Im Gastkommentar schlägt die Eco-Austria-Direktorin Monika Köppl-Turyna niedrig verzinste Kredite vor. Diese würden auch die Last auf den Schultern der Steuerzahler verringern.

"Vorübergehend geschlossen". Ifo-Präsident Fuest schlägt als Lockdown-Kostenbremse Schließungssubventionen für Betriebe vor – nach einer inversen Auktion.
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Am 18. März 2020 hat ihn Bundeskanzler Sebastian Kurz ausgesprochen, den in der Corona-Zeit über allem stehenden Satz: "Koste es, was es wolle." Gemeint hat er damals die Staatshilfen für Arbeitnehmer und Unternehmen, und das war zu diesem Zeitpunkt richtig – selbst wenn dieser Satz bedeutet, dass wir einen großen Schuldenberg anhäufen, der wieder abgetragen werden muss. Nun, mehr als ein halbes Jahr danach, stellt sich aber die Frage, wie es weitergehen soll: Was muss getan werden, damit wir uns nicht ganz unnötig und viel zu hoch verschulden? Und wie kann der Strukturwandel in der Wirtschaft adäquat begleitet werden?

Aktueller Anlass für solche Überlegungen ist der Umsatzersatz für Tourismusbetriebe. Diese Maßnahme führte insbesondere angesichts der möglichen Überkompensation zu Kritik von Wirtschaftsexperten. Und auch wenn jetzt verkündet worden ist, dass diese Hilfe nicht verlängert werden soll, bleibt offen, ob die Entscheidungsträger nicht doch noch in Versuchung geraten werden, diese Form der Unterstützung erneut anzubieten, wenn die eigentliche Skihochsaison im Februar hinter den Hoffnungen des Tourismus zurückbleibt.

Hilfe fürs Schließen

Wie soll es weitergehen? Ganz allgemein gilt: Es muss nun langsam ein Zurück vom Gießkannenprinzip hin zu treffsicheren Hilfen geben. Wie aber kann der Staat sicherstellen, dass er die richtigen Unternehmen unterstützt, also die, deren Geschäftsmodelle noch zeitgemäß sind? Wie kann er überprüfen, ob Hilfsmaßnahmen wie die Kurzarbeit nicht einfach nur "mitgenommen" werden, weil sie eben zur Verfügung stehen? Und wie kann er feststellen, dass es zu keiner Überkompensation kommt? Es ist schließlich nicht die Aufgabe des Staates und der Steuerzahler, den Unternehmen auf Dauer ihre ausbleibenden Gewinne zu ersetzen. Die Antwort ist einfach: Das kann der Staat nicht. Nicht, wenn er auf eine zentrale Steuerung und ein komplexes Regelwerk setzt. Sinnvoll hingegen wären Hilfen, die den Prinzipien der Marktwirtschaft folgen.

Eine interessante Idee hierzu kommt aus Deutschland. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts in München, schlug vor, dass Staatshilfen für geschlossene Tourismusbetriebe auf Basis einer inversen Auktion erfolgen sollen. Die Grundidee dahinter: Die Betriebe dürfen wieder öffnen, unter Beachtung der üblichen Hygienekonzepte, und der Staat bietet aber allen, die dennoch zu schließen bereit sind, eine monatliche Subvention an. Die Höhe dieser Unterstützung sollen die Betriebe selbst vorschlagen, zum Zug kommen dann diejenigen, die am wenigsten für ihre Schließung verlangen. Auf diese Weise würde das Risiko der Überkompensation gesenkt werden, weil die Unternehmen nur noch verlangen würden, was sie wirklich brauchen, um nicht von anderen unterboten zu werden.

Hohen bürokratischen Aufwand ersparen

Ich schlage noch eine weitere Möglichkeit vor, die eigentlich so simpel wie treffsicher ist: Zuschüsse sind häufig komplex, und über die Zeit hinweg wird das System der finanziellen Hilfen immer unübersichtlicher. Der Staat sollte sich und den betroffenen Unternehmen den hohen bürokratischen Aufwand ersparen und stattdessen wieder verstärkt niedrig verzinste Kredite bzw. Garantien gewähren. Diese scheinbar so banale Maßnahme würde alle notwendigen Voraussetzungen für eine gute Antwort auf die Frage "wie weiter?" erfüllen: Die Unternehmen würden nur so viel Geld verlangen, wie sie tatsächlich brauchen. Es würden nur jene Unternehmer um Hilfe ansuchen, die selbst noch daran glauben, dass ihr Geschäftsmodell in absehbarer Zukunft wieder funktionieren wird – auf diese Weise würde der Strukturwandel aktiv begleitet und eine zeitgemäße Wirtschaft gefördert werden. Die Last auf den Schultern der Steuerzahler könnte über die Zeit hinweg deutlich verringert werden, denn Rückzahlungen von Krediten stellen eine Einnahme des Staates dar. Und schließlich wären Kredite eine Maßnahme, die auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basiert: Zur Marktwirtschaft gehört auch Nassim Nicholas Talebs berühmtes "Skin in the Game", das unternehmerische Risiko. Nur wer dazu bereit ist, sich durch Mut und Fleiß und kluges Wirtschaften in Zukunft wieder auf die eigenen Beine zu stellen, nimmt einen Kredit für sein Unternehmen auf – und ist deshalb besonders förderungswürdig.

Unterschätzte Gefahr

Gewiss: Weitere Kredite könnten zu einer zusätzlichen Schwächung der Eigenkapitalquoten österreichischer Unternehmen führen. Diese Gefahr dürfen wir nicht unterschätzen. Deshalb müssten künftige Vorschläge immer auch Anreize bieten zur Stärkung des Eigenkapitals, beispielsweise eine steuerliche Absetzbarkeit von Eigenkapitalzinsen. Aber das ist kein Problem, das man nicht in den Griff bekommen könnte.

Die "Koste es, was es wolle"-Maxime hat uns gut durch die Corona-Pandemie geführt. Nun aber sehen wir ein fernes erstes Licht am Ende des Tunnels: Mit der voraussichtlich erfolgreichen Entwicklung von Corona-Impfstoffen gehen wir in eine neue Zeit. Und diese neue Zeit braucht eine neue Überschrift. In Anlehnung an den großen Benjamin Franklin ist es vielleicht diese: Den Wert des Geldes schätzt man erst, wenn man sich welches borgt. (Monika Köppl-Turyna, 9.12.2020)