Nicolas Sarkozy und Carla Bruni im Gerichtsgebäude.

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Nach dreiwöchigem Prozess warf der Angeklagte Nicolas Sarkozy ein letztes Argument in die Schlacht um seine politische Zukunft: Zu den Schlussplädoyers erschien er an der Seite von Gattin Carla Bruni. Mit blauem Pullover und bordeauxfarbener Schutzmaske assortiert, zog das Ex-Model die Kameralinsen auf sich – und bedeutete mit ihrer schlichten Präsenz, was Sarkozys nicht minder elegante Starverteidigerin Jacqueline Laffont in ihrer zweistündigen Brandrede sagte: Eigentlich war alles nur eine Familienaffäre – jedenfalls kein Grund zur Aufregung. Und schon gar kein Grund für eine Verurteilung: Laffont forderte einen Freispruch.

Dem Staatspräsidenten von 2007 bis 2012, der nach französischer Usance immer noch als "Monsieur le Président" angesprochen wird, wirft die Justiz nichts weniger als Korruption vor: Sarkozy soll versucht haben, am Kassationshof einen Richter zu bestechen, indem er ihm einen Posten im Steuerparadies Monaco versprach. Im Gegenzug suchte der konservative Politiker Auskünfte über ein anderes gegen ihn laufendes Verfahren, die sogenannte Bettencourt-Affäre.

Neue Affäre bei Telefonabhöraktion

Dieses Verfahren wurde eingestellt. Die Ermittler hatten allerdings Sarkozys Telefon abgehört; und obwohl der nunmehr Angeklagte dies ahnte und deshalb unter dem falschen Namen "Paul Bismuth" mit seinem Anwalt kommunizierte, stießen die Abhörer auf eine neue Affäre. Der Bestechungsversuch ist aktenkundig und unwiderlegbar. Die Staatsanwaltschaft verlangte dafür diese Woche vier Jahre Haft und davon nur zwei auf Bewährung.

Das würde bedeuten, dass erstmals ein französischer Ex-Präsident für zwei Jahre hinter Schloss und Riegel müsste. Und das wiederum wäre eine Premiere: Sarkozys Vorgänger Jacques Chirac hatte zwar wegen Scheinjobs für Parteimitglieder im Pariser Rathaus eine Haftstrafe erhalten, die war aber auf Bewährung ausgesetzt. Zudem war Chiracs Karriere damals gelaufen; aus Gesundheitsgründen konnte oder wollte der Altpräsident nicht einmal selbst zur Gerichtsverhandlung antreten.

Hand auf der Brust

Sarkozy, 65 und noch in alter Frische, trat im Gerichtsgebäude ebenso energisch und eloquent auf. "Ich habe Ihnen hier aufrichtig geantwortet", sagte der graumelierte Ex-Anwalt mit der Hand auf der Brust. "Ich habe das Vertrauen der Franzosen nie verraten."

Seine alten Verdrehungskünste unter Beweis stellend, präsentierte er sich als Opfer der Justiz, die ihn "3.750-mal" abgehört habe. Ein einziges Mal habe er in einer "Plauderei" den Posten in Monaco erwähnt, und den habe der Kassationsrichter auch nie erhalten. Der Staatsanwalt erwiderte trocken, es genüge der Versuch der Bestechung, auch wenn diese keine Folge gezeigt habe.

Sarkozys implizitem Vorwurf, die Justiz stufe eine "Plauderei" höher ein als all seine Verdienste für Frankreich, konterte der Staatsanwalt mit den Worten: "Die Republik vergisst ihre Präsidenten nicht, aber die Präsidenten dürfen auch nicht die Republik vergessen, das heißt auch den Rechtsstaat nicht!"

Warten auf Urteil

Nach dem Ende der Gerichtsverhandlung am Donnerstagabend dürfte die Urteilsfällung mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Auch den Richtern muss bewusst sein, dass ihr Verdikt auf jeden Fall politische Folgen haben wird. In den Meinungsumfragen für die Präsidentschaftswahlen 2022 führen derzeit der amtierende Mittepolitiker Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Dazwischen liegt das – matchentscheidende – Lager der gemäßigten und gaullistischen Rechten brach. Die konservativen "Repubblicas" haben auf einmal keinen "natürlichen" Frontrunner. Deshalb wittert Sarkozy seine Chance, zehn Jahre nach seiner Abwahl nochmals ins politische Zentrum zu rücken. In der Bettencourt-Affäre hat er einen Freispruch erwirkt, und für die angebliche Finanzierung seines Wahlkampfs 2012 durch den libyschen Ex-Diktator Muammer al-Gaddafi sind bisher trotz intensiver Justiz- und Medienrecherchen keine Belege aufgetaucht.

Ende des Comebacks?

Bleibt die Bestechung der Bismuth-Affäre. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Staatsanwaltschaft gewaltige Mittel eingesetzt hatte, um Sarkozy überführen zu können. Die Konservativen werfen der Staatsanwaltschaft "Medienjustiz" vor und dass sie Sarkozys Pläne wie schon 2017 diejenigen von Ex-Kandidat François Fillon zerstöre. Die Vergabe von Posten und Pöstchen für kleine Gefälligkeiten sei gerade in Monaco gang und gäbe.

So klein war der vorgeschlagene Posten allerdings nicht. Der Tatbestand der Bestechung scheint erfüllt. Auch wenn Sarkozy mit einer milderen Strafe davonkäme und nicht physisch in Haft müsste, würde dies das Ende seines Comebacks bei den nächsten Präsidentschaftswahlen bedeuten. Macron wäre darob bestimmt nicht unglücklich. (Stefan Brändle aus Paris, 10.12.2020)