Bei der Urteilsverkündung war die Richterin am Wort. Im Nachgang legte Karl-Heinz Grasser wieder los.

Foto: Imago Images / Eibner

Wien – Nach dem Buwog-Urteil und den Ankündigungen von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger und Peter Hochegger, in die Berufung zum Obersten Gerichtshof zu gehen, wird mit Spannung der nächste Zug der Staatsanwaltschaft erwartet. Bis Montag, 24 Uhr hat die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) Zeit, Nichtigkeitsbeschwerde anzumelden.

Man werde das mündliche Urteil prüfen und der Oberstaatsanwaltschaft Wien einen Bericht über Pläne zu möglichen Rechtsmitteln vorlegen, teilte die WKStA unter Verweis auf die Berichtspflicht hin.

Gegen Freisprüche und Strafhöhe

Anhaltspunkte für den Instanzenzug gebe es zahlreich, etwa bei den Teilfreisprüchen im Bereich Terminal Tower, also dort, wo die Anklagebehörde nicht durchgedrungen ist mit ihrer Argumentation, skizziert der Strafrechtsprofessor der Uni Linz, Alois Birklbauer, das Repertoire. Da biete sich Nichtigkeitsbeschwerde an. In der Untreue zulasten der Immofinanz wurden Grasser und der frühere Immofinanz-Chef Karl Petrikovics freigesprochen.

Dass die Staatsanwaltschaft gänzlich auf Rechtsmittel verzichten könnte, davon gehen Strafrechtsexperten nicht aus. Gegen die Strafhöhe etwa kann Strafberufung angemeldet werden – schon allein, um eine allfällige Senkung der Haftstrafen durch das Höchstgericht hintanzuhalten. Würde beispielsweise die Untreue vom Höchstgericht aufgehoben, bliebe immer noch die verbotene Geschenkannahme, auf die mit maximal fünf Jahren deutlich geringere Strafen stehen.

Staat greift nach Provisionen

Grundsätzlich sind gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof und/oder eine Berufung gegen den Urteilsspruch beim Oberlandesgericht Wien möglich.

Interessant ist das nicht rechtskräftige Buwog-Urteil auch hinsichtlich der vom Gericht geforderten Rückzahlung der im Zuge der Privatisierung geflossenen Provision. Die Hauptangeklagten wurden dazu vergattert, dass sie dem Bund ihren Provisionsanteil aus der Bundeswohnungsprivatisierung zahlen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, kann der Bund von Grasser und Meischberger deren Anteile an der Buwog-Millionenprovision (insgesamt 9,6 Millionen Euro) einfordern.

Versteckter Preisnachlass

Begründet wurde dies damit, dass Grasser als damaliger Finanzminister die Republik um einen höheren Verkaufserlös gebracht und dadurch Untreue begangen habe. Als Staatsdiener hätte er diesen versteckten Preisnachlass, also die Provision, an den Staat weiterleiten müssen. Die Immofinanz hatte für die Bundeswohnungen zwar eine Million Euro mehr geboten als Mitbewerber CA Immo, aber inklusive Provision wäre der Verkaufserlös eben noch höher gewesen.

Wie das Gericht unter Vorsitz von Richterin Marion Hohenecker diese Verpflichtung in der schriftlichen Ausführung begründen wird, wird mit Hochspannung erwartet. Der Staat kann lediglich die jeweiligen Anteile von Grasser und Meischberger direkt einfordern. Da sich Hochegger im Privatkonkurs befindet, ist von dem früheren Lobbyisten nicht viel zu erwarten.

Privatkonkurs statt Schadenersatz?

Eng könnte es auch bei Grasser werden. Im "Kurier"-Interview skizzierte er die wirtschaftlichen Folgen des Urteils. Bisher seien 2,5 Millionen Euro an Kosten für Anwälte, Gutachter et cetera aufgelaufen. "Ich glaube, der Privatkonkurs wird nicht erst in drei Jahren kommen, der wird deutlich früher kommen. Dieser Prozess hat ohnehin meine Existenz ruiniert, und mit diesem Urteil habe ich einen Totalschaden: Der Ruf ist ruiniert, die Reputation genommen, die Ehre abgeschnitten. Dieses Fehlurteil stellt mich als Verbrecher dar, der acht Jahre Haft bekommt. Das sind schwere Schläge in die Magengrube", beklagte Grasser im "Kurier".

Sollten Grasser und Meischberger die Forderung des Bundes nicht leisten können, kann sich der Staat an die beiden ebenfalls nicht rechtskräftig Verurteilten, Petrikovics und Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer, halten, erläuterte die Vertreterin des Bundes, Marlies Schefer, nach dem Urteilsspruch. CA Immo und Immofinanz wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Walter Meischberger bekam sieben Jahre, Karl-Heinz Grasser acht. Beide kündigten Nichtigkeitsbeschwerde an.
Foto: Imago Images

Grasser und Meischberger verurteilten den Spruch am Wochenende als krasses Fehlurteil. Grassers Trauzeuge griff Justiz und Richterin scharf an: "Der Prozess hat drei Jahre gedauert, es gab keinen einzigen Beweis, und ich werde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das lässt uns an ganz dunkle Zeiten dieses Landes vor mehr als 70 Jahren denken", sagte Meischberger der Zeitung "Österreich." Die Richterin habe von einer erdrückenden Beweislast gesprochen und damit "gelogen". "Es gibt keinen Beweis, deshalb verstehe ich das nicht. Es ist ein ideologisch motiviertes Fehlurteil. Die Richterin war von Beginn an befangen. Diese Befangenheit hat sich während des Prozesses eklatant verstärkt." Er werde bis zum Menschenrechtsgerichtshof gehen. "Dieses Urteil ist menschenverachtend – ich kann es nur eine politische Rache nennen. Dieser Prozess ist ein Justizskandal."

"Brüchige Indizienkette"

Aus Meischbergers Sicht hat sich Hohenecker für einen Kampf gegen die Jahre der schwarz-blauen Regierung "einspannen lassen". Das Urteil sei "mit einer sehr brüchigen Indizienkette begründet", es habe "keinen einzigen stichhaltigen Beweis" gegeben. Meischberger vermutet, dass das Urteil schon vor Beginn des Prozesses ausformuliert war, "denn es ist ein Spiegelbild der Anklageschrift". "Dieser Prozess war eine reine Show", sagte Meischberger der "Tiroler Tageszeitung".

Grasser wurde nicht rechtskräftig zu acht Jahren, Meischberger zu sieben Jahren Haft verurteilt. Beide betonen ihre Unschuld und werfen der Richterin Befangenheit vor.

"Erdrückende Beweislast"

Grasser spannte den Bogen zum Terroranschlag in Wien. "Dieses Urteil hat nichts mit Objektivität zu tun. Wenn in diesem Land islamistische Extremisten ein paar Monate im Gefängnis sind und dann entlassen werden, um vier Menschen zu töten, dann muss man darüber nachdenken, wie in unserem Rechtsstaat agiert wird. Kinderschänder sowie jene, die Verbrechen an Leib und Leben begehen, bekommen weniger als ich als Unschuldiger?", fragte er in der "Kleinen Zeitung".

Weiters wirft Grasser Hohenecker Voreingenommenheit vor: "Für die Richterin war schon vor Prozessbeginn klar, dass ich schuldig bin. Sie hat bei der Urteilsverkündung erklärt, dass es bereits vor Beginn eine 'erdrückende Beweislast' gegeben habe. Selbst meine größten Feinde werden zugeben – es gibt nicht einen Beweis." Zudem sei bereits die Anklage eine "politische Vendetta von Grün und Rot gegen mich" gewesen. "Natürlich habe ich Fehler gemacht. Aber die sind strikt von der Frage zu trennen, ob es strafrechtliche Verfehlungen gab. Und ich war dabei – es gab keine." (ung, APA, 7.12.2020)