Der Nordische Direktor Mario Stecher kann sich einiges nicht erklären.

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Corona führt dazu, dass viele Menschen ihren Geschmack verlieren, nicht nur solche, die eine Infektion hinter sich haben. Der Geschmacksverlust äußert sich auch in Scherzen, über deren Niveau sich streiten lässt. Ein solcher kursiert aktuell über den österreichischen Skiverband. Dieser sorge für viele positive Meldungen, so heißt es, man müsse nur die sportlichen Resultate ausklammern.

Bis zu einem gewissen Grad hat sich der ÖSV den Spott, der dem Schaden folgte, selbst zuzuschreiben. "Positive Meldungen" über infizierte Athletinnen und Athleten aus dem alpinen wie aus dem nordischen Bereich häufen sich zuletzt immer mehr. Bei den Alpinen erfuhr man von Infektionen oft erst Wochen später – wie im Fall der vier Speedfahrerinnen Nicole Schmidhofer, Stephanie Venier, Mirjam Puchner und Tamara Tippler. Oder aber es hieß, die Infektion sei im privaten Umfeld passiert – wie im Fall von Marco Schwarz.

Bei den Skispringern sah und sieht sich der ÖSV mit einem anderen, noch größeren Problem konfrontiert. Da hatten sich nicht etwa im Training oder im privaten Umfeld, sondern bei Weltcupbewerben im Ausland zwei unübersehbare Cluster gebildet. Zuletzt wurden in Nischnij Tagil in Russland der am Samstag zweitplatzierte Daniel Huber sowie Jan Hörl, Thomas Lackner und Manuel Fettner positiv getestet und verpassten das zweite Springen am Sonntag. Sie flogen am Montag mit einer Sondermaschine nach Österreich zurück, neben dem Springerquartett waren auch der ebenfalls infizierte italienische FIS-Renndirektor Sandro Pertile und Teamarzt Lukas Pichler an Bord.

Die Positiven von Wisla

Der erste Cluster hatte nach dem Weltcupauftakt in Wisla (Polen) den ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl, die Spitzenspringer Gregor Schlierenzauer, Philipp Aschenwald und einen namentlich nicht genannten weiteren Betreuer umfasst. Die Geschichte dieses Betreuers ist eine ganz spezielle, sie kann man in Teil 1 nachlesen. Wenige Tage später jedenfalls gesellten sich Weltcup-Titelverteidiger Stefan Kraft und Michael Hayböck quasi dazu.

Den Totalausfall der Mannschaft konnte sich Mario Stecher, der Nordische Direktor im ÖSV, "nicht wirklich erklären". Allerdings sei "klar geworden, dass wir ständig FFP2-Masken tragen müssen". Stecher gestand ein: "Wir haben in Wisla immer nur Stoffmasken getragen."

Völlig offen ist, welche Springer der ÖSV zur Skiflug-WM nach Planica schicken kann, wo am Donnerstag schon Training und Qualifikation anstehen. Die "Positiven" von Nischnij Tagil fallen garantiert aus. Widhölzl, Schlierenzauer, Aschenwald, Kraft und Hayböck lieferten kürzlich immerhin bereits jeweils einen negativen Test ab. Widhölzl wird das endgültige WM-Team erst heute, Mittwoch, nominieren. Wer auch immer in Planica auf dem Balken sitzt, hat alles andere denn eine gute WM-Vorbereitung hinter sich.

Mag sein, dass der ÖSV nach oder seit der Bildung des zweiten Clusters auch seine Teststrategie hinterfragt. Sie hat zumindest vor Wisla vor allem regelmäßige Antigentests sowie PCR-Pooltests vorgesehen. Man sollte auch die Möglichkeit nicht völlig ausschließen, dass es eine direkte Verbindung vom zweiten zum ersten Cluster gibt. Eine Rückkoppelung quasi. Huber, zum Weltcupauftakt Dritter, und Hörl waren schon in Wisla dabei gewesen. Huber teilte sich mit Schlierenzauer das Zimmer, saß auch bei der Rückfahrt stundenlang im Kleinbus mit anderen, die kurz darauf positiv getestet wurden. Er selbst war negativ, ging aber als K1-Person wie Hörl in Quarantäne.

Die Positiven von Nischnij Tagil

Huber und Hörl ließen die zweite Weltcupstation in Finnland aus, beendeten ihre Quarantäne aber schon nach einer guten Woche, um nach Russland zu reisen. Zu früh, um hundertprozentig auf der sicheren Seite zu sein? Der Schluss liegt nahe und auch nicht. Für Stecher kam auch der zweite Cluster aus heiterem Himmel, schließlich seien, sagt er, Hörl und Huber in ihrer Quarantäne mehrfach getestet worden. Bei Hörl sei dann erst der fünfte oder sechste Test positiv ausgefallen. "Erst am 13. Tag", sagt Stecher, am 13. Tag nach dem letzten Kontakt mit infizierten Teamkollegen sei Hörl positiv getestet worden. Das würde eine Rückkoppelung denn doch sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Cheftrainer Widhölzl will "endlich wieder übers Sportliche reden". Doch das Sportliche ist beim erfolgreichsten Sportverband des Landes angesichts der vielen Corona-Fälle längst in den Hintergrund getreten. Damit hat der ÖSV nun umzugehen – auch wenn es gar nicht nach seinem Geschmack ist. (Fritz Neumann, 8.12.2020)