Dokumente werden heute auf Mikrofilm langfristig gelagert. Ein Datenträger aus Keramik könnte diese Anwendung ergänzen und Archivspeicher widerstandsfähiger machen.

Foto: MOM / Kunze

Die Menschheit hat noch nie so viele Daten gesammelt wie heute. Jedes Handyfoto, jede Sensor-Zeitreihe, jede Kontobuchung und jede Verwaltungsmaßnahme nähren diesen Datenberg in den Archiven und Datencentern. Die großen Datenmengen werden von der Flüchtigkeit der Speichermedien, die sie aufnehmen, konterkariert. Lochkarten, Disketten, CD-ROMs sind längst wieder verschwunden. Mit ihnen gingen auch viele der gespeicherten Daten verloren.

Inhalte wirklich langfristig zu erhalten und zugänglich zu machen, das ist ein Lebensthema von Martin Kunze. Schon während des Studiums an der Kunstuniversität Linz, in dem er sich mit der Bearbeitung von Keramik beschäftigte, hatte er die Idee, einen analogen Datenträger aus diesem Material zu schaffen.

Daraus entstand das Projekt Memory of Mankind (MOM), bei dem Gegenwartsinhalte von wissenschaftlichen Theorien über Biografien berühmter Persönlichkeiten bis zu Liebesgeschichten oder Ortschroniken, auf Keramikkacheln langfristig lesbar gemacht, tief in den Salzstollen Hallstatts verstaut werden. Es ist eine Art erosions-, atomkriegs- und katastrophensichere Post an die Erdenbewohner zukünftiger Jahrtausende.

Haltbar und sparsam

Seit 2012 wird dieses Menschheitsarchiv nun aufgebaut. Inzwischen hat Kunze den Ansatz weiterentwickelt, um zu versuchen, auch die Speicherinfrastruktur der Internetära langfristiger auszurichten. Er glaubt, dass sich spezielle Keramikspeicher auch für die Anwendung in Rechenzentren eignen.

Sie sollen dort dauerhaft gespeicherte Daten aufnehmen, auf die selten zugegriffen wird. "Das Speichern eines Datenbits auf einer Festplatte benötigt pro Jahr etwa 50 Nanojoule an Energie, auf einer SSD sind es etwa 25 Nanojoule. Unsere digitalen Datenträger aus keramischen Werkstoffen brauchen dagegen nur ein Nanojoule."

Die per Lasertechnik beschriebenen Keramikspeicher bringen also nicht nur enorme Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit mit – selbst eine Feuersbrunst kann ihnen nichts anhaben –, sie wären auch um ein Vielfaches energiesparender als bisherige Techniken.

Analoges Archiv

Doch bevor diese Vision Realität wird, sind noch ein paar Schritte zu gehen. Näher liegt der Einsatz von Keramik als analogem Speicher für Archivzwecke. Kunze ist dabei, ein eigenes Unternehmen mit Namen Cera Micro zu gründen, mit dem ein keramischer Mikrofilm auf den Markt gebracht werden soll.

Das Austria Wirtschaftsservice (AWS) hat ihm für die Idee gerade erst eine Preseed-Förderung von 200.000 Euro zugesprochen. Die Idee ist zudem einer der Gewinner des Edison-Preises, der dieser Tage von Universität Linz, Kunstuni Linz und FH Oberösterreich vergeben wird.

"Für keramischen Mikrofilm haben wir eine Punktgröße von 500 Nanometern erreicht. Das bedeutet, dass eine A4-Seite auf einer Fläche von 1,2 mal 1,8 Millimeter abgebildet werden kann", erklärt Kunze. Um eine Oberfläche zu schaffen, die derart feine Strukturen aufnehmen kann, waren einige Experimente nötig.

Nanometerkleine Strukturen

"Alle herkömmlichen Schichten auf keramischen Oberflächen sind um Größenordnungen zu dick und rau, um Strukturen im Nanometerbereich zu schreiben", betont der Entwickler. Um die erforderlichen Eigenschaften bezüglich der keramischen Schichtdicke sowie der Oberflächenbeschaffenheit zu erreichen, entwickelte der Forscher ein neuartiges Verfahren, das Ansätze aus dem Keramikbereich und der Verarbeitung von Hochleistungsmetallen kombiniert.

Details der Technologie sind allerdings noch Betriebsgeheimnis. Kunze: "Wir haben das Verfahren zur Patentierung angemeldet. Wir wollen es erst dann veröffentlichen, wenn das Patent erteilt ist." Das Ziel, Strukturen von wenigen Hundert Nanometern schreiben zu können, sei jedenfalls erreicht worden.

Keramik-Staatsvertrag

Die Keramikspeicher können in bestehenden Mikrofilm-Lesegeräten genutzt werden. Die Vorteile liegen auch hier in der Beständigkeit – das Material degradiert nicht, und es braucht keine speziellen Umgebungsbedingungen.

Pilotprojekte gibt es bereits, zum Beispiel mit dem österreichischen Bundeskanzleramt – zum Jahrestag wurden die Staatsverfassungen von 1920 und 2020 auf Keramik-Mikrofilm geschrieben und eingelagert. Die potenzielle Zielgruppe ist groß. Sie umfasst Banken, Kulturarchive, Ämter und jede Organisation, die nach wie vor Mikrofilm zur Langzeitspeicherung nutzt.

Die Entwicklung künftiger digitaler Speicher baut nun auf diesem Konzept auf. Versuche zeigen, dass man die Datenmatrix noch auf eine Punktgröße von 250 Nanometern drücken kann. Mit entsprechender Lasertechnik könnten Daten in binärer Form geschrieben und gelesen werden.

Die theoretische Lebensdauer dieser Medien: 100.000 Jahre. "Niemand muss Daten so lange haltbar machen. Der Wert zeigt aber, wie hoch die Energieschwelle für das Zerstören der gespeicherten Information ist – also wie gut das Medium Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, korrosiven Gasen oder Säuren widerstehen kann", sagt Kunze. (Alois Pumhösel, 12.12.2020)