Monika Maron registriert Ängste und Ärger in der Gesellschaft. Dem S.-Fischer-Verlag wurde das zu viel.

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Was ist eigentlich los? Diese Frage ist generell schwer zu beantworten, in einem konkreten Fall bekommt sie aber dieser Tage eine geradezu ironische Brisanz. Derzeit schicken die Verlage die Vorschauen auf das Programm der kommenden Monate herum. Das Traditionshaus S. Fischer kündigt an, dass im Mai 2021 ein Band mit Essays der Schriftstellerin Monika Maron erscheinen soll. Titel des Buches: Was ist eigentlich los? Los ist vor allem, dass Maron seit Herbst dieses Jahres nicht mehr Autorin bei S. Fischer ist, nachdem über 40 Jahre alle ihre Bücher dort erschienen waren. Der Essayband ist also eine Art Nachschlag. Oder eine Altlast?

Ein neues Buch von Monika Maron wiederum ist gerade erschienen, und zwar bei Hoffmann und Campe. Es heißt Bonnie Propeller, liest sich in einer gemütlichen Stunde und erzählt von einer Liebesgeschichte zwischen einer 78 Jahre alten Schriftstellerin und ihrem dritten Hund. Die Vorgänger hießen Bruno und Momo, und eigentlich sucht die Erzählerin auch jetzt wieder einen Riesenschnauzermischling. Sie bekommt dann aber aus Ungarn ein Dackelwesen, auf das sie erst einmal ablehnend reagiert. "Dieses kleine unschöne Tier sollte mein letzter Hund sein?" Es wird niemanden groß überraschen, dass daraus eine große Liebe wird. Bonnie Propeller erweist sich als intelligentes Wesen und gewinnt das Herz und den Geist der Besitzerin.

Ängste vor Zuwanderung

Hundebesitzer hießen früher Herrchen, ab und zu wird das Wort wohl auch heute noch gebräuchlich sein. Monika Maron respektive ihr literarisches Double in Bonnie Propeller wäre dementsprechend ein Frauchen. Ist so ein Wort heute noch statthaft? Dass die Sprache heute verstärkt auf altmodische Vorstellungen, wo nicht auf ihre Funktion als Herrschaftsinstrument hin befragt wird, ist ein Umstand, den Maron in den letzten Jahren immer wieder distanziert beschrieben hat. In Bonnie Propeller findet sich aber nichts, was den Fischer-Verlag davon hätte abhalten müssen, das Buch zu veröffentlichen. Im Gegenteil, es deutet alles auf einen perfekten Titel für das Weihnachtsgeschäft hin, eine rührende, aber nicht kitschige Erzählung über das Verhältnis von Mensch und Tier im idealen Geschenkformat.

Aus verschiedenen Bemerkungen, die Monika Maron in den letzten Wochen gemacht hat, wird deutlich, dass die Probleme mit S. Fischer schon vor zwei Jahren begannen. Anlass war damals der Roman Munin oder Das Chaos im Kopf, in dem es um die Angst geht, dass "die Gewalt, Rohheit, Dumpfheit auch uns wieder erobern könnte". Diese Formulierung mit Blick auf die "illegale Masseneinwanderung" gehört zwar nominell zu der literarischen Figur Mina Wolf, die in Munin oder Das Chaos im Kopf im Mittelpunkt steht und die man natürlich nicht eins zu eins mit Monika Maron gleichsetzen darf. Gleichwohl war auf dem Grund dieses Romans ein kulturelles Angstmuster erkennbar, in dem koloniale Stereotype als Bedrohungsszenario wiederkehren. Mina Wolf spricht de facto für ein Deutschland, das sich vor afrikanischen Söhnen fürchtet, die es selbst rassistisch konstruiert hat.

Ein Essayband zu viel

Dass Fischer der Autorin damals eine "Bedenkenliste" übermittelte, gehört zu einer seriösen Lektoratsarbeit. Dass der Roman dann trotzdem mit zahlreichen problematischen Stellen veröffentlicht wurde, wird man als Treuebeweis für die Autorin sehen können, die erst 1988 die DDR verließ, obwohl sie mit allen ihren Büchern deutlich in Opposition zum Honecker-Regime stand. Fischer brachte dann in diesem Jahr auch Artur Lanz heraus, den bislang letzten Roman von Monika Maron, in dem es unter anderem darum geht, ob es eine Heldentat darstellt, wenn ein Mann seinem Hund das Leben rettet, der sich in einem Maisfeld an der eigenen Leine zu strangulieren droht.

Einen Band mit Essays, in dem sich die intellektuelle Entwicklung von Monika Maron zu einer skeptischen Beobachterin einer um politische Korrektheit bemühten Öffentlichkeit hätte nachvollziehen lassen, wollte Fischer aber nicht mehr machen. Dieser Band erschien dieses Jahr unter dem Titel Krumme Gestalten, vom Wind gebissen in einer (ausgerechnet) "Exil" genannten Reihe in der Edition Buchhaus Loschwitz der rechtspopulistischen Buchhändlerin und Verlegerin Susanne Dagen. Im regulären Buchhandel ist dieses Buch nicht ganz leicht zu kriegen, wenn man aber bei Antaios bestellt, geht es schnell. Antaios ist der Verlag von Götz Kubitschek, einer der zentralen Figuren der Neuen Rechten in Deutschland.

Sprachkritik als Ziel

Dass Maron sich (wie auch Uwe Tellkamp, mit dem Suhrkamp in einer ähnlichen Verlegenheit ist) publizistisch auf das Feld der rechten Gegenöffentlichkeit begab, war für Fischer dann offiziell der Grund, das nächste Buch mit ihr nicht zu machen. Das wäre Bonnie Propeller gewesen, das in diesem Corona-Sommer entstand.

Die Wartezeit auf den Essayband bei Fischer im kommenden Jahr, der sich dann mit Krumme Gestalten, vom Wind gebissen vergleichen ließe, kann man sich derweil mit Spekulationen vertreiben, ob mit dem Buchhändlerpaar aus Dresden, von dem in Bonnie Propeller die Rede ist, am Ende Susanne Dagen und ihr Mann Michael Bormann gemeint sind. Oder man liest besser einige der früheren Bücher Marons, zum Beispiel Stille Zeile sechs, in dem eine Frau zum Ende der DDR hin sehr sensibel die Unterschiede zwischen ideologischer und literarischer Sprache registriert. (Bert Rebhandl, 9.12.2020)