Die Bühne ist eingenebelt. In ihrer Mitte sitzt Karin Peschka, schaut und lauscht, wie Darsteller ihre Texte performen. Gespenstisch, das Eigene in einer anderen Sprache mutet fremd und vertraut zugleich an. Was Anfang Oktober beim Internationalen Short Story Festival in Breslau aufgeführt wurde, waren ins Polnische übersetzte Erzählungen aus ihrem 2017 erschienenen endzeitlichen Band Autolyse Wien. Der Nebel habe also gepasst, sagt Peschka. Nicht selbst zu lesen auch.

Die mehrtägige Einladung der Schriftstellerin nach Polen war die kurze Rückeroberung einer kulturellen Öffentlichkeit nach einer trostlosen Reihe Corona-bedingter Absagen. Nach der ausgefallenen Leipziger Messe konnte Peschka im Rahmen verschiedener Literaturveranstaltungen ihren jüngsten Roman Putzt euch, tanzt, lacht nur im Sommer präsentieren. Er stand immerhin auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises.

Überhaupt habe sie noch Glück gehabt, denn das Buch sei schon im Februar erschienen, in diesem Frühjahr starker Literatur von Frauen. Dann seien da aber Ungeduld und Widerstand gewesen, sich auf die Situation "wegen, wir wissen es" einzulassen, wie sie die Zeiten des Shutdowns umschreibt. Anschließend hätten sich Energielosigkeit, später Lähmungserscheinungen breitgemacht. Symptomatisch für diese eigenartigen Wochen und Monate, die nicht aufhören und müde machen. Dennoch wirkt Peschka gelassen und heiter, ein bisschen so, als ob sie ihren famosen Buchtitel (Arthur Rimbauds Illuminations entwendet) für sich selbst zum Imperativ erhoben hätte. Jeden stattfindenden Termin gelte es aus ihrer Sicht zu feiern.

"Watschenmann" als Erstling

Karin Peschka, die aus dem oberösterreichischen Eferding stammt und seit 2000 in Wien lebt, hat laut ihrer Eigendefinition des Schreibens schon immer geschrieben. Es bedeutet für sie "eine Art, die Welt zu betrachten und auf die Welt einzugehen". Glücklich ist sie zu erzählen, wie sie als junger "inwendiger" Mensch, Dinge, die sie sieht, "automatisch im Kopf in Text übersetzt". Dass sie 2014 mit Ende vierzig eine "späte Romandebütantin" ist, sieht sie pragmatisch. Und was sie für eine ist! Ihr aufwühlender, so anders gestrickter Erstling Watschenmann, der sich aus ihrem Siegertext beim Literaturwettbewerb Wartholz entwickelte, brachte ihr nicht nur Beachtung seitens Presse und Publikum ein, sondern auch begehrte Literaturpreise und 2019 eine Theateradaption. Die darin beschriebenen Geschichten vom Krieg bekam sie schon als Jugendliche im elterlichen Wirtshaus am Stammtisch serviert. Immer habe sie hingehört. Als gelernte Sozialarbeiterin habe sie später wiederum ein Interesse für traumatisierte Menschen entwickelt, wie es die kriegsversehrten Figuren im Watschenmann sind.

Seitdem veröffentlicht Peschka in regelmäßigen Abständen und lässt mit Nominierungen aufhorchen. Längst hat sie ihren fixen Platz als literarische Größe in Österreich, der Platz in ihrem Salzburger Hausverlag Otto Müller ist ihr ebenso sicher. Das Schreiben ist zum Beruf geworden. Das Hervortreten in die Öffentlichkeit überlässt sie trotzdem gerne ihren Texten, hinter denen es sich gut leben lasse, wie sie sagt. In die erste Reihe zu streben liege ihr nicht. Ihre Texte seien Statements auch darüber, wie sie denke, etwa in gesellschaftspolitischer Hinsicht.

"Putzt euch, tanzt, lacht" ist der dritte Roman von Peschka, und dort herrscht, wie im Leben auch, ein schönes Durcheinander.
Foto: Heribert Corn

Mit Autolyse Wien stand sie 2017 das erste Mal mit einem Titel auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises. Im gleichen Jahr erhält sie für einen Erzähltext daraus den Publikumspreis des Bachmannwettbewerbs. FanniPold, ihr zweiter Roman, erschien 2016. Darin führt ein Unfall im Wald zum Nachdenken über Leben und Tod und zum Ziemlich-Verrücktwerden. Fanni verheddert sich beim Tandemflug mit ihrem Piloten Leopold im Wipfel einer Tanne und verletzt sich dabei schwer. Sie kleben fortan aneinander. Dass die Figuren in dieser Situation höchster Not einen Anflug von Hoffnung und bitterkomischem Witz zeigen, ist Peschkas Erzähl- und Beschreibungskunst zu verdanken, ihrem unnachahmlichen, liebenswerten wie kratzigen Ton, ihrer rhythmisierten Sprache. Es ist ein munteres, schlagkräftiges Parlieren bei gleichzeitiger herzerfrischender Zugewandtheit.

Tempo und Dichte entstehen in den Texten vor allem durch Ellipsen: Subjekte verschwinden, die Verben führen die Sätze an. Sätze reißen ab, springen. Auch in Putzt euch, tanzt, lacht, das eine ewige Fanni im Alter von 57 Jahren aus dem bestehenden Leben schmeißt, ist das so: "Habe gerade Mann und Tochter und Rohbau hinter mir gelassen samt sandiger Einfahrt und frisch gefaltetem Zeitungspapier. Will aber, während ich immer nach den Gipfeln sehe (nach den Trennzacken zwischen Land und Weltall), will aber keineswegs jemandem Böses antun." Einmal mehr stellt Peschka ihre Fähigkeit der absichtsvoll verschlungenen Komposition in diesem Roman unter Beweis, ihr Sich-Verlieren in einem "Wort-Satz-Text-Gewebe", zusammengehalten von einem Gerüst an Großkapiteln und vielen kurzen, dezent lyrisch betitelten Abschnitten. Auch im Leben herrscht schließlich oft ein Durcheinander.

Welche Gründe zu Fannis "spontaner Immigration" im fortgeschrittenen Alter, besser zu ihrer Flucht, geführt haben, offenbart sich sukzessive nach dem ersten Drittel. Eigentlich läuft alles glatt und sehr normal, jedenfalls nach außen hin: Fanni ist Mutter zweier Kinder, fürsorgliche Ehefrau, hat ein Eigenheim im Linzer Umland, einen Job als stellvertretende Supermarktleiterin. Innen drin: geht es ihr nicht gut. Das Leben, ein einziges Ach. Sie ist geprägt von frühkindlichem Gehorsam und dem Sich-unsichtbar-Machen, später vom alltäglichen "Funk-ti-o-nie-ren".

Dass sie mit ihrer unerwünschten Geburt den Lebensplan der Eltern durchkreuzte, ist ein Dauerschmerz. In ihren Dreißigern erlebt sie einen heftigen "seelischen Ausrutscher", als sie erkennt: "Nichts fehlte, außer ich mir." Die Bitterkeit hat sich festgesetzt. Mehr als zwanzig Jahre später ist es wieder so weit, die Panikanfälle nehmen zu, ein therapeutisches Erstgespräch steht an, woraufhin Fanni kurzerhand "desertiert".

Was kommt, ist mehr als abenteuerlich und eine große Erzählung über den, in Anlehnung an Marguerite Duras, Aufbruch aus dem Bestehenden und vor allem auch über den möglichen Neuanfang im Alter, in dem das Ich und seine Gefühle ihren Wert haben. Körperlichkeit und Sexualität gehören selbstverständlich dazu, dürfen wieder verspielt und entspannt sein. Es gehe insgesamt darum, ehrlich zu sich selbst zu sein und die Bedürfnisse als Frau nicht zu ignorieren, sagt die Autorin, die die "Flucht zu sich" aus eigener Erfahrung kennt. Sie betrachtet diese Haltung als essenziell nicht nur für gelingende Beziehungen, auch der Gesellschaft würde es besser gehen, wenn der Umgang mit sich und anderen ein ehrlicherer wäre.

Viel weibliche Wärme

Fanni muss in ihrem Zustand nun endlich den Mund aufmachen, reden und rotzen. Ihre Zufallsbekanntschaft und Seelentrösterin Tippi aus Wien, eine noch immer ordinierende siebzigjährige Ärztin, bringt sie mit schrägen Ritualen und viel weiblicher Wärme wieder in die Spur, auf Linie sozusagen. "Einfluchten" nennt Tippi das hübscherweise. Tippi ist ein Paradebeispiel für Eigensinn, Witz und Unabhängigkeit. Sie wird eines der quasi vom Himmel gefallenen sechs Mitglieder von Fannis zusammengewürfelter Truppe, Stichwort: divers, die sich für die nächsten zwei Jahre auf einer Almhütte im Pinzgau zu Klubtreffen einfindet und sich den Sonnenseiten des Lebens zuwendet. Was dort zählt, ist, dass jede und jeder so sein darf, wie sie oder er ist, egal wie verschroben. Intuitiv hat Fanni mit Beginn ihres Aufbruchs das Pinzgauer Refugium aus dem elterlichen Besitz angesteuert, um es für ihr neues Leben zu revitalisieren. Ein später Triumph und ein bisschen fröhliche Utopie. Ihre abgelegene Alm-Alten-WG würde der Pandemie auf jeden Fall trotzen, schließt Peschka. (Senta Wagner, 12.12.2020)

Karin Peschka
"Putzt euch, tanzt, lacht".
€ 23,– / 310 Seiten.
Otto-Müller-Verlag, Salzburg 2020
Foto: omvs.at