Aber in der Sekunde habe ich zu schimpfen angefangen, dass sogar der Mundl kurz die Luft angehalten hätte. Das war damals, als ich die ersten Infos über den neuen Defender bekam. Eine Welt brach in sich zusammen. Land Rover gab bekannt, dass der Neue keinen Leiterrahmen mehr haben wird, sondern eine selbsttragende Karosserie. Sie werden also aus dem legendären Geländewagen einen schnöseligen SUV machen. Und die Bilder bestärkten diese Annahme auch noch. Ende Gelände – Ende Legende.

Der neue Defender. Ist er ein schnöseliger SUV oder eh noch ein Geländewagen?
Foto: Guido Gluschitsch

Doch ich habe mich schnell gefangen. Ich werde es nicht ändern können. Was ich aber kann, beschloss ich, ist, diesen verfluchten Arbeitstag vorzeitig beenden, den Computer abdrehen, die dreckige grüne Hose mit den auf genähten Taschen an den Oberschenkeln anziehen, ein paar feste Bock dazu und gach eine Runde mit einem alten Defender im Gelände umackern.

Der legendäre Defender, hier das Jubiläumsmodell zum 70. Geburtstag, mit dem bulligen V8.
Foto: Jaguar Land Rover

Da standen wir dann. Der Eckige und der Dreckige. Er auf seinen schmalen Geländereifen, ich in den Stiefeln. Und dann machten wir uns her, über Steine, Felsen, Auf- und Abfahrten, die man zu Fuß nicht bezwingen möchte. Wenn er sich über eine Verschränkung besonders gefreut hat, hat er ein Radl gehoben. Manchmal hat er ein Steinderl geschmissen. Beim Schalten krachte er bestätigend mit seinem Getriebe.

Ein besonders böses Bild aus dem Land-Rover-Archiv. Britischer Humor eben.
Foto: Jaguar Land Rover

Am nächsten Tage krachte ich. Auf der Liege von so einem Wunderdoktor, der einem mit etwas Hokuspokus und viel roher Gewalt die Wirbel wieder einrenkt. War es die Mischung aus Schweiß und Zugluft? Die elendige schiefe Sitzposition? Die miesen Sitze? Vermutlich bin ich einfach auch nur schon zu alt, um mit so einem Auto deppert zu sein. Jedenfalls fiel mir da bei einem Wirbelkracher ein, dass es vielleicht doch einiges zu verbessern gibt beim Defender. Nur eine Legende zu sein ist vielleicht doch zu wenig. Die Zeiten ändern sich, wie ich am eigenen Körper erfahre.

Der neue Defender ist komfortabel und modern. Im Gelände fährt er Kreise um den Alten, auch wenn er nun keinen Leiterrahmen mehr hat. Und für die Reifen können wir nix.
Foto: Guido Gluschitsch

Eine Kleidergröße später steht er dann auf einmal vor mir. Der Neue. Das unschuldige Weiß mag den imposanten Eindruck nicht schmälern. Auf den Fotos hat er so knuffig ausgeschaut. Jetzt überlege ich, dass ich daheim beim Einparken aufpassen muss. Wenn ich unseren Fiesta übersehe und draufparke, wird der Unfallbericht vermutlich im Netz viral gehen, wie es jetzt so unendlich deppert heißt.

Sehr modern wurde das Heckdesign.
Foto: Guido Gluschitsch

Vorurteile

Zwischendurch kommt einem dann allein schon wegen der Höhe des Wagens ein Schmunzeln aus. Etwa wenn man auf einer mehrspurigen Straße an der roten Ampel steht und nicht feststellen kann, ob in dem Angeber-SUV die eigenen Vorurteile bestätigt werden, weil man einfach zu hoch sitzt, um reinschauen zu können. Das andere Mal schmunzelt man unweigerlich, wenn man auf der Motorhaube die Riffelblechimitate aus hochglänzendem schwarzem Plastik sieht. Wer da einmal draufsteigt, dem wird das Lachen allerdings schnell vergehen. Und beim Anblick der Schlapfen auf dem Test-Defender tauchte auf einmal auch wieder das traurige SUV-Thema auf. Straßenreifen auf schwarzen Leichtmetallfelgen. Die sind auf der Straße fesch und komfortabel, im Gelände, wo es lustig wird, aber nicht zu gebrauchen.

Auf das Riffelblech steigt man besser nicht.
Foto: Guido Gluschitsch

Da hilft es dann auch nichts, wenn der Defender eine Wattiefe von 900 Millimeter hat, wenn man im schlammigen Untergrund stecken bleibt. Oder die 294 Millimeter Bodenfreiheit und Böschungswinkel von 38 und 40 Grad, wenn man im nassen Gras picken bleibt, bevor man den verfluchten Felsspalt, den es zu überwinden gilt, überhaupt sieht.

Innen gibt es noch den bekannten Haltegriff auf der Beifahrerseite.
Foto: Guido Gluschitsch

Obwohl, um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich schon sagen, dass es an ein Wunder grenzt, was der Defender mit den Straßenbock schafft. Mit Offroad-Radln kennt er dann gar kein Halten mehr. Außer natürlich, er muss das kurz, um ein Seil zum Alten zu legen, der zu bergen ist.

Auch wenn er nun keine Leiterrahmen mehr hat, fährt der neue Defender Kreise um den Vorgänger.
Foto: Guido Gluschitsch

Innensicht

Da kann sich der Beifahrer dann genüsslich am Griff vor ihm, auf dem Armaturenträger, festhalten, damit ihn das Ruckeln beim Rausziehen nicht von den feinen Sitzen trennt. Ja, solche Spielereien, die an den alten Defender erinnern, gibt es im neuen. Eigentlich ist er aber ein Auto der Zeit, mit großem Display, jeder Menge elektronischer Helfer – wovon einige nur für die Fahrt im Gelände gebraucht werden –, feinem Leder und viel Platz.

So schaut es in der zweiten Reihe aus, und recht hell ist es auch, dank der Oberlichte.
Foto: Guido Gluschitsch

Ja, im Alltag ist das ein ganz normaler Wagen, nur halt doppelt so groß und so teuer, der einem modernen SUV in nichts nachsteht. Im Gelände aber ist er eine echte Macht, mehr noch als der alte Defender in Kombination mit einem Chiropraktiker. Welches der beiden Autos man will, entscheidet man am einfachsten mit der Wahl der Reifen. (Guido Gluschitsch, 5.1.2021)

Foto: Guido Gluschitsch