittene Institution: das Bankgeheimnis.

Seit dem EU-Beitritt kämpfte Österreich gegen dessen Durchlöcherung – erfolglos. Erst flog die Anonymität von Sparbüchern und Depots, dann sorgten Geldwäschebekämpfung und Informationsaustausch der EU-Behörden für Lockerungen des Bankgeheimnisses. Es ist aber immer noch verfassungsrechtlich abgesichert und wird von den Kreditinstituten auch gerne in der Werbung eingesetzt, um Kunden Diskretion zu suggerieren.

Harter Eingriff schon vor vier Jahren

Vor vier Jahren kam es zu einem besonders harten Eingriff: Anlass war die Einführung des Kontenregisters. Bis dahin mussten Behörden und Gerichte alle Banken anschreiben, wenn sie Informationen über die Vermögenslage Verdächtiger einholen wollten. Seit der Änderung können verschiedene Einrichtungen elektronisch auf das Kontenregister zugreifen. Dann spuckt die Datenbank aus, wer bei welchen Banken über ein Konto, Depot oder Sparbuch verfügt. In der Regel nicht automatisch abrufbar sind Kontostand und -bewegungen. Dazu bedarf es einer richterlichen Genehmigung, zudem muss der Kontoinhaber vorher angehört werden.

Doch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat nun eine Änderung in einen Gesetzesentwurf einbauen lassen, die die Wogen hochgehen lässt. Was in den Erläuterungen zum Kontenregistergesetz als "Klarstellung" bezeichnet wird, halten Standesvertreter und Experten für einen Angriff auf die letzten Reste des Bankgeheimnisses. So meint der Vorsitzende des Bundesfinanzgerichts, Christian Lenneis, dass Sinn und Zweck der bisherigen Bestimmungen zum Nachteil der Betroffenen "völlig verändert werden".

Beliebig Einschau in die Konten

Die "Klarstellung" führt zum Beispiel dazu, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung beliebig Einschau in die Konten der Steuerpflichten genommen werden kann. Und, wie die Rechtsanwaltskammer noch festhält: ohne jeglichen Anlass und ohne begründete Bedenken betreffend die Richtigkeit der Abgabenerklärung. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder schlägt in die gleiche Kerbe: "Die Prüfung hinterrücks mit einer Kontenregistereinsicht beginnen zu lassen, lässt jegliche auch verfassungsrechtlich geschützte persönliche Privat- und Berufssphäre außer Acht."

Die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer drängen darauf, dass die Konten nur offengelegt werden dürfen, wenn zuvor trotz entsprechender Aufforderung keine Angaben zur Verdachtslage gemacht worden sind. Nachsatz: "Das Kontenregister darf nicht zum Allgemeingut der Finanzverwaltung zwecks Ziehung von Erkundungsbeweisen werden."

Zweifel an Verfassungskonformität

Abgesehen davon bezweifeln einige Experten, dass der Vorstoß verfassungsrechtlich gedeckt ist. Das Bankgeheimnis ist mit Zweidrittelmehrheit abgesichert. Die Rechtsanwaltskammer ist der Ansicht, dass der nun geplante Eingriff einer Verfassungsmehrheit bedürfe.

Auch die Neos sind empört: "Der Plan der Regierung ist hochproblematisch. Die Möglichkeit der Einschau ins Kontenregister ohne richterlichen Beschluss war immer ein unverhältnismäßiger Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten", meint deren stellvertretender Klubobmann Nikolaus Scherak. Die Betriebe, die derzeit ohnehin andere Probleme hätten, müssten unbedingt vor diesem Angriff geschützt werden, sagt der Neos-Mandatar. (Andreas Schnauder, 7.12.2020)