An den Corona-Massentests, hier in Salzburg, haben sich weniger Menschen beteiligt als von der Regierung erwartet.

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Wien – Die Corona-Zahlen verhalten sich in diesen Tagen nicht wie erhofft. Statt weiter substanziell zu sinken, stagnieren sie. Im Wochenvergleich steigen sie sogar: Wurden Montag vor einer Woche 2263 Neuinfizierte binnen 24 Stunden registriert, so waren es diesen Montag 2588. Welchen Anteil die Massentestergebnisse daran haben, ist jedoch unklar.

Mit dem gleichen Unklarheitsvorbehalt hat sich auch die epidemiologisch besonders relevante Sieben-Tage-Inzidenz – die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage – erhöht, von Sonntag auf Montag von 213,8 auf 217,5. Zwar bestehen hier in Österreich regional große Unterschiede, doch ein Grenzwert von 50, dessen Überschreitung Deutschland im Oktober zu einer Reisewarnung für ganz Österreich bewog, ist derzeit nur in einzelnen burgenländischen Bezirken in erreichbarer Nähe.

1000 Neuinfektionen als Ziel

Dem Simulationsforscher Niki Popper macht diese Situation Sorgen. "Schaffen wir bis zu den Weihnachtsfeiertagen keinen Wert von unter 1.000 Neuinfektionen pro Tag, müssen wir uns gut überlegen, wie nach den Feiertagen ab 7. Jänner weitere Lockerungsschritte möglich sein sollen", sagt er im STANDARD-Gespräch.

Mehr noch: Statt, wie laut derzeitigem Stand geplant, ab 7. Jänner etwa Hotels und Gastronomie unter Auflagen wiederzueröffnen, müssten sich die Entscheidungsträger, wenn die Zahlen weitersteigen sollten, überlegen, wie sie vorgehen wollen – ob mit Einschränkungen oder klareren Test-, Tracing- und Isolationsstrategien. Denn der große Nachbar Deutschland wechsle diesen Mittwoch in den strengen Lockdown und könne durchaus als Vorbild dienen, "zwar mit einer anderen Infektionsdynamik – dort steigen die Fälle, bei uns sind sie zuletzt gesunken –, aber doch mit einer niedrigeren Sieben-Tage-Inzidenz als bei uns".

"Im Laufe der Woche"

Im Bundeskanzleramt sowie im Gesundheitsministerium bestätigt man derlei Überlegungen nicht. Jedoch: "Im Laufe dieser Woche" werde man über "weitere Maßnahmen zu den Feiertagen und darüber hinaus" beraten, sagt eine Sprecherin von Minister Rudolf Anschober. Immerhin laufe die geltende zweite Covid-Schutzmaßnahmenverordnung am 23. Dezember aus. Und die geltenden Ausgangsbeschränkungen in den Nachtstunden müssen bereits am 16. Dezember verlängert werden.

Problem Massentests

Poppers relativer Pessimismus speist sich aus zwei Quellen. Nach dem soften Lockdown sei der harte Lockdown von hohen Infektionszahlen ausgegangen, sagt er. Und die Massentests hätten nicht so stark gegriffen, wie man sich das gewünscht habe. "Im Modell haben wir eine Beteiligung von drei bis sechs Millionen Menschen eingerechnet. Tatsächlich beteiligt haben sich zwei Millionen. Also haben wir weit weniger Positive identifiziert als gedacht."

Im Fall einer Massentestwiederholung müsse daher dringend geklärt werden, "wie man jene Bevölkerungsgruppen gezielt ansprechen kann, die diesmal nicht mitgemacht haben". Auch das Weihnachtsshopping schlage negativ zu Buche.

Erneut Diskussion um Schulen

Zudem fehle in der Diskussion um die heimischen Infektionszahlen ein von der Politik zu nennender Zielwert. Popper nennt zwei Beispiele: "Wollen wir, dass das Containment wieder funktioniert? Dann müssen wir die täglichen Neuinfektionen langfristig auf rund 2.000 drücken. Wollen wir eine neuerliche Grenzauslastung des Gesundheitswesens abwenden? Dann sind das 6.000 bis 8.000 neue Fälle pro Tag." Um von diesem hohen Wert herunterzukommen, hilft dann aber nur noch ein harter Lockdown.

In Deutschland steht dieser unmittelbar bevor, auch die Schulen werden ab Mittwoch auf Distance-Learning umgestellt, die Kinder sollen nach Möglichkeit zu Hause betreut werden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in einer emotionalen Rede argumentiert, dass diese Maßnahme zur Verringerung des Infektionsrisikos bei familiären Weihnachtsfeiern nötig sei.

Schulschließungen momentan kein Thema

In Österreich sind vorverlegte Schulschließungen hingegen momentan kein Thema, wie Bildungsministerium und Bundeskanzleramt auf STANDARD-Anfrage erklären. Im Ministerium verweist man darauf, dass die Schülerinnen und Schüler nach dem harten Lockdown ja erst seit einer Woche wieder zurück in den Klassen sind. Bis 23. Dezember solle der Präsenzunterricht nun regulär weitergeführt werden.

Fraglich ist allerdings noch, wie es an den Tagen nach den Weihnachtsferien weitergehen wird, die am 7. Jänner enden. Es könnte nämlich zu Terminkonflikten mit der zweiten Runde der Massentests kommen, die von 8. bis 10. Jänner mit möglichst hoher Lehrerbeteiligung über die Bühne gehen sollen.

Im Bildungsministerium betont man, dass es definitiv keine "Ferienverlängerung" geben werde. Wie dann die Massentests mit dem Schulstart zusammengehen können, sei derzeit aber noch offen, zumal die organisatorischen Details zu den Testungen noch verhandelt werden. (Irene Brickner, Theo Anders, 14.12.2020)