Harald Gründl: "Toiletten sind bei uns Tischgespräch"

Designer Harald Gründl von Eoos Next über tragbare Klos und darüber, wie diese unserem Planeten helfen zu überleben

Designer Harald Gründl (53) aus Wien arbeitet mit Eoos Next an nachhaltigen Toilettensystemen.
Foto: Mafalda Rakoš

"Mit unserem Entwurf der "Urine Trap" für Laufen waren wir im Vorjahr auf der Triennale in Mailand vertreten. Jetzt arbeiten wir an ihrer Weiterentwicklung für den Globalen Süden. Gerade haben wir mit ihr die Testphase in Kenia gestartet. Die "Urine Trap" trennt Urin und Fäkalien voneinander. Das ist deshalb wichtig, weil Fäkalien und Urin alleine leichter weiterverwendbar sind.

Die Fäkalien kommen auf Blumenfelder in der Nähe. Viele der Blumen, die wir hier kaufen, kommen von dort. Die in dem Kontext oft angeregte Diskussion um Medikamentenrückstände in menschlichen Absonderungen finde ich müßig. Schließlich ist das bei Tieren genauso.

Seit zehn Jahren beschäftigen wir uns bei Eoos mit Klos und Systemen, die der Kreislaufwirtschaft dienen sollen. Toiletten sind bei uns Tischgespräch. Wir sehen in dem Feld großes Potenzial, unsere zerstörerische Art zu leben überlebensfähig zu machen. Heuer haben wir für diese Zwecke Eoos Next gegründet.

Während wir bei Eoos Autorendesign betreiben, zielt Eoos Next darauf ab, soziale, nachhaltige Projekte zu entwickeln. Ein Anfang ist, einigen der 4,5 Milliarden Menschen, die keinen sicheren Zugang zu Sanitäranlagen haben, diesen zu ermöglichen." (Nina Wessely)

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Christina Seewald: "Ein Statement gegen die Tabuisierung weiblicher Grundbedürfnisse setzen"

Modedesignerin Christina Seewald erzählt, wie ein Hygieneartikel zur Inspiriation für ihre sozialkritische Kollektion wurde

Die gebürtige Grazerin Christina Seewald (28) schloss 2019 ihr Modestudium am renommierten Central Saint Martins in London ab. Danach zog sie nach Wien, wo sie ihr eigenes Modelabel betreibt.
Foto: Mafalda Rakoš

"Die Abschlusskollektion zu meinem Modestudium in London trug den Namen "she-weee". Inspiration hierzu war ein Objekt, das es Frauen ermöglicht, im Stehen zu urinieren. Ich habe die Silhouette der Ärmel in der Kollektion an die Form dieses Hygieneartikels angelehnt. Auf den ersten Blick erkennt man das jedoch nicht.

Mir ist wichtig, dass meine Designs ästhetisch ansprechend sind, aber immer auf subtile Art auch eine sozialkritische Komponente besitzen. Bei dieser Kollektion ging es um einen sehr spezifischen Aspekt der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Wenn Männer in der Öffentlichkeit, zum Beispiel hinter einem Busch, urinieren, wird das eher toleriert, als wenn Frauen dies tun. Sie gelten schnell als unrein.

Ich wollte mit meiner Mode ein Statement gegen diese Tabuisierung weiblicher Grundbedürfnisse setzen. Als mit dem zweiten Corona-Lockdown alle Gaststätten schließen mussten, ist mir erst so richtig bewusst geworden, dass es viel zu wenige öffentliche Toiletten gibt. Egal ob während der Schwangerschaft, Menstruation, Menopause oder wann auch immer – Frauen brauchen einen Ort, wo sie gewisse Grundbedürfnisse ihres Körpers befriedigen können." (Michael Steingruber)

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Oliver Hangl: "Beim Beschwerdeklo erleichtert man sich schon vor dem Betreten"

Der Künstler Oliver Hangl erfand ein Klo, in dem statt Walzer das Raunzen der Wiener als typischer Soundtrack der Stadt zu hören ist

Der Konzept- und Medienkünstler Oliver Hangl (52) bespielt gern den öffentlichen Raum. Im Beschwerdeklo wird typisches Wiener Raunzen abgespielt, eigene Sorgen können aufgenommen werden.
Foto: Mafalda Rakoš

"Anfang letzten Jahres habe ich bemerkt, dass das berühmte Walzerklo in der Opernpassage nicht mehr existiert. Wenn eine Institution zusperrt, muss dafür eine andere aufmachen, dachte ich mir und gründete das Erste Wiener Beschwerdeklo. Das bietet sich an in einer Stadt, in der andauernd geraunzt wird.

Betreut wird dieses Klo von den Mitgliedern des Wiener Beschwerdechors, den ich gemeinsam mit Stefan Foidl seit fast elf Jahren leite – sie sind quasi dessen Klomänner und -frauen. Die Wienerinnnen und Wiener können sich schon vor dem Betreten erleichtern, indem sie ihre Beschwerden äußern. Wir nehmen diese auf Tonband auf und spielen sie im Inneren als Loop ab. Die Aufnahme wird laufend aktualisiert.

Als das Klo zuletzt in Neubau stand, gab es eine Beschwerde über ein nicht funktionierendes Garagentor zu hören. Es ist schon spannend, worüber die Leute sich beschweren. Meist sind es recht konkrete Dinge.

Ich hoffe, dass das Klo nach dem Lockdown wie geplant durch Wiens Bezirke touren kann. Es spielt nämlich schon eine Rolle, wo es aufgestellt wird. Im 15. Bezirk, dem ärmsten Bezirk Österreichs, sind die Beschwerden definitiv andere als in einem bürgerlichen Bezirk wie dem achten." (Sascha Aumüller, RONDO exklusiv, 13.12.2020)