Auf der weithin berühmten Aida-Melange türmt sich das Schlagobers: Profis löffeln es in Windeseile vom Kaffee herunter.

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Noch muss, trotz seiner letzten Lockerung, die Frage nach den Opfern des Lockdowns unbeantwortet bleiben. Häufig genug sind es Speiselokale und Schankwirtschaften, die, zum Nichtstun verurteilt, aus dem letzten Loch pfeifen. Nun verlautete, dass sogar die Inhaber der angesehenen Konditoreikette Aida die Hände zum flehentlichen Stoßgebet gefaltet haben. Klar ist: Während die Möbelmärkte mit wohlfeilen Couchpölstern nur so um sich werfen dürfen, gucken die Betreiber der rosa Konditorei in die Röhre, das heißt: in die leere Schaumrolle.

In den Aufbruchsjahren der Ära Kreisky, als heimische Naschkatzen keine Tortenschnitte zu groß, kein Kalorienexzess zu gewagt dünkte, schien der Weltgeist in den Aida-Filialen Quartier genommen zu haben. Hinter winzigen Tischchen thronten – Proserpine aus dem Schattenreich ihrer Hauptmietwohnungen – Damen in schlammbraunen Pullundern. Ich, als Babyboomer ein ebenso passionierter wie kundiger Freund der allseits beliebten Crèmeschnitte, kam aus dem Staunen nicht heraus.

Besagte Greisinnen trugen bei gefühlten 32 Grad Celsius im Schatten Pelzmützen. Die sie auch dann nicht abnahmen, wenn das Kuchenfräulein, Teller auf den Gelenksabschnitten des Unterarms balancierend, zu passieren wünschte.

Gipfelwerke der Kürschnerei

Gabeln verfingen sich in den flauschweichen Gipfelwerken der Kürschnerei-Kunst. Metall schlug auf die Fliesen. Die Großfürstinnen, unbeweglich wie Flusspferde, harrten aus auf gutgewärmten Plastiksitzen. Nur wenn sich unaufschiebbarer Geschäfte wegen denn doch eine erhob, ließ die Polsterbank ein kreatürliches Aufseufzen vernehmen.

Noch viele Jahre später belohnte ich mich mitunter mit einem Aida-Menü: einer Melange mit Schlag, zuzüglich einer Crèmeschnitte. Das Obers löffelte man in Windeseile aus der Schale heraus, so man keine Fettaugen auf der Kaffeeoberfläche vorzufinden wünschte. Unauffällige Blicke, aus ethnologischem Interesse an die Umsitzenden gerichtet, bestätigten den Verdacht: Die gemeine Pelzmütze war, in unseren Breiten ohnehin vom Aussterben bedroht, an russische Volkstanzgruppen zurückerstattet worden. (Ronald Pohl, 9.12.2020)