Bild nicht mehr verfügbar.

Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Wirklich? Nur 46 Prozent fühlen sich durch die Schule "gut" oder "sehr gut" auf ihr heutiges Leben vorbereitet.

Foto: Getty Images/francescoch

Linz – Kaum jemand traut sich dem Bekenntnis zu widersprechen, dass alle Kinder dieselben Chancen haben sollen – aber gilt das auch für die eigenen Kinder, sollen die es nicht besser haben?

DER STANDARD ließ diese Frage 829 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten stellen und tatsächlich bekannte sich nur jeder neunte Befragte dazu dass "eigene Kinder ein wenig bevorzugt werden und bessere Chancen haben als anderen Kinder". 82 Prozent hielten auch für die eigenen Kinder fest, dass sie gleich behandelt werden sollten, die restlichen sieben Prozent machten keine Angabe.

Eine nähere Analyse der Daten zeigt, dass Männer eher als Frauen die eigenen Kinder bevorzugen würden – und dass besonders die erklärten Anhänger der FPÖ zu mehr als einem Viertel eigene Kinder besser stellen würden wollen.

Viele Talente und Fähigkeiten der Kinder werden nach Überzeugung der Österreicherinnen und Österreicher übersehen und bleiben ungenutzt – dem stimmen 75 Prozent zu, nur 16 Prozent glauben, dass die meisten Talente tatsächlich gefördert würden.

Das Linzer Market-Institut fragte weiter, ob Kinder in der Schule eigentlich das Richtige lernen – und stellte fest, dass das Vertrauen in das Bildungssystem im Lauf der vergangenen zehn Jahre deutlich abgenommen hat. Zwei Drittel der Befragten sagen, dass in der Schule heute wesentliche Bildungsziele vernachlässigt würden – nur mehr 18 Prozent sagen, dass die richtige Bildung vermittelt würde; bei einer Vergleichsumfrage im Jahr 2010 waren es noch 26 Prozent.

Die Zweifel an der schulischen Bildung sind in allen Bevölkerungsgruppen, Alters- und Bildungsschichten gleichmäßig ausgeprägt – ein etwas überdurchschnittliches Zutrauen ins Schulsystem bekunden allenfalls Wählerinnen und Wähler der beiden Regierungsparteien. Besonders große Zweifel hegen Neos- und FPÖ-Anhänger.

Schlechte Erfahrungen

Personen, die angeben, während der eigenen Schullaufbahn schlecht auf ihr heutiges Leben vorbereitet worden zu sein, beurteilen auch die Schule, wie sie jetzt ist, besonders schlecht.

DER STANDARD ließ die Befragten ihre frühere Schulausbildung nach einer fünfstufigen Skala bewerten – und auch hier fällt die Benotung etwas schlechter aus als noch vor zehn Jahren: Acht Prozent geben ein Sehr gut, 38 Prozent ein Gut, 35 sagen "ein wenig", 15 Prozent "fast gar nicht" und drei Prozent geben mit "gar nicht" ein glattes Nicht genügend.

Im Schnitt gibt das die Note 2,67 – bei gleicher Fragestellung und gleichen Antwortmöglichkeiten ergab sich im Jahr 2010 die etwas bessere Durchschnittsnote 2,5. Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: "Besonders die jüngeren Befragten fühlen sich durch die Schule schlecht auf das wirkliche Leben vorbereitet. Die relativ höchste Zufriedenheit mit der Schule bekunden ÖVP-Wähler – wenn man sich die Wähler von ihrem Koalitionspartner, aber auch von erklärten Nichtwählern anschaut, dann ist die Unzufriedenheit viel größer."

Lob für Lehrer, aber nicht für die Schulen

Mit einer anderen, allgemeiner gefassten Frage bekommt die Schule eine noch schlechtere Note: "Ganz allgemein: Wie zufrieden sind Sie mit den österreichischen Schulen? Sagen Sie mir das bitte mit einer Schulnote von 1 bis 5!" Dafür gab es 2001 noch die Note 2,29 – jetzt lautet sie 2,78.

Pfarrhofer: "Ein ganz klarer Widerspruch ergibt sich, wenn man den schlechteren Noten für das System Schule gegenüberstellt, wie zufrieden die Bevölkerung mit den Lehrern ist: Noch vor zehn Jahren haben 44 Prozent gesagt, dass die Lehrer weniger engagiert seien als früher – jetzt sagen das nur noch 30 Prozent der Befragten. 41 Prozent sagen, die Lehrer wären so engagiert wie früher auch. Und immerhin 20 Prozent meinen, dass sie sich mehr anstrengen als früher." Abnehmendes Engagement der Lehrer behaupten vor allem Anhänger der FPÖ und der ÖVP, besonderes Lob für das Engagement der Pädagogen kommt von Grün-Wählern.

Gesamtschule nur, wenn sie nicht erkennbar ist

Im Zeitvergleich zur Umfrage aus dem Jahr 2010 ließ DER STANDARD auch erheben, wie die wahlberechtigte Bevölkerung zum Thema Gesamtschule steht. Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus – je nachdem, wie man das Thema formuliert, betont Pfarrhofer: "Wir haben zunächst gefragt, in welchem Alter die wichtige Bildungsentscheidung fallen sollte, was und wo man weiter lernen wird. Da sagen, ziemlich unabhängig von der Parteipräferenz 63 Prozent, dass das im Alter von 14 Jahren passieren sollte, das ist ähnlich wie vor zehn Jahren, da haben das 67 Prozent gesagt. Nur 14 beziehungsweise seinerzeit zehn Prozent sagen, dass über die weitere Schullaufbahn der Schülerinnen und Schüler entschieden werden soll, wenn sie zehn Jahre alt sind und immerhin 18 Prozent würden diese Entscheidung überhaupt erst im Maturaalter von 18 Jahren treffen."

Was sie eine klare Befürwortung der Gesamtschule bis 14 klingt, wird durch die ausdrückliche Nachfrage dazu relativiert: "Es wird immer wieder diskutiert, dass alle Kinder zumindest eine gewisse Zeit, also bis sie etwa 14 sind, in eine einheitliche Schule gehen sollten. Was meinen Sie: Ist das eher eine gute Idee oder halten Sie von diese Idee eher nicht so viel?" Darauf tun sich die bekannten Fronten auf: 47 Prozent sind dafür, 42 Prozent dagegen und elf Prozent fühlen sich überfragt.

Diese Werte sind seit zehn Jahren weitgehend unverändert. Und ebenso unverändert sind die Positionen der Parteigefolgschaften: Anhänger von SPÖ, Grünen und Neos sprechen sich mit mehr oder weniger klarer Mehrheit für, die Anhänger von ÖVP und FPÖ mit ähnlicher Klarheit gegen die Gesamtschule aus.

Nur nicht in "Brennpunktschulen"

Zum Schluss noch eine Frage, deren Beantwortung zeigt, wie wenig Vertrauen in die Chancengleichheit im Bildungswesen gesetzt wird. DER STANDARD ließ erheben: "Es gibt ja Schulen, die als "soziale Brennpunktschulen" gelten, etwa weil besonders viele Schülerinnen und Schüler aus ärmlichen Verhältnissen kommen oder nicht Deutsch als Muttersprache haben. Was meinen Sie: Würden Sie Ihre eigenen Kinder in solche sozialen Brennpunktschulen schicken oder würden Sie versuchen, für Ihre Kinder eine Schule mit besserem Ruf zu finden?"

Darauf sagten 79 Prozent, dass sie für ihre eigenen Kinder lieber eine Schule suchen würden, die nicht als "Brennpunktschule" gilt – nur zehn Prozent der Befragten würden ihre Kinder in eine solche Brennpunktschule schicken. (Conrad Seidl, 9.12.2020)