Im ORF-Landkrimi "Waidmannsdank" legt Pia Hierzegger als Polizistin und Drehbuchautorin die Abgründe einer Dorfgemeinschaft in den Bergen Kärntens frei. Zu sehen ist er am Dienstag um 20.15 Uhr in ORF 1.

Foto: ORF/Mona Film/Tivoli Film/Helga Rader

Wien – In einer Dorfgemeinschaft in den Bergen Kärntens erschüttern illegale Machenschaften und Familienkonflikte den scheinbaren Frieden. Pia Hierzegger, die auch das Drehbuch geschrieben hat, ermittelt als Oberinspektorin Acham im idyllischen Obervellach. "Waidmannsdank" beruht auf dem Roman "Waidmannsruh" von Alexandra Bleyer. Regie führte Daniel Prochaska. Der Landkrimi ist am Dienstag um 20.15 Uhr in ORF 1 zu sehen.

STANDARD: Der Landkrimi ist in einer Kärntner Dorfgemeinschaft im Jägermilieu angesiedelt. Welche Beziehung haben Sie zur Jagd und zu Waffen?

Hierzegger: Eigentlich überhaupt keine. Das Größte war, einmal auf einer Messe zu schießen. Als Kind habe ich keine Spielwaffen bekommen, weil meine Eltern das nicht wollten. Ich habe gerne Indianer gespielt und wollte eine Waffe haben. Irgendwann habe ich dann von meiner Schwester eine selbstgebastelte Holzwaffe bekommen. Das war mein einziger Waffenbesitz. Es leuchtet mir aber ein, dass Jäger Tiere schießen müssen, weil es ansonsten zu viele wären. Wenn man Fleisch isst, sind diese Tiere nicht schlecht, weil sie wenigstens ein schönes Leben geführt haben.

STANDARD: Sie mussten als Drehbuchautorin in das Jägermilieu eintauchen. War die Recherche schwierig, wenn man mit der Jagd nichts am Hut hat?

Hierzegger: Es gibt ja den Roman von Alexandra Bleyer als Vorlage. Beim Schreiben des Drehbuchs rückt man aber ganz weit weg von der Vorlage, weil ein Film etwas anderes ist. Es war aber tatsächlich nicht so einfach, weil das Jagdrecht in den Bundesländern unterschiedlich ist. Ich habe eine Freundin mit Jagdschein, die hat mir ab und zu weitergeholfen, oder eben Frau Bleyer. So habe ich mich mit dem Thema Jagd auseinandergesetzt, aber auch mit dem Tiereausstopfen. Damit beschäftige ich mich normalerweise nicht täglich. (lacht)

Beim Tierpräparator – von links: Jutta Fastian (Martina Schober), Michael Pink (Harry Weinisch) und Pia Hierzegger (Oberinspektorin Acham).
Foto: ORF/Mona Film/Tivoli Film/Helga Rader

STANDARD: Die Jagd und Waffen haben in Österreich einen wichtigen Stellenwert, wenn man bedenkt, dass die Waffengeschäfte im harten Lockdown offen waren. Im Gegensatz etwa zu Buchhandlungen.

Hierzegger: Das hat mich sehr verwundert. Symbolisch ist das nicht so gescheit. Das macht böses Blut. Die Begründung war ja, dass man das beruflich braucht. Das hat aber wohl nur die Jäger betroffen, denn ich nehme nicht an, dass Polizisten einfach ins Waffengeschäft gehen und sich Munition kaufen.

STANDARD: Im Landkrimi spielen Sie eine Polizistin, die aus Klagenfurt nach Obervellach kommt, weil dort ein Mord passiert. Ihre Figur ist aber keine Kärntnerin. Wollten Sie sich als Steirerin den Kärntner Dialekt nicht antun?

Hierzegger: In Wirklichkeit ist es wahrscheinlich so, dass ich Kärntnerisch besser kann als Steirisch, weil mein Vater Kärntner ist und ich dort viel Zeit auf dem Land verbracht habe. Man hört aber trotzdem, dass ich keine Kärntnerin bin, und ich finde es immer etwas anmaßend, wenn man so tut als ob. Vor allem, weil so viele wirkliche Kärntnerinnen und Kärntner mitspielen, da wäre der Unterschied größer gewesen.

STANDARD: Könnte die Geschichte des Landkrimis überall spielen, oder ist das etwas spezifisch Kärntnerisches?

Hierzegger: Solche Dramen finden wahrscheinlich überall statt. Man verwendet aber natürlich Versatzstücke, die es nur dort gibt. Das Konzept der Landkrimis ist, dass es so spezifisch wie möglich wird, dass man sich die Eigenheiten und Bräuche einer Gegend genau ansieht. Man muss da aber auch etwas loslassen, das soll ja kein Heimatfilm werden.

STANDARD: Die Landschaft spielt ja auch eine Rolle. Das Land Kärnten finanziert mit und ist sicher nicht beleidigt, wenn schöne Landschaftsaufnahmen zu sehen sind. Es ist auch eine Art von Tourismuswerbung. Wird reinregiert?

Hierzegger: Gar nicht, oder vielleicht ist es auch nur nicht zu mir durchgedrungen. Schuld ist der Oktober 2019, der so schön war. Wir haben es extra in den Herbst gelegt, damit wir Nebel und schlechtes Wetter haben. Es war aber so warm, dass wir Ende Oktober mit dünner Jacke draußen gesessen sind. Ich habe keinen Druck gespürt, dass ich jetzt irgendwelche Wasserfälle oder Berge ins Drehbuch schreiben muss. Im Gegenteil: Ich war am Anfang der Schreibarbeit in Obervellach, um mir den Ort und die Landschaft anzuschauen, und habe das sehr hübsch gefunden. In Wirklichkeit ist das eine sehr belebte, schöne Gegend mit Geschäften und Lokalen. Im Film haben wir eine größere Einsamkeit behauptet.

Kärntner Idylle mit Jutta Fastian und Pia Hierzegger.
Foto: ORF/Mona Film/Tivoli Film/Helga Rader

STANDARD: Die Kärntner werden nicht unbedingt nur vorteilhaft dargestellt. Abgesehen von den Verbrechen wird viel gesoffen, geraucht und intrigiert. Wollten Sie ein authentisches Bild zeichnen?

Hierzegger: Vielleicht stimmt es nicht für Obervellach, aber wohl für den Rest Österreichs und somit Kärntens. (lacht) Natürlich saufen und rauchen nicht alle, es bringen auch nicht alle Leute um, das ist eine Verdichtung. Alkohol ist dennoch ein Problem in Österreich.

STANDARD: Was auffällt, ist, dass viele Protagonisten in dem Film rauchen, was mittlerweile ja eine Seltenheit ist. In Deutschland zum Beispiel wird in den Krimis aus erzieherischen Gründen gar nicht mehr geraucht. Wie sehen Sie das?

Hierzegger: Ich habe immer nur eine Zigarette in der Hand, die ich aber nie anzünde, weil ich im Film meinen Kindern versprochen habe, dass ich mit dem Rauchen aufhöre. Ich weiß, dass es immer wieder heißt, dass man in Deutschland nicht unbedingt zeigen soll, dass ständig Leute rauchen. Der Landkrimi erinnert ein bisschen an einen Western, und im Western rauchen halt viele. Vieles entsteht erst beim Drehen – und die Schauspielerin oder der Schauspieler sagt dann: Meine Figur würde wahrscheinlich rauchen, somit wird das genommen. Das muss gar nicht im Drehbuch stehen. Wenn jemand mit Waffen herumrennt, ruft komischerweise kein Sender an und meint, dass das ein schlechtes Vorbild wäre.

STANDARD: Das Rauchen fällt auf.

Hierzegger: Ja, es fällt wahrscheinlich mehr auf als früher. Genauso wie es jetzt mehr auffällt, wenn sich in einem Film Leute nahekommen und umarmen.

STANDARD: Das ZDF ist als Koproduzent an Bord. Schimpfwörter wie "Toka", was für Trottel steht, sind keine Seltenheit. Wird der Landkrimi für Deutschland synchronisiert, weil die Zuseher den Dialekt nicht verstehen?

Hierzegger: Oft ist es so, dass es eine deutsche Version gibt und ein paar Schimpfwörter oder Spezialausdrücke, die sich nicht aus dem Zusammenhang erklären, synchronisiert werden. Meine Figur spricht ja relativ hochdeutsch. Der Robert Stadlober und Johannes Flaschberger mussten vielleicht aber noch ein paar Wörter einsprechen, was ich weiß.

Robert Stadlober in "Waidmannsdank".
Foto: ORF/Mona Film/Tivoli Film/Helga Rader

STANDARD: Im Zusammenhang versteht man ohnehin meist, dass es sich um ein Schimpfwort handelt.

Hierzegger: Das Lokalkolorit wird ja auch in Deutschland gerne gesehen und gehört. Aber wenn es nicht mehr zu verstehen ist, ist das natürlich blöd. Ich glaube, dass das ZDF zwar aufpasst, aber möglichst viel behalten möchte.

STANDARD: Wie war für Sie die Doppelrolle? Einerseits Schauspielerin, andererseits die Drehbuchautorin zu sein?

Hierzegger: Ich sehe ein Drehbuch als Gebrauchstext, das ist wie ein Rezept. Es kommen so viele Sachen dazu. Der Regisseur und der Kameramann haben auch Bilder im Kopf, die sie umsetzen wollen. Und die Schauspieler und Schauspielerinnen kennen ihre Figuren dann meistens besser als ich. Sie beschäftigen sich so lange damit, dass sie etwas Eigenes daraus machen. Ich finde, man muss es freigeben, nur die Konstruktion des Krimis darf nicht verlorengehen. Ich bin als Schauspielerin die Erste, die an einem Text etwas ändert, wenn es unnatürlich klingt. In Wirklichkeit ist es ein Gemeinschaftsprojekt.

STANDARD: Die Dreharbeiten wurden im November 2019 abgeschlossen, also vor der Corona-Pandemie. Wie froh sind Sie im Nachhinein, dass Sie das beim Drehen nicht miterleben mussten?

Hierzegger: Sehr froh. Diese ganze Unbeschwertheit. Es ist nicht so, dass beim Film ständig gefeiert wird, aber man freut sich natürlich, wenn man die Leute, mit denen man am nächsten Tag eine Szene dreht, am Abend noch trifft und gemeinsam alles noch einmal durchgeht. Oder wenn es ein Fest gibt, nachdem die Hälfte des Films geschafft ist. Ohne Corona hatte man den Kopf frei für die Arbeit.

STANDARD: Wie geht es Ihnen in der Pandemie?

Hierzegger: Der erste Lockdown war einfacher. Wenn man etwas zum ersten Mal erlebt, ist es aufregender und man versucht sich zu arrangieren. Jetzt ist es sehr mühsam. Erstens kommt die Krankheit immer näher und trifft immer mehr Leute, die man kennt. Zweitens ist das, was ich auf der Bühne gespielt hätte, alles abgesagt. Es ist zwiespältig. Es geht mir nicht um Selbstverwirklichung, aber es gibt Dinge, die sind für mich nicht verständlich. Ich denke, dass ein Museum ein Platz ist, wo man sich nicht ansteckt, oder dass man vor weniger Publikum durchaus spielen könnte. Natürlich ist es schwer zu entscheiden, wo man die Grenze zieht. Nur wenn die Waffengeschäfte offen sind, die Buchgeschäfte aber nicht, ist das schwer zu verstehen. Schließlich gibt es auch Leute, die beruflich Bücher kaufen und lesen müssen.

STANDARD: Fehlt es da am Stellenwert und Respekt vor Kunst und Kultur?

Hierzegger: Das glaube ich gar nicht. In der ersten Phase im März hat es einen großen Aufschrei der Kultur gegeben. Das war gut und laut. Ich denke, dass wir meist eh gehört werden. Wir haben zum Glück eine gute Lobby. Es gibt sicher Branchen, wo das viel schwieriger ist. Die Menschen, die zu uns ins Theater im Bahnhof gekommen sind, als noch gespielt werden konnte, haben das sehr wertgeschätzt. Wenn wir über Zoom oder andere Videoplattformen Theater machen, gibt es auch großen Zuspruch. Den Leuten ist bewusst, wie wertvoll Kunst ist. Und andererseits spürt man, dass man nicht zu denen gehört, die unabkömmlich sind. Das heißt, dass man nur ein Zweitnahrungsmittel ist. (Oliver Mark, 13.12.2020)