Die eingefärbte Aufnahme mit einem Transmissionselektronenmikroskop zeigt H1N1-Influenzavirus-Partikel. Forscher haben nun einen Impfstoffansatz entwickelt, der eine Immunantwort gegen ein breites Spektrum an Influenzaviren auslöst.

Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)

New York/Wien – Es ist alle Jahre wieder in gewissem Sinne auch ein Glücksspiel: Wissenschafter müssen so akkurat wie möglich prognostizieren, welcher Grippestamm die Menschen in der anstehenden Wintersaison heimsuchen wird, um einen entsprechend passenden Impfstoff bereitzustellen. Kein Wunder also, dass die Wirksamkeit der bisher zugelassenen Influenzaimpfstoffe starken Schwankungen unterworfen ist und durchschnittlich bei etwa 50 Prozent liegt.

Chimärer Impfstoff

Diese Situation könnte aber in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören: Mit einer Mischung aus veränderlichen und stets gleichen Oberflächenelementen der Influenzaviren kreierten in New York forschende Österreicher einen chimären Impfstoff. In einer klinischen Phase-I-Studie bewährte sich dieser bereits gegen verschiedene Stämme.

Influenzaviren tragen an der Außenseite ihrer Hülle ein Eiweißmolekül namens Hämagglutinin, das ihnen hilft, auch an den menschlichen Zellen anzudocken. Die meisten saisonalen Grippe-Impfstoffe machen das Immunsystem auf dessen exponierten "Kopf"-Abschnitt aufmerksam, damit es die Viren daran erkennt und zerstört. Doch er ist bei den vielen Stämmen sehr unterschiedlich und wandelt sich ständig. Ein Team um die österreichischen Virenforscher Florian Krammer, Peter Palese und Raffael Nachbagauer, die an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York forschen, entwickelte einen Impfstoff, der das Immunsystem gegen den bei allen Stämmen äußerst ähnlichen "Stamm"-Abschnitt von Hämagglutinin scharfmacht.

Vom Immunsystem unbeachtet

"Er ist chimär, was bedeutet, dass wir einen Stamm mit verschiedenen Kopfdomänen kombiniert haben", erklärte Krammer. "Indem man mehrfach impft, aber immer eine andere Kopfdomäne verwendet, kommt es zu einer starken Immunantwort gegen den Stamm." Bisher hat man den Stamm nicht als Erkennungsziel verwendet, weil er nicht so exponiert wie der Kopf ist und ohne solche Tricks vom Immunsystem kaum beachtet wird.

Der chimäre Impfstoff hat sich in einer klinischen Phase-I-Studie bei 65 Personen zwischen 18 und 39 Jahren als wirksam und sicher erwiesen, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature Medicine". Die Probanden zeigten mindestens 18 Monate lang eine starke Immunantwort gegen Grippeviren. In der nächsten Phase der Entwicklung soll der Impfstoff bei bis zu 59 Jahre alten Menschen getestet werden, so Krammer.

Potenziell lebenslanger Impfschutz

Mit diesem Impfstoff könnte man nach zwei bis drei Impfungen lebenslänglich vor Influenzaviren geschützt sein, meint er: "Man bräuchte dann also keine jährliche Grippeimpfung mehr." Mit dem neuen, universellen Impfstoff, der eine Immunantwort gegen ein breites Spektrum an Influenzaviren auslöst, wäre man wohl auch gegen neu auftretende Influenza-Unterarten (Subtypen) geschützt. Damit könnte man Pandemien wie aktuell bei Covid-19 in Zukunft mit Influenza vermeiden, so Krammer.

Die saisonale Grippe sei aber auch ohne pandemische Ausmaße wie 1918 die Spanische Grippe mit 40 Millionen Toten eine große Gefahr für die Gesundheit, immerhin sterben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich 650.000 Menschen daran.

Außerdem könnte man sich die jährlichen Impfaktionen sparen, die immerhin einen großen Aufwand erfordern und viel Geld kosten, erklärten die Forscher. Das würde vor allem ärmeren Ländern zugutekommen, die kaum das Geld und die Logistik haben, um ihrer Bevölkerung jährlich eine Grippeimpfung zukommen zu lassen. (red, APA, 7.12.2020)