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Im Regierungsprogramm hielt Türkis-Grün fest, dass man beim Klimaschutz in Europa eine Vorreiterrolle einnehmen will.

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Spätestens am Freitag soll es so weit sein: Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich auf ein Klimaziel für 2030 einigen. Für die türkis-grüne Koalition wird das zur Nagelprobe, denn beim Ratstermin muss Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigen, wie ernst er es mit dem Klimaschutz meint. Mit den Grünen war vereinbart, dass sich Österreich auf EU-Ebene als Vorreiter bei dem Thema positionieren will. Doch schon vor dem Gipfel zeigt sich, dass das nicht stimmt.

Die EU-Abgeordneten der ÖVP sind bereits im Oktober bei dem Vorschlag, den Treibhausgasausstoß EU-weit bis 2030 um 60 statt wie bisher 40 Prozent zu reduzieren, nicht mitgegangen. Bis auf einen Abgeordneten enthielten sich die ÖVP-Politiker ihrer Stimme. Wissenschafter forderten wiederholt minus 65 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass sich die EU-Staatsspitzen diese Woche auf eine Reduktion von "mindestens 55 Prozent" einigen werden.

Emissionseinsparungen auf dem Papier

In der Ratsschlussfolgerung ist die Rede von eine "Nettoreduktion" – Einsparungen durch Aufforstung oder CO2-Senkungen können also abgezogen werden. So könnten Länder laut Experten bis zu fünf Prozent der Emissionseinsparungen "umgehen".

Nicht alle wollen das: Die Niederlande haben in ihrem Positionspapier das Wort "Netto" gestrichen. Anders sieht es im österreichischen Dokument aus. Dieses liegt dem STANDARD vor. Türkis-Grün hat sich diesem zufolge nicht für das ambitionierte Ziel starkgemacht.

In dem mit 24. November datierten Papier finden sich Änderungen und Ergänzungen der Bundesregierung. Mehrere Formulierungen wurden dabei weichgespült, an einigen Stellen dürften aber auch die Grünen Druck gemacht haben.

Semantischer Unterschied

Österreich beanstandete etwa, dass das Covid-Ausbaupaket für den Klimaschutz nicht "voll genutzt" werden soll, sondern nur "bestmöglich". Das mag nach wenig klingen, war den Verhandlern aber offenbar wichtig genug, um es zu ändern. Eingefügt wurde auch eine Passage zur Landwirtschaft. Dort wird nicht nur auf das Potenzial des Sektors – Stichwort Senken – hingewiesen; sondern auch festgehalten, dass in dem Bereich nur ein geringes Einsparungspotenzial besteht. Auch auf die Industrie wurde nicht vergessen: Bei dem Klimaziel sei in puncto Wettbewerbsfähigkeit besonders auf den energieintensiven Sektor zu achten, wurde dort ergänzt.

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich Ende der Woche auf verbindliche Ziele einigen, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2030 zu senken. Österreich wollte dabei Vorreiten sein, scheint diese Rolle nun aber aufzugeben.
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In einigen Passagen lesen sich die Änderungen eher nach einer grünen Agenda: So sollen Klimaambitionen das Wirtschaftswachstum nicht nur ankurbeln, sondern das sozial integrierend und nachhaltig tun. Die Position der Regierung sei "derzeit schlicht unzureichend", kritisierte Greenpeace-Klimaexperte Adam Pawloff. Schlupflöcher, die zu einer Abschwächung im Klimaschutz führen, müssen geschlossen werden.

"Miserable Performance"

Internationale Umweltorganisationen schätzen die Performance der heimischen Klimapolitik jedenfalls als miserabel ein. Seit 2005 beurteilen hunderte Klimaexperten im "Climate Change Performance Index" jährlich das Weiterkommen von 57 Industriestaaten und der EU. Österreich machte im Vergleich zum Vorjahr zwar drei Plätze gut, erreichte aber nur Rang 35 – und liegt damit zwei Plätze hinter China. Gemeinsam landeten die EU-Staaten auf Platz 16.

Noch kein Land schnitt aus Sicht der Experten "sehr gut" ab, weswegen auch heuer die ersten drei Plätze unbesetzt blieben. Die vierte Stelle sicherte sich Schweden, die USA sind Schlusslicht. Der gesunkene Ausstoß des heurigen Corona-Jahres bildet sich im Index nicht ab. Die Daten stammen aus dem Jahr 2018. (Nora Laufer, 7.12.2020)