Verruchte Normbrecherinnen in Lack und Mieder: Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl verschicken bezaubernde "Seasonal Greetings".

Jakob Lena Knebl, Bildrecht, Wien, 2020

Warum mit Klischeebildern brechen, wenn es sich so herrlich darin posieren lässt? Eben. Also her mit den spitzen Hüten, langen Nasen, grauslichen Warzen, penetrationsverdächtigen Besenstielen! Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl treiben im Kunsthaus Bregenz lustvoll auf die Spitze, was Mär und Mythos von der bösen Hexe hergeben, giftgrüner Märchenwald, Knusperhäuschen, durch die Lüfte reitende Pappfiguren und fieses Gelächter vom Tonband inklusive.

Das Setting mag zwar ein wenig danach aussehen, ein Kindergeburtstag ist die grausame Geschichte der Hexenverfolgung aber bekanntlich nicht. Auf die Spitze getrieben wird hier also gewissermaßen auch die Diskrepanz zwischen der ungebrochenen Popularität einer schaurigen Märchenfigur und der Hexe als Inbegriff für die Stigmatisierung des Anderen, Fremden, aus der Norm Fallenden.

Bedenkt man die Analogien zwischen Hexenverfolgung und pandemischen Seuchen – die eifrigsten Hexenjäger des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit beschuldigen ihre Opfer, die Pest zu verbreiten –, dann gesellt sich zu den "Seasonal Greetings" (so der Ausstellungstitel), die jetzt aus dem Kunsthaus Bregenz verschickt werden, auch eine gute Portion abgründiger Humor.

Hexe als Role-Model

Selbstredend spielt bei Knebl und Scheirl speziell auch die sexuelle Konnotation der Hexe und ihre Funktion als Role-Model für feministische und queere Selbstermächtigung eine Rolle. Die Künstlerinnen, die auch privat ein Paar sind, sind die Galionsfiguren der queeren Kunstszene in Österreich und derzeit schwer angesagt – ihr Beitrag für den Österreich-Pavillon auf der nächsten Kunstbiennale in Venedig wird mit Spannung erwartet, auch insofern ist dem Bregenzer Kunsthaus-Chef Thomas D. Trummer mit der Einladung nach Bregenz ein Coup gelungen.

Bekannt ist das Duo für schrill-bunte Installationen, im Vergleich dazu kommt das Erdgeschoß des Kunsthaus Bregenz bemerkenswert blass daher. Es dominieren kalte Blautöne, man sieht eine zerklüftete Landschaft aus Eisschollen, mittendrin ein von Eisglaslampen umgebenes, im Untergang begriffenes Vintage-Sofa. Caspar David Friedrichs Gemälde Das Eismeer, lange Zeit fälschlicherweise als Die gescheiterte Hoffnung betitelt, stand hier Pate, die Übersetzung der Malerei aus dem frühen 19. Jahrhundert in den Raum geht mit ein paar motivischen Umdeutungen einher, soll aber dennoch eine Fährte vom restaurativen Klima des Vormärz zu den Verwerfungen der Gegenwart legen. Wobei die im Raum verteilten Manifeste und Flugblätter aus der Zeit der Märzrevolution stammen, während die Künstlerinnen der Schau ihren eigenen Schlachtruf voranstellen, der da lautet: "Aufgerüttelt durch apokalyptische Visionen muss sich die Gesellschaft neu erfinden."

Identitäten wechseln

Eigentlich, so Knebl im Rahmen des Pressegesprächs zur Ausstellung, hätten sie gar nicht mit dem Thema Corona arbeiten wollen, durch die Hintertür kommt die alles bestimmende Pandemie-Erfahrung dieses Jahres dann aber doch immer wieder daher. Und zwar aus durchaus nachvollziehbarem Grund: Immerhin ist die Frage, welchen Impact politische, soziale und technologische Umwälzungen auf soziale Verhaltensformen und aktuelle Körperbilder haben, ja auch über die akute Gegenwart hinaus höchst relevant.

Zumal für die Protagonistinnen einer Kunst, die sich mit und am eigenen Körper durch wechselnde Geschlechteridentitäten und -zuschreibungen performt. Zwei Stockwerke bespielen Scheirl und Knebl gemeinsam, jeweils eines solistisch. Woraus sich die schöne Möglichkeit ergibt, das, was in den raumgreifenden Installationen zusammenfließt, auch in seinen "Einzelteilen" zu betrachten.

Was bei Ashley Hans Scheirl, geboren 1956 als Angela Scheirl in Salzburg, in Bezug auf den Körper wörtlich zu verstehen ist: Frei durch den Bildraum flottierende Hoden, braune Kothäufchen, comicartig skizzierte organische Prozesse trifft man auch in ihrem im obersten Stockwerk des Zumthor-Baus eingerichteten "Labor" an: Scheirl widmet sich hier in erster Linie der Zeichnung, die sie auf Pappwabenplatten überträgt und auf Metallgestellen platziert eine neue Funktion als Raumobjekte zuweist. Da begegnet man Krawatten auf zwei Beinen ebenso wie einer von der Decke hängenden Spritze, die auf die eigenen Testosteron-Behandlungen verweist.

Knebls Begehrensräume

Jakob Lena Knebl, 1970 als Martina Egger in Baden bei Wien geboren, setzt wiederum ihr Konzept der mit Versatzstücken aus Mode, Design und Kunstwelt möblierten "Begehrensräume" fort: Sie inszeniert sich darin als romantische Sarah-Kay-Figur, die zwischen Brutalismus, Rokoko und gebastelten Strumpfblumen heiter die Aufhebung der Grenzen zwischen High und Low, Nippes und Kunst, Konservativismus und Zeitkritik zelebriert.

Da wie dort stößt man auf ein vielschichtiges Netz an Bezügen und Verweisen, die mit der gebotenen Exzentrik, aber auch mit einer ganzen Menge Humor an gesellschaftlichen Fragen rühren.

Umso erstaunlicher eigentlich, dass eine breite Rezeption dieser Werke auf sich warten ließ, bis das Transgender-Thema auch im Kunstbetrieb zur Mode wurde. Die Biennale kann jedenfalls kommen. (Ivona Jelcic, 12.12.2020)