Die zwei begehrten Boxen.

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Nach sieben Jahren begrüßen wir wieder eine neue Konsolengeneration. Also zumindest jene, die sich bereits eine der beiden heiß begehrten Stücke sichern konnten, denn leicht zu bekommen sind weder Playstation 5 noch Xbox Series X. Aber braucht es zum Start überhaupt die Investition von bis zu 500 Euro? Sprechen fehlende Starttitel und Kinderkrankheiten bei neuer Technik nicht ohnehin für ein entspanntes Zurücklehnen und Abwarten? Eine kurze Analyse.

Zwei Philosophien

Bei einer Sache waren sich in diesem Jahr Microsoft und Sony einig: Die inneren Werte sollten in jedem Fall zukunftssicher sein. Nachdem die Konsolen vor sieben Jahren hier ausgelassen und deshalb schon nach wenigen Jahren Nachfolger spendiert bekommen haben, ist diesmal nicht nur die Prozessorleistung beeindruckend, die in beiden Fällen aus AMD Zen 2 Chips mit mindestens 3,5GHz Taktung angetrieben wird.

Auch der Grafikprozessor wurde im Vergleich zur alten Generation um ein Vielfaches verstärkt. Das erkennt man an den nackten Zahlen, wenn man sich die Grafikleistung in Teraflops ansieht. So hat die PS4 1,84 Teraflops, die PS4 Pro 4,2 Teraflops und die PS5 10,3 Teraflops. Die Xbox Series X liegt mit 12,15 sogar noch etwas darüber. Ein Flaschenhals sollte sich für Entwickler hier also nicht ergeben. Abschließend werden die statt Festplatten verbauten SSDs dafür sorgen, dass Spieler nicht mehr unzählige Stunden vor langweiligen Ladebalken verbringen müssen. Auch hier ist die Verbesserung enorm und spürbar.

IGN

Bei all diesen Zahlenspielen darf man nicht vergessen, dass man von dieser Leistung aktuell nur einen Bruchteil bemerkt. Ja, Spiele laufen jetzt konstant mit 60 Bildern pro Sekunde, wo man bei Playstation 4 und Xbox One mit 30 Bildern pro Sekunde hat vorliebnehmen müssen. Auch das neue Raytracing, bei PC-Besitzern bereits länger bekannt, zaubert jetzt schönere Licht- und Schattenspiele auf den Bildschirm, was man unter anderem bei Watchdogs: Legion gut sehen kann.

Auch das viele Gigabyte große Update zu Forza Horizon 4 zeigt mit neuer Grafikqualität zumindest die Richtung, in die wir die nächsten Jahre optisch fahren werden. Das sind aber alles nur Nachbesserungen auf bestehende Spiele, die auch auf PS4 und Xbox One laufen müssen.

Wirkliche Gradmesser, was man mit der neuen Technik leisten kann, werden wohl Spiele erst Ende 2021 zeigen. ein Battlefield 6 zum Beispiel oder diverse Exklusivtitel. 4K wird zum Standard, trotz theoretischer 8K-Möglichkeiten. Schon in dieser Generation gab es Ausnahmetitel, und die wird es auch in den nächsten Jahren geben. Irgendwann 2021.

Xbox

Entscheidung fällt schwer

Taktisch planen die beiden Konsolenhersteller unterschiedliche Strategien. Sony will mit der PS5 das Gefühl eines Generationssprungs vermitteln und liefert dazu eine frische Benutzeroberfläche, eine auffallende Konsole und einen neuartigen Dualsense-Controller. Letzterer lässt Spiele deutlicher spüren, so eigenartig das klingt. Das Spannen eines Bogens wird mit zunehmender Dauer anstrengender, und das Abfeuern einer Waffe fühlt sich tatsächlich dank des Widerstands so an, als würde man an einem Abzug ziehen. Dazu vibriert es an ganz vielen unterschiedlichen Stellen, je nach Geschehen am Bildschirm. Beeindruckend und hoffentlich ein Modell, das von allen Herstellern intensiv genutzt wird.

Microsoft wählt einen sanften Übergang zur vergangenen Generation. Man überrascht mit schlichtem Design, und nachdem die Benutzeroberfläche auf der Xbox One bereits vor einigen Monaten umgestellt wurde, bleibt hier alles beim Alten. Heruntergeladene Spiele können, genau wie bei der PS5, generationenübergreifend weitergespielt werden. Dank Abwärtskompatibilität bis zur ersten Xbox aus dem Jahre 2002 können Sammler alle anderen Xbox-Konsolen in die Glasvitrine stellen.

Größtes Argument pro Xbox ist aktuell der Game Pass, der sich als "Netflix der Spiele" bereits einen Namen gemacht hat. Hunderte Spiele können für 12 Euro pro Monat als Abo gemietet werden. Neuheiten von Microsoft, immerhin stolzer Besitzer von über 20 eigenen Entwicklerstudios, scheinen am ersten Tag ohne zusätzliche Kosten in diesem Abo auf. Hier zählen Serien wie Halo, Gears of War oder Forza dazu. Ein zukunftssicheres Modell, so scheint es.

"Forza Horizon 4" hat bereits ein großes Next-Gen-Update erhalten.
Foto: Microsoft

Es gibt doch vier Konsolen

Bis jetzt zu kurz gekommen ist, dass beide Hersteller erstmals mit gleich zwei Konsolen in den Handel starten. Die Playstation 5 kommt inhaltlich mit zwei identen Geräten auf den Markt, verzichtet bei der um 100 Euro günstigeren Variante aber auf das UHD-Blu-Ray-Laufwerk. Das ist verschmerzbar, wenn man ohnehin alles online kauft.

Bei der Xbox sieht das anders aus. Mit der Series S erscheint eine 300-Euro-Konsole, die es fast überall noch lieferbar gibt. Warum? Weil die technischen Daten der Konsole jener der Xbox One X ähneln, die es bereits seit drei Jahren auf dem Markt gibt. Tatsächlich ist der Prozessor wesentlich stärker auf der Series S, dafür schafft sie nur 1440p und nicht 4K, wie die One X oder eben die neue Series X.

Die kleinere Xbox ist in diesem Jahr einfach ein Kompromiss, der als Zweitkonsole im Kinder- oder Schlafzimmer für eine Runde FIFA sicher reicht. Das kommende Blockbuster-Game mit Raytracing und 4K wird es auf dieser Konsole allerdings nicht geben. Zudem sind lediglich 512 GB Speicher verfügbar, bei dem für Spiele lediglich 364 GB bleiben. Das kann man 2020/2021 einfach nicht ruhigen Gewissens empfehlen, außer man glaubt an die Streaming-Ambitionen von Microsoft. Dann könnte die zu Hause stehende Hardware auch bald einmal egal sein.

Spiele wie "Cyberpunk 2077" erscheinen erst 2021 offiziell für PS5 und Xbox Series X/S.
Foto: CD Projekt Red

Wo fährt der Zug hin?

Microsoft will mit dem Game Pass und ersten Streaming-Ansätzen in den nächsten Jahren ganz klar unabhängig von der Plattform sein. Spielen kann man dann auch auf PC, Smartphone oder am eigenen TV. Mit der Xbox One hatte man sich zu schnell nach vorne bewegt, damals schon von Disk-losen Konsolen gesprochen und von der Cloud, die einmal alles beherrschen wird. Das wollte 2013 keiner hören, und auch deshalb fiel man hart auf die Nase. Diesmal ist man schlauer, bietet Konsolen mit und ohne Laufwerk an, Spiele auf Disks und als Download. Die Cloud schwebt schon über den Spielern und wird mit den eigenen Spielständen und Screenshots fleißig gefüllt. Dezent, damit keiner Angst bekommt.

Sony bleibt klassisch. Verkauft Spiele weiterhin für 70 bis 80 Euro, weil man die Marken hat, für die Spieler dieses Geld ausgeben. God of War, Uncharted, Spider-Man. Playstation als Brand ist unglaublich stark, speziell nach den letzten sieben Jahren, in denen man ganz klar dominiert hat. Dazu hat man als einziger Konsolenhersteller das Thema VR auf dem Schirm und liefert hier laufend neue Inhalte. Eine technisch stärkere Fortsetzung des Playstation VR-Systems scheint nur eine Frage der Zeit. Mit Playstation Now hat man auch einen Streamingdienst im Hintergrund, aber der wirkt noch nicht rund genug, um am Markt bestehen zu können. Aber die Technologie ist da, die Rechte an starken Marken auch. Wenn man den Game Pass zu sehr fürchtet, kann man reagieren.

Playstation verfügt über starke Brands, etwa "God of War".
Foto: Playstation

Umstieg ist nicht 1000 Euro wert

Nachdem ein paar Meldungen über Bildfehler auf der PS5 die Runde gemacht haben und die Verfügbarkeit von beiden Konsolen nur auf Online-Marktplätzen zu unverschämt hohen Preisen gegeben ist, lohnt sich ein Umstieg um jeden Preis aktuell nicht. Bis auf ganz wenige Titel gibt es nichts, was es nicht auch auf PS4 oder Xbox One gibt. Assassin’s Creed Valhalla, Cyberpunk 2077 oder das neue FIFA 21. All das, kann man auch ohne neue Konsole genießen. Mag sein, dass die Spiele auf PS5 und Xbox Series X schneller laden und ein flüssiger auf der neuen Hardware laufen, aber deshalb in Panik verfallen oder unbedacht 1.000 Euro zahlen ist wirklich nicht nötig.

Da man generationenübergreifend spielen kann, macht es also auch nichts, wenn ein Glücklicher in der Runde bereits auf Next Gen spielt, während die anderen noch auf der aktuellen Hardware in Battlefield, Fortnite oder Call of Duty einsteigen. Man spielt gemeinsam und in den Folgejahren vielleicht auch verstärkt plattformübergreifend. Schon jetzt spielen im Battle-Royale-Spiel Warzone PC- und Konsolenspieler mit- und gegeneinander. Bald wird das Standard sein, damit es am Ende auch egal ist, ob jemand im Freundeskreis im Alleingang die Lieblingsplattform der Gruppe verlässt.

Fazit

Nein, man braucht sich zu Weihnachten nicht verrückt machen, wenn man keine der neuen Konsolen mehr bekommt. Es ist schön, sie zu haben, weil man dann auch nicht mehr zurück will, aber die exklusiven Spiele in voller Next-Gen-Pracht gibt es erst 2021. Bis dahin sollte man sich entscheiden, ob man lieber für ein starkes Spiele-Abo bezahlen will oder für bekannte Playstation-Brands.

Wer sich für die Xbox entscheidet, der bekommt die nächsten Jahre laufend Spielenachschub zum fairen Abo-Preis. Knaller wie das nächste The Elder Scrolls, Halo oder Forza inbegriffen. Außerdem finden sich Kenner der Plattform schnell zurecht. Sowohl Bedienung als auch Controller haben sich kaum bis gar nicht verändert.

Auf der Playstation bekommt man mehr das Gefühl, etwas Neues zu kaufen, muss dafür aber auch für neue Spiele 80 Euro zahlen. Vielleicht zieht Sony irgendwann mit dem Game Pass gleich, erste Weichen dafür wurden gelegt. Bis dahin sind die Aussichten auf God of War und der konsolen-exklusive Fokus auf Virtual Reality sicher für viele Spieler attraktiv.

Gerüchte, dass Sony bereits an einer Pro-Version ihrer PS5 arbeitet oder Ähnliches, muss man als technikverliebter Mensch ohnehin ausblenden. Ja, es werden wohl auch in dieser Generation Konsolen-Updates erscheinen. Vielleicht sogar kleinere und attraktivere, aber das hilft einem ja nichts, wenn man genau in diesem Moment die neue Hardware nutzen will. Bereuen wird den Kauf der neuen Konsolen nämlich kaum jemand. (Alexander Amon, 23.12.2020)