Was für die einen Abfall ist, ist für die anderen neuer Rohstoff: Der Schlamm aus Kläranlagen kann vielfach wiederverwertet werden.

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Wo in der Kläranlage der ganze Dreck zusammenkommt, ist die Brühe braun: eine Mischung aus Stuhl, Urin, Klopapier und benutztem Wasser vom Duschen oder Geschirrspülen. Das ist wenig appetitlich, aber nach dutzenden Reinigungsschritten ist das Wasser irgendwann tatsächlich wieder trinkbar. Übrig bleibt der sogenannte Klärschlamm – salopp formuliert: der Dreck und die Scheiße. Die wenigsten wollen damit etwas zu tun haben, für Daniel Scheiböck-Ortner steckt genau darin das größte Potenzial.

"Für viele ist das Thema unsexy. Besonders wenn man so etwas am Frühstückstisch besprechen will – außer vielleicht bei mir daheim", sagt der 24-jährige Oberösterreicher und grinst. Daniel Scheiböck-Ortner hat auf seinem Schreibtischsessel in einem Büro im Business- und Innovationszentrum in Wels Platz genommen. Das Büro ist im Moment noch spärlich eingerichtet, zwei Schreibtische, ein paar Sessel und ein Beamer. Der Jungunternehmer entspricht optisch dem Klischee eines BWLlers, hat aber Biotechnologie studiert. Er trägt ein gestreiftes Hemd, eine breite Brille, die Haare sind nach hinten gegelt. Vor wenigen Monaten gründete er – gemeinsam mit vier anderen – das Unternehmen Green Sentinel. Green Sentinel ist so etwas wie ein Recyclingbetrieb, der den Dreck anderer wiederverwerten und damit massenhaft CO2 sparen will.

Daniel Scheiböck-Ortner vor dem Business- und Innovationszentrums in Wels (Oberösterreich).
Foto: Jakob Pallinger

Düngemittel

Denn im Klärschlamm sehen Menschen wie Scheiböck-Ortner eine Reihe nützlicher Ressourcen. Da wäre einerseits Phosphor, also jener Stoff, der für alle Lebewesen bei der DNA und Energieversorgung eine wichtige Rolle spielt. Weil Klärschlamm eine hohe Menge an Phosphor enthält, wurde der Schlamm früher als Düngemittel in großem Stil auf den Feldern ausgebracht. Dadurch gelangten jedoch auch andere im Klärschlamm enthaltene Schadstoffe in die Böden, weshalb das Verfahren in Österreich mittlerweile stark eingeschränkt ist. Anstatt den gesamten Klärschlamm auszubringen, will Scheiböck-Ortner nur den Phosphor zurückgewinnen, der dann wieder als Düngemittel verwendet werden kann.

Aber das größte Potenzial liegt für den Jungunternehmer nicht im Phosphor, sondern im getrockneten Schlamm. Dieser kann nämlich verheizt werden. Als Heizstoff könnte Schlamm eines Tages zumindest teilweise fossile Energien wie Kohle und Heizöl ersetzen und – glaubt man dem Unternehmer – bis 2030 bis zu 25 Prozent an Emissionen in Österreich einsparen. Es ist ein Rohstoff, der "nachwächst", wie es Scheiböck-Ortner ausdrückt, und damit CO2-neutral ist.

Schlamm im Überfluss

Material gibt es jedenfalls genug: Rund 235.000 Tonnen getrockneter Klärschlamm fallen jedes Jahr in Österreich an, in den kommenden Jahren könnten es noch einige mehr werden. Mehr als 1800 Kläranlagen reinigen rund um die Uhr unsere Abwasser. Geht es nach Scheiböck-Ortner, sollen ebenjene Kläranlagen in Zukunft mit den Recyclinganlagen ausgestattet sein, um die Materialien aus dem Schlamm zu gewinnen.

Auftrieb erhält die Idee durch die Novellierung der Klärschlammverordnung in Deutschland. In den nächsten Jahren müssen dort alle mittleren und größeren Kläranlagen Phosphor aus dem Schlamm rückgewinnen. Auch deshalb werden die ersten Recyclinganlagen von Oberösterreich nach Deutschland gehen.

Phosphor aus Ausland

In Österreich dauert das alles etwas länger. Einen Plan für die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm gibt es bis dato noch nicht, ein guter Teil des Phosphors muss hierzulande aus dem Ausland zugekauft werden. Das Interesse am Recycling sei laut Unternehmen aber auch hierzulande hoch.

Bis alle 1800 Kläranlagen in Österreich mit dem Recycling ausgestattet sind, wird es aber wohl noch einige Zeit dauern. Scheiböck-Ortner hat trotzdem kaum Zeit zu verlieren – täglich trudeln neue Anfragen herein. "Zeit ist Geld", sagt er. Schon im nächsten Jahr soll der erste seiner Recyclingcontainer für die Kläranlagen fertigproduziert sein. (Jakob Pallinger, 14.12.2020)