Der sogenannte zirkadiane Rhythmus wird vom natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus bestimmt. In den letzten 80 Jahren hat die massive Zunahme künstlicher Lichtquellen starken Einfluss auf unsere "innere Uhr" genommen.

Die Verlängerung der Tageszeit gibt uns mehr Zeit für all unsere Aktivitäten und hat die Qualität unseres Alltags in vieler Hinsicht verbessert. Das scheint für uns von Vorteil zu sein, es stellt sich jedoch die Frage: Kann sich die Verlängerung der Lichteinwirkung negativ auf uns und unsere Umwelt auswirken, und gibt es damit verbunden auch Kosten, zum Beispiel in gesundheitlicher Hinsicht? Viele Tiere, einschließlich uns Menschen, reagieren sehr empfindlich auf Änderungen des Lichtangebots. Für Vögel wie Blau- und Kohlmeisen in unserem Garten ist Licht ein wichtiger Zeitgeber, mithilfe dessen die Tiere ihre Paarungs- und Nestbauaktivitäten bestimmen. Auch Eiablage, Brutverhalten, Futtersuche oder der Zeitpunkt, auf Wanderschaft zu gehen, werden von Licht beeinflusst.

Blaumeise bei der Nahrungssuche.
Foto: Österreichische Vogelwarte

Künstliches Licht verändert

Wird der natürliche Tag-Nacht-Rhythmus durch künstliches Licht "verschmutzt", ändern sich viele Verhaltensweisen von Vögeln. Studien an Menschen haben gezeigt, dass zu lange Lichteinwirkung sogar negative Folgen für unsere Gesundheit haben kann, von Verhaltensstörungen bis hin zu Krebs.

Die zunehmende Verstädterung geht einher mit immer mehr beleuchteten Straßen, Plätzen, Gebäuden und Leuchtreklamen. Die nächtliche Beleuchtung macht Städte attraktiver, sicherer und komfortabler, führt aber auch dazu, dass es in diesen Bereichen keine Nacht im Sinne von Dunkelheit gibt und somit der Tag-Nacht-Zyklus gestört beziehungsweise nicht mehr vorhanden ist. Als Resultat leiden viele Vögel an Schlafstörungen. Turmfalken zum Beispiel jagen in Städten bei Kunstlicht auch in der Nacht, und zwar Fledermäuse.

Beim Singen stehen Rotkehlchen offensichtlich gerne im Rampenlicht. Eine Studie hat gezeigt, dass sie in der Nähe von Laternen weniger schlafen und länger wach sind und dabei auch singen. Diese längeren Wachphasen in der Nacht können jedoch problematisch sein, wenn ihnen zum Beispiel zu wenig Nahrung zur Verfügung steht.

In einem Citizen-Science-Projekt gemeinsamen mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Sacré Coeur Pressbaum wurden, um den Einfluss verlängerter Beleuchtungsdauer durch künstliche Lichtquellen zu testen, Niststandorte im Wienerwald während der Brutzeit mit LED-Lampen zwei Stunden vor der Morgendämmerung und zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit künstlich beleuchtet. Es zeigte sich, dass die Jungen der Blaumeisen unter der verlängerten Beleuchtungsdauer leiden. Sie wurden früher und waren daher länger wach, bekamen aber in dieser "gewonnenen" Zeit kein Futter. Auswirkungen auf die Kondition und das Immunsystem der Tiere waren die Folge.

Es gibt jedoch auch Vogelarten, die bezüglich ihres Brutgeschäfts komplett zeitlos zu sein scheinen. Tauben und Amseln kann man in Städten, oft auch im Winter, beim Brüten beobachten. Ein wichtiger Grund dafür ist die künstliche Dauerbeleuchtung, die den Rhythmus dieser Tiere durcheinanderbringt.

Straßentaube bei Nacht.
Foto: StockSnap/pixabay.com

Auch für Zugvögel kann die nächtliche Beleuchtung ein Problem darstellen. Viele Vogelarten legen ihre Wanderungen in der Nacht zurück, wie zum Beispiel Rohrsänger oder Grasmücken. Die "erhellte Nacht" ist eine globale Erscheinung und hat, wie wissenschaftlich belegt ist, oft fatale Auswirkungen für Zugvögel. Die wandernden Vögel werden aufgrund der Lichtquellen häufig fehlgeleitet oder prallen auf Hindernisse.

Im Dunkeln ist gut Munkeln?

Interessanterweise sin Nistkästen mit nächtlicher Beleuchtung bei Blaumeisen-Männchen sehr beliebt. Männchen, die "im Besitz" eines solchen Nistkastens sind, sind offensichtlich für Weibchen attraktiver. Sie bekommen öfter Besuch vom "anderen Geschlecht", haben also häufiger "Seitensprünge". Diese haben Folgen: Die Jungen im Nest vieler Weibchen stammen dann von verschiedenen Vätern ab.

Vogeljunge im Nistkasten.
Foto: Österreichische Vogelwarte

Es gibt mit großer Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl von Aspekten, bei denen wir noch keine Ahnung haben, ob und, wenn ja, welche Rolle das Licht spielen könnte. Kann zum Beispiel die Lichtexposition der Vogelmutter ihre Investition in ihr Ei beeinflussen?

Derzeit wissen wir nicht, wie sich die zunehmende Tageslänge auf Vogelmütter und folglich auf die Entwicklung der Nachkommen auswirken kann. In einem laufenden Forschungsprojekt wird jene Periode, in der sich der Vogelembryo im Ei entwickelt (Embryogenese), sowie mögliche Auswirkungen auf das spätere Leben der Vogeljungen in diesem Zusammenhang untersucht.

Wir gehen davon aus, dass eine künstliche Ausdehnung der Tageslänge für Vogelmütter während der Eiproduktion zu einer Erhöhung von Wachstumshormonen in Eiern und Jungtieren führt. Es wird vermutet, dass es sowohl Konsequenzen im Zusammenhang mit Wachstum wie auch der Entwicklung der Nachkommen gibt. Es werden die verschiedenen diesbezüglichen Aspekte untersucht.

Zurück zur Natur?

Man sollte sich überlegen, ob nächtliche Lichtquellen wirklich nötig sind, vor allem in naturnahen Lebensräumen. Vielleicht kann man auf beleuchtete Werbetafeln verzichten oder bewusster beleuchtungsfreie Zonen einplanen.

Ein natürlicherer Umgang mit unserer Umwelt wäre auch in diesem Bereich sinnvoll. Viele Tierarten könnten in ihrem natürlichen Rhythmus ohne Beeinträchtigung ihrer Verhaltensweisen und damit verbunden ihrer Lebenserwartung leben, und auch wir Menschen würden von einem unbeeinflussten Tag-Nacht-Rhythmus profitieren. (Herbert Hoi, 11.12.2020)