Heute sind die einstigen "Contergan-Kinder" um die 60 Jahre alt.

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Aachen – Vor 50 Jahren ist der Contergan-Prozess in Deutschland abrupt zu Ende gegangen: Das Landgericht Aachen stellte am 18. Dezember 1970 den Strafprozess gegen den Chef und acht Mitarbeiter des damaligen Contergan-Herstellers Grünenthal ein. Nach zweieinhalb Jahren Dauer war zuvor ein Ende nicht absehbar gewesen. Danach aber hatten die Eltern der mit schweren Missbildungen geborenen "Contergan-Kinder" einen Vergleich geschlossen.

Grünenthal zahlte 100 Millionen D-Mark (51,1 Millionen Euro). Die Aufarbeitung des Arzneimittelskandals mit noch etwa 2.500 in Deutschland lebenden Geschädigten dauert immer noch an. Heute sind die einstigen "Contergan-Kinder" um die 60 Jahre alt. Viele von ihnen wurden mit verkürzten Gliedmaßen geboren. Ihre Mütter hatten in der Schwangerschaft das seit 1957 erhältliche rezeptfreie Schlafmittel Contergan genommen. Das thalidomidhaltige Medikament wurde im November 1961 aus dem Handel genommen.

Staatliche Rente für österreichische Contergan-Opfer

In Österreich waren damals nur wenige Fälle registriert worden, weil das Medikament hier nicht rezeptfrei erhältlich war. Der Nationalrat hat 2015 eine staatliche Rente für rund 25 Contergan-Opfer beschlossen, denen keine Leistungen nach dem deutschen Conterganstiftungsgesetz zustehen.

Das Geld von Grünenthal ging in eine Stiftung, der Bund in Deutschland zahlte ebenfalls 100 Millionen D-Mark, doch die Summe ist längst aufgebraucht. Seit 1997 kommen die Mittel für die Pensionen aus dem Bundeshaushalt. 2012 bat Grünenthal die Betroffenen um Entschuldigung – für das lange Schweigen. Im selben Jahr wurde die Grünenthal-Stiftung zur Unterstützung von Thalidomidbetroffenen gegründet. 2016 entschuldigte sich das Bundesland Nordrhein-Westfalen bei Contergan-Opfern für die Rolle der Behörden.

Als Konsequenz aus dem Contergan-Skandal wurde in den 1970er-Jahren in Deutschland ein neues Arzneimittelrecht geschaffen, das viel mehr von Kontrolle und Überwachung geprägt ist. Zuvor gab es keine präventive Prüfung auf Sicherheit und Wirksamkeit der eingesetzten Stoffe. Neue Arzneimittel mussten dem damaligen Bundesgesundheitsamt ohne eine vorherige Prüfung nur angezeigt werden. Heute – auch in der Corona-Pandemie ist das deutlich geworden – gibt es gesetzliche Auflagen zur Überwachung. (APA, 14.12.2020)