Niki Popper kämpft in der Corona-Lage mit neuen statistischen Unschärfen.

foto: apa/herbert Neubauer

Wien – Die Corona-Neuinfektionszahlen in Österreich sinken anscheinend nicht so wie erhofft. Das nährt Vermutungen über erneute Verschärfungen, vielleicht schon rund um Weihnachten – zumal die aktuelle Covid-Schutzmaßnahmenverordnung nur bis 23. Dezember gilt.

Wie es konkret weitergehen soll, will die Regierung im Lauf dieser Woche entscheiden. Das Ausmaß erfasster Neuinfektionen spielt bei diesen Erwägungen eine zentrale Rolle.

Unschärfen

Doch laut dem Simulationsforscher Niki Popper ist die Analyse dieser Zahlen und damit die Einschätzung der Virustätigkeit im Land derzeit besonders schwierig – und zwar über die bekannten Unschärfen wegen unterschiedlicher Einmeldetermine von Labors und Gesundheitsämtern ins Epidemiologische Meldesystem (EMS) hinausgehend.

Die Massentests stellten in der wissenschaftlichen Sicht auf Covid-19 eine zusätzliche Herausforderung dar, sagt Popper im STANDARD-Gespräch. Durch die bundesweite Aktion habe man – zuerst durch Antigentests sowie, im Fall eines Positivbefunds, durch einen PCR-Test – Corona-infizierte Menschen gefunden, die von diesem Umstand davor nichts gewusst hatten. Das helfe, die Ausbreitung des Virus eindämmen.

Es geht um 4.000 Fälle

Rund 4.000 zusätzliche PCR-bestätigte Corona-Fälle habe man auf diese Art in den vergangenen zwei Wochen bundesweit festgestellt und zumindest teilweise ins EMS eingespeist. Aber wie viele Tests woher kämen, sei aktuell noch unklar – und zudem von Region zu Region verschieden.

Im Vorfeld nämlich, so Popper, sei nicht dafür gesorgt worden, dass man die Tests aus der Statistik auch wieder präzise herausrechnen und den einzelnen Bundesländern zuordnen könne. Das aber sei wichtig, denn abgesehen von den Krankenhauszahlen seien die EMS-Daten die zentrale Größe, um die Virusdynamik einzuschätzen – die wiederum von der Teststrategie beeinflusst werde.

Höhere Zahlen

In den vergangenen Tagen war die Virusdynamik aus den Neuinfektionszahlen laut Popper daher nicht wirklich ersichtlich. Die erhobenen Zahlen seien höher, "und es ist unklar, wer zusätzlich positiv getestet wurde und wer im Zuge der normalen Testprozesse als positiv erkannt wurde".

Endgültig bereinigt ist das Problem laut dem Experten bis dato nicht. Zwar sei am Wochenende eine technische Lösung erarbeitet worden, um die Zahlen sauber zu trennen und den Anteil der Positivfälle aus den Massentests wieder herausrechnen zu können. Derzeit würden die Daten aber erst eingegeben, mit regional nach Bundesländern sehr unterschiedlicher Umsetzung.

Ein Sprecher der für die Verwaltung des EMS zuständigen Agentur für Gesundheitsschutz und Ernährungssicherheit (Ages) bestätigte am Dienstagnachmittag, dass die positiven, durch einen PCR-Test bestätigten Fälle aus den Massentests in das Meldesystem eingeflossen seien. Von Problemen bei der Trennung dieser Befunde von anderen, auf herkömmliche Art getesteten und erstellten Positivbefunden wisse er nichts.

"Brauchen schnell eine evidenzbasierte Strategie"

"Wir benötigen, so schnell es geht, eine möglichst evidenzbasierte Strategie, um einzuschätzen, wie viele Menschen mit dem Virus infiziert werden, damit die Entscheidungsträger eine Datenbasis für die schon bald anstehenden Entscheidungen haben", sagt Popper. Dazu brauche es bundesweit klare Prozesse, die nachhaltig umgesetzt werden. Häufige Änderungen seien für die Datenqualität und die darauf basierenden Entscheidungen sehr problematisch. (Irene Brickner, 15.12.2020)