Frage: Meine zwölfjährige Tochter wurde in einem Online-Spiel von jemanden so lange unter Druck gesetzt, bis sie Nacktfotos von sich verschickt hat. Ich bin da nur zufällig drauf gekommen. Sie war völlig verzweifelt. Was kann ich tun?

Barbara: Mit dieser Situation ist Ihre Tochter nicht allein. Auch wir bei Saferinternet.at bemerken, dass derzeit wirklich viele Kinder und Jugendliche von Cyber-Grooming betroffen sind. Sie werden von Erwachsenen, die ihnen fremd sind, online angesprochen und belästigt: Die Täter schicken ihnen Dickpicks und verlangen sexuell explizite Bilder von ihnen zurück, im Sinne von: „Ich hab dir was geschickt, jetzt musst du mir auch was schicken“. Manchmal werden ihnen auch Geld, ein Handy oder virtuelle Güter in Spielen als Gegenleistung versprochen.

Heute sind schon Kinder im Volksschulalter von Cybergrooming betroffen.
Saferinternet.at/Summereder

Welche Kinder sind besonders betroffen?

Vermutlich hat so gut wie jede/r Jugendliche/r solche Kontaktversuche schon irgendwann erlebt. Der Anfang ist oft harmlos und die meisten nehmen es nicht einmal wahr, klicken es weg, löschen es. Aber Kinder, die sich langweilen und vor allem nach positivem Feedback sehnen, freuen sich über die scheinbare Wertschätzung durch Erwachsene online. Und so kann es dazu kommen, dass solche Kontaktanbahnungen – auch mit Eltern im Nebenzimmer – erfolgreich sind.

Manche – vor allem Jugendliche – sind auch ganz aktiv nach dem Nervenkitzel unterwegs. Für sie ist es Unterhaltung, Nervenkitzel und auch Befriedigung ihrer Lust. Sie sind auch lange der Meinung, solche „Unterhaltungen“ mit fremden Männern in der Hand zu haben, es selbst steuern zu können. Denn sie sind ja zu Hause und meist auf ihre eigene Sicherheit bedacht, also wenig mitteilungsfreudig, was Name, Wohnort und anderes anbelangt. Sie fühlen sich sicher und mächtiger.

Wie erfahren Eltern davon?

Kinder müssen wissen, dass sie sich ihren Eltern anvertrauen können, ohne dass es zu Vorwürfen und Verboten kommt. Sie müssen mit der Unterstützung ihrer Eltern rechnen können und mir fällt auf, das schaffen inzwischen viele Eltern. Sie loben ihr Kind für den Mut ihnen davon zu erzählen und versuchen gemeinsam die nächsten Schritte zu überlegen. Nicht wenige wenden sich dabei an die Telefonhotline 147 Rat auf Draht.

Aber: Nur in wenigen der Fälle, mit denen ich in den letzten Wochen konfrontiert wurde, hatten sich das Kind rasch und direkt an die eigenen Eltern gewendet. Die meisten Eltern erfahren von Cyber-Grooming sehr spät und oft kommt es eher zufällig heraus: Das betroffene Kind vergisst, dass alle Fotos in der Familien-Cloud gespeichert werden, die Eltern machen ein Update am Gerät, eine Nachricht poppt während der Hausaufgabe auf, während Eltern daneben sitzen, oder Freunde oder ältere Geschwister wittern etwas und erzählen es weiter. Manchmal sind auch Eltern dahinter, die geheim die Inhalte des Handys ihres Kindes überprüfen.

Wie reagieren? Was tun?

Eines ist klar: Cyber-Grooming ist für Eltern eine albtraumhafte Situation, vor der sich die meisten zutiefst fürchten. Sie wollen ihre Kinder wirklich beschützen und hätten gehofft, dass es nie passieren möge. Anders gesagt: Cyber-Grooming ist ein Thema, das Panik auslöst, aber Panik ist kein guter Begleiter in dieser Situation.

Bewahren Sie bitte einen ruhigen Kopf. Stehen Sie zu Ihrem Kind und bedenken Sie: Die Täter versuchen schon bei ihren Erpressungen den betroffenen Kindern einzureden, sie seien selbst dafür verantwortlich. Beteiligen Sie sich nicht an diesen Schuldzuweisungen. Unterstützen Sie Ihr Kind und lassen Sie es nicht alleine.

Was bedeutet das konkret?

  • Sichern Sie Beweise – machen Sie Screenshots.
  • Erstatten Sie eine Anzeige bei der Polizei – damit den Tätern das Handwerk gelegt wird. Beziehen Sie sich dabei konkret auf §208a Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen.
  • Melden Sie das Profil des Täters in den Sozialen Netzwerken. Derzeit sind uns vermehrt Fälle auf Instagram und TikTok bekannt.
  • Warnen Sie andere Kinder: Ist ein Kind betroffen, sind es vermutlich andere in seinem Umfeld auch. Initiieren Sie einen Workshop an der Schule oder einen Elternbrief mit Information zu Cyber-Grooming.
  • Scheuen Sie sich nicht, in dieser belastenden Situation professionelle Hilfe anzunehmen! Hier finden Sie Kontakte zu Beratungsstellen.

Und wie weiter?

Für Ihre Tochter ist es wie für andere Kinder auch wichtig, online mit anderen kommunizieren zu können; selbst wenn sie in diesem Fall verstörende oder schlechte Erfahrungen gemacht hat. Sie können sie dabei unterstützen dieses Online-Leben sicherer zu gestalten. Das betrifft die Gestaltung von Spielgruppen, aber auch Privatsphäreeinstellungen und weitere Tipps, um solche Anbahnungen als gefährlich zu erkennen.

Ich wiederhole mich auch hier gerne, denn es ist wirklich wichtig: Schuld ist nicht Ihre Tochter oder Ihr Sohn, sondern der Täter. Lassen Sie nicht zu, dass Ihr Kind sich das von den Tätern erfolgreich einreden lässt! Stehen Sie zu Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn, damit diese sich künftig auch traut früher mit Ihnen zu sprechen. Und ja, vielleicht wird eine solche Situation auch nie wieder passieren, das wünsche ich Ihnen jedenfalls von ganzem Herzen. (Barbara Buchegger, 17.12.2020)

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