Im Sommer 2017 brach der riesige Eisberg A-68 vom Larsen-C-Schelf an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel ab. Drei Jahre lang dümpelte der 175 Kilometer lange und auf eine Masse von einer Billion Tonnen geschätzte Gigant anschließend in unmittelbarer Nähe seines Ursprungsorts herum. Erst im vergangenen Sommer löste er sich endgültig und driftete aufs offene Meer hinaus.
Und er hat einen Kurs eingeschlagen, der für Probleme sorgen könnte: Die Europäische Weltraumorganisation, die A-68 laufend per Satellit überwacht, hat nun nämlich gemeldet, dass der Eisberg direkt auf Südgeorgien zutreibt. Ein paar Teilstücke sind von ihm in der Zwischenzeit zwar schon abgebrochen – der verbliebene Hauptteil des Eisbergs ist aber immer noch so groß wie die Insel selbst.
Genau genommen handelt es sich um die Hauptinsel eines kleinen Archipels im Südatlantik, der zum Hoheitsgebiet Großbritanniens gehört. 1.400 Kilometer von der südamerikanischen Küste entfernt und nur saisonal von ein paar Forschern und Verwaltungsbeamten bewohnt, schafft es Südgeorgien nur selten in die Schlagzeilen. Etwa 2014, als die örtliche Rentierpopulation ausgemerzt wurde. Die Tiere waren ein Jahrhundert zuvor am "falschen" Ende der Welt ausgesetzt worden und hatten sich dort so gut zurechtgefunden, dass sie zum Problem für die Inselflora wurden. 2018 wurde dann auch den eingeschleppten Ratten der Garaus gemacht.
Und nun droht Südgeorgien das nächste ökologische Desaster – diesmal durch den Eisberg, der aktuell noch etwa 350 Kilometer von der Insel entfernt ist. Experten befürchten, dass A-68 in den flachen Gewässern vor der Insel "vor Anker gehen" wird. Alles, was dort am Meeresboden lebt, würde er zerquetschen. Und damit nicht genug: Er würde auch die Inselfauna in Bedrängnis bringen, wenn er Pinguinen und Robben den Weg zu ihren Jagdgründen versperrt. Als dort im Jahr 2004 der Eisberg A-38 strandete, wurden im Anschluss zahlreiche tote Pinguinküken und Robbenbabys an der Küste gefunden.
Noch hoffen die Forscher, dass die Strömungen A-68 um Südgeorgien herumführen und in wärmere Gewässer tragen könnten, wo er weiter zerfallen würde. Wenn er aber die Insel doch trifft, wird sie lange von ihm gezeichnet sein: Bis zu zehn Jahre kann es Berechnungen zufolge dauern, bis der Gigant abgeschmolzen ist. (jdo, 11.12.2020)