VizebürgermeisterIn ist in Innsbruck ein Amt mit sehr kurzer Halbwertszeit. Hier ein Foto vom Amtsantritt der Stadtregierung vom Mai 2018: Vizebürgermeister Franz Gruber (ÖVP, ganz links) wurde parteiintern abgesägt. Vizebürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (FI, rechts neben Willi) wurde vor einem Jahr mit grüner Hilfe abgewählt. Vizebürgermeisterin Uschi Schwarzl (Grüne, ganz rechts) wurde am Mittwoch mithilfe der eigenen Koalitionspartner abgewählt. Nur SPÖ-Stadträtin Elisabeth Mayr (links neben Willi) verzichtete bisher stets auf den Job als Vize.

Foto: APA/EXPA/Jakob Gruber

Innsbruck – Dem erwarteten Abstimmungsergebnis ging eine lange und emotionale Debatte im Innsbrucker Gemeinderat voraus. Vom Vollkoffer über die Mimose bis hin zu einer Frage des Entsetzens – "Wie weltfremd bist du?" – reichte die Palette der Befindlichkeiten, die ausgetauscht wurden. Am Ende musste Uschi Schwarzl (Grüne) hinnehmen, dass sie von einer Mehrheit von ihrer Position als Vizebürgermeisterin abberufen wurde. Offiziell deshalb, weil ihr die Opposition vorwarf, bei der Einrichtung einer temporären Begegnungszone widerrechtlich gehandelt zu haben. In Wahrheit ist der skurrile Streit eine Momentaufnahme vom Zustand der Innsbrucker Viererkoalition mit SPÖ, ÖVP und Für Innsbruck (FI) unter grüner Führung.

Doch von Beginn an: Der Posten der Vizebürgermeisterin scheint unter der Ägide von Stadtchef Georg Willi (Grüne) zum Schleudersitz zu mutieren. Denn Schwarzl bekleidete den Posten erst seit gut einem Jahr, nachdem ihre Vorgängerin, die ehemalige Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck), wegen ihrer Rolle rund um das städtische Finanzdebakel am Patscherkofel ihren Posten als Vize hatte räumen müssen.

Pikanterweise ist es eine Begegnungszone, die Schwarzl – in Innsbruck für Verkehrsagenden zuständig – zum Verhängnis wurde. Eine solche hatte sie im Innenstadtgebiet versuchsweise verordnet und soll dabei geltende Gesetze missachtet haben, so der Vorwurf der Opposition. Die hat sogar eigens ein Gutachten beim renommierten Verfassungsjuristen Heinz Mayer in Auftrag gab, um diesen Vorwurf zu untermauern.

Duell der Gutachten

Die Grünen konterten ihrerseits mit einem Rechtsgutachten, erstellt vom ebenso renommierten Innsbrucker Verwaltungsjuristen Karl Weber. Dieses, so Bürgermeister Willi, würde klar belegen, dass die Vorwürfe gegen Schwarzl jeder Substanz entbehren, weil nämlich Willi selbst die besagte Verordnung erlassen habe und nicht die Verkehrsstadträtin.

Innsbrucks SPÖ-Vorsitzender Benjamin Plach erklärt, warum seine Fraktion die Abwahl der Vizebürgermeisterin unterstützt.

Sei es, wie es sei, am Mittwoch wollten sich die Koalitionspartner – Grüne, SPÖ, ÖVP und FI – eigentlich zu einer internen Aussprache treffen, um die Wogen zu glätten. Allerdings versetzten die Grünen dem Vernehmen nach ihre drei Partner kurzerhand, was denen gar nicht schmeckte. Und so haben diese den Abwahlantrag gegen Schwarzl unterstützt. Willi seinerseits zeigte sich schon im Vorfeld erbost darob und wirft den Partnern Koalitionsbruch vor.

Grüne vermuten "Hetzkampagne"

Das Treffen habe man deshalb sausen lassen, so die Begründung der Grünen, weil sich die Partner schon vorab an die Öffentlichkeit gewandt hätten. Außerdem, so Willi, habe er die Klubobfrau an seiner Statt geschickt. Die Koalitionäre kontern, dass sie gar keinen Koalitionsbruch vorhätten, sondern nur eine "Funktionsänderung" begehrten und die Verkehrsagenden lieber im Ressort von Willi sähen. Überhaupt, so die drei Partner der Grünen, habe Willi bei der "Funktionsänderung" betreffend Oppitz-Plörer vor gut einem Jahr weniger Bedenken an den Tag gelegt.

Wenig überraschend will niemand das Wort "Neuwahlen" in den Mund nehmen, schon gar nicht in Zeiten der Corona-Pandemie. Trotzdem verlief die Sitzung des Gemeinderats am Mittwoch sehr emotional. Schwarzl ortete eine "Hetzkampagne". Die Grünen versuchten die Kritik am Handeln der Vizebürgermeisterin auf eine persönliche Ebene herunterzubrechen und unterstellten den Koalitionspartnern, "sich instrumentalisieren" zu lassen.

Vorwurf der "Showpolitik"

Die Szenen waren nicht neu für den Innsbrucker Gemeinderat. Vor gut einem Jahr unterstützten die Grünen selbst einen solchen Abwahlantrag, der sogar von der FPÖ kam, gegen Schwarzls Vorgängerin Oppitz-Plörer. Damals verwehrten sie sich gegen Vorwürfe des Koalitionsbruchs. Damals verweigerten SPÖ und ÖVP, mit ihnen mitzuziehen, und warfen Willi vor, "Showpolitik" zu betreiben. Am Mittwoch verhielt es sich genau umgekehrt, und manche Redner spickten ihre Auftritte mit Seitenhieben auf die Geschehnisse vom Vorjahr.

Am Ende wurde Schwarzl mit deutlicher Mehrheit abgewählt – eine Enthaltung, zwölf Gegenstimmen und 27 dafür. Und wie im Vorjahr, als Oppitz-Plörer zwar als Vizebürgermeisterin abgewählt, aber umgehend wieder als Stadträtin nominiert wurde, ist das Prozedere nun bei Schwarzl. Direkt nach der Abberufung nominierte Willi seine Parteikollegin wieder als vorerst nicht amtsführende Stadträtin. Im Jänner-Gemeinderat will er sie wieder als amtsführende Stadträtin für die Ressorts für Umwelt, Energie, Mobilität und Kultur vorschlagen. (Steffen Arora, 10.12.2020)