Zweimal ein halbes Jahrhundert, vier Weltmeisterschaften in der Formel 1, ein Titel pro Viertelsäkulum. Solche Rechnerei ist natürlich reiner Humbug, lassen wir die Zahlenspielereien, sprechen wir von jenen Motorsportlern, die durch ihre Leistungen Österreich zu einer Weltmacht im Rennsport machten: Jochen Rindt und Andreas "Niki nazionale" Lauda. Heute wäre vielleicht Rindt mit 78 Jahren ein hoher Fia-Funktionär, Lauda mit strammen 71 weiterhin gesuchter Gast in TV-Talkshows.

Der Versuch lohnt sich, ihre Gemeinsamkeiten in den Biografien aufzustöbern. Rindt und Lauda stammten aus wohlsituierten Industriellenfamilien, Letzterer durfte sich sogar "von" nennen, da die Laudas 1916 in den Adelsstand erhoben wurden. Großbürgerliche Erziehung beidseits (legendär Laudas Handkuss bei Fürstin Gracia Patricia in Monaco), Autoleidenschaft von Kindesbeinen an. Ebenfalls für beide gilt: Matura geschafft. Und: Das Durchtreten eines Gaspedals schien fast eine Selbstverständlichkeit.

Zwei Helden im Siegeskranz:
Jochen Rindt, der 1962 in Aspern auf Alfa Romeo Giulietta TI triumphierte, barhäuptig...
Foto: APA / Aspern Revival

Rindt bemühte sich, den Streckenrekord zwischen Bad Aussee (Schule) und Graz zu unterbieten, Lauda entdeckte Wiens Höhenstraße als perfekte Teststrecke, inklusive Störfällen im Straßengraben. Kaum beachtet blieben diese ersten Schritte ihres Aufstiegs in den Motorsport-Olymp.

Meine erste Begegnung mit Jochen Rindt erfolgte am 7. Oktober 1961 beim Flugplatzrennen in Innsbruck, das jährliche Finale der Rundstreckenmeisterschaft. "San Sie der Löwinger?", fragte mich ein Youngster in schönstem Schwarzenegger-Deutsch, die Sprache erlangte später Kultstatus. Ich verneinte, der gesuchte Willy Löwinger, damals Herrscher über alle Flugplatzrennen, starrte aber aus seiner Zigarrenwolke auf die undefinierbaren Schuhe des 19-jährigen Steirers, die kein Schuhband zusammenhielt. Rindt wollte mit seinem nicht konkurrenzfähigen Simca Montlhéry mitfahren, es reichte dann immerhin zum sechsten Klassenplatz.

Reden wir später weiter

Neun Jahre später, Monza, Formel-1-Training, 5. September 1970: Rindt und ich saßen auf der Boxenmauer, Gattin Nina notierte sinnlos Zeiten, da sprang er mit den Worten "Reden wir später weiter, ich drehe ein paar Runden" in den Unglücks-Lotus, das war es. Experten meinten später, Lauda wäre das nie passiert, zu akribisch beim Thema Sicherheit. Die Frage nach dem größeren Fahrpotenzial endet eindeutig 1:1 – zwei Jahrhunderttalente mit unterschiedlichem Zugang zum Rennsport.

Rindt galt als Draufgänger, er musste nicht mühevoll Geld auf stellen, endlos die Liste der von ihm extrem bewegten Fahrzeuge. Burschikos beim Bier im Feuerwehrzelt, ein Nationalheld wie Toni Sailer. In jenen Tagen waren alle Rennstars Helden zum Anfassen, man war privat befreundet trotz aller Konkurrenz, das Fahrerlager – ein Kirtag.

... Niki Lauda (hier 1977 nach dem Sieg des Deutschland-GPs) mit Kapperl.
Foto: imago

In Rindts Todesjahr schlug sich Lauda noch mit einem McNamara Formel III (später einem Porsche 908) zwischen Imola und Thruxton mit der großen Schar ambitionierter Amateure herum. Frühe nationale Gehversuche auf Mini Cooper oder Porsche 911 zeigten keine Genieindikatoren. Ford setzte Rindt 1964 in einen Formel II Brabham BT Cosworth, Lauda dagegen ging unglaubliche finanzielle Risiken ein, um in die Formel 1 zu gelangen.

Sonnyboy und kühler Rechner

Auf der einen Seite also der Sonnyboy Rindt, der mit seiner eigenen Show in Wien auch kaufmännisches Talent bewies, Lauda dagegen der ernste, kühl rechnende Partner ohne große Emotionen mit seltenem Fingerspitzengefühl für Speed.

Ich durfte ihm 1970 sein erste internationale Saison managen. Die Bussi-Bussi-Gesellschaft lehnte Lauda ab, zum zweiten Lebensinhalt wurde die Fliegerei. In dieser Zeit wandelte sich die Showtruppe Formel 1 von einer mit – trotz Lebensgefahr – viel Spaß tingelnden Truppe zu einem straff geführten Unternehmen mit einem Fahrerlager als Hochsicherheitstrakt, die richtige Welt für den kühlen Lauda.

Dort tummeln sich heute ehemalige Kart-Matadore, meist gezeichnet durch Egoismus und Härte. Jochen Rindt hatte viele Freunde, die Samstagstreffen im Kaffee Gerstner-Köberl auf der Wiener Kärntner Straße sind unvergessen, Niki Lauda dagegen ließ nur einen beschränkten Kreis von Menschen an sich heran.

Wären Rindt und Lauda Freunde geworden? Schwer zu beantworten. Vielleicht als anerkennende Partner für die Leistungen des anderen. (Peter Urbanek, 28.12.2020)