Die einen beschweren sich über volle Hörsäle, die anderen gehen erst gar nicht hin und sorgen für leere Sitze. Die Gründe sind vielfältig.

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Partys feiern, spät aufstehen und ab und zu einmal ein Besuch im Hörsaal. Das Bild der "faulen Studierenden" ist noch immer ein gängiges Klischee. Wenn man sich die Statistik anschaut, könnte man sich darin bestätigt fühlen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Studierenden ist "prüfungsaktiv" – das heißt, sie absolvieren pro Jahr Vorlesungen und Seminare, die 16 ECTS-Punkte "wert" sind. Das ist etwa ein Viertel der Punkteanzahl, die Studierende schaffen müssten, wenn sie ihr Studium in der Mindeststudienzeit abschließen wollen.

Zwischen vierzig und fünfzig Prozent der Studierenden erreichen in den ersten zwei Semestern keinen einzigen ECTS-Punkt. Sie sind die sogenannten "No-Shows", erklärt Martin Unger, Hochschulforscher am Institut für Höhere Studien (IHS), und tauchen einfach nie an der Universität auf.

Da erscheint es nur logisch, dass Wissenschaftsminister Heinz Faßmann Studieren "verbindlicher" machen will. Mit dem nächsten Studienjahr müssen Studierende in den ersten vier Semestern 24 ECTS-Punkte nachweisen, sonst werden sie exmatrikuliert – also von der Uni geworfen. Für zehn Jahre.

Die Ablehnung dieser Regelung unter Studierendenvertretern und einigen Professorinnen und Professoren ist hoch. Eine Petition gegen "Noch mehr Leistungsdruck im Studium" steht derzeit bei über 20.000 Unterschriften.

Neben den Statistiken zur Prüfungsaktivität der Studierenden gibt es nämlich eine andere Realität. Die Studierendensozialerhebung zeigt, dass 65 Prozent der Studierenden erwerbstätig sind. Psychische Belastungen steigen. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl jener Studierenden, die mindestens eine stressbedingte Schwierigkeit angeben, von 47 auf 57 Prozent gestiegen.

Orientierungslosigkeit und Stress

Davon weiß auch Christian Schöpf, Leiter der Studienberatungsstelle Innsbruck, zu erzählen. Er ärgert sich über die Maßnahme des Wissenschaftsministeriums. "Da schwingt ein falsches Bild von Studierenden mit. Nämlich dass sie faul sind und sich nicht bemühen." Das Timing sei zudem sehr schlecht. Gerade während der Corona-Pandemie haben die Studierenden mit viel psychischem Druck zu kämpfen, wie eine aktuelle Studie zeigt. 36 Prozent der Befragten litten demnach an Ängsten und depressiven Verstimmungen.

Wenn Studierende keine Prüfungen ablegen, könne das viele Gründe haben, Faulheit sei es sehr selten, sagt Schöpf. Den großen Teil der Studierenden, die in den ersten beiden Semestern keine Prüfungen ablegen, erklärt er sich unter anderem mit Orientierungslosigkeit.

Die Leiterinnen und Leiter der Universitäten sind über die Universitätsgesetzesnovelle dennoch froh. "Ich sehe das als einen richtigen Schritt in die Richtung zu mehr Verbindlichkeit seitens der Studierenden, und das halte ich für legitim", sagt Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien, zum STANDARD. An ihrer Uni erreichen derzeit 7.000 keinen einzigen ECTS-Punkt. Das sind mehr als 30 Prozent aller Studierenden. 4.500 Studierende absolvieren weniger als zwölf ECTS-Punkte und würden nach der neuen Regelung exmatrikuliert. Auch wenn Studierende nicht auftauchen, verursachen sie Verwaltungskosten, sagt die Rektoren. Die will sie sich in Zukunft sparen. (Lisa Kogelnik, 14.12.2020)