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Kurz vor den Festtagen wird in Sachen Wehrpflicht informiert, was schon ab dem Jahreswechsel gilt, heißt es in Tanners Büro.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Was sich die Kanzlerpartei in den Kopf setzt, will sie auch gnadenlos durchsetzen – selbst wenn sich Experten und alle anderen Parteien noch so sehr mit stichhaltigen Argumenten dagegen aufbäumen, sogar der grüne Juniorpartner. Jüngstes Beispiel: Schon mit Jahreswechsel soll nun die Teiltauglichkeit eingeführt werden, um mehr Männer ab 18 in die staatliche Pflicht nehmen zu können, auch für den Zivildienst.

Die Grünen lassen die dafür zuständigen Ministerinnen Klaudia Tanner und Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) bis dato auflaufen, mit all ihren verfassungsrechtlichen Bedenken und praktischen Einwänden, dass in Zeiten von Corona und Terror nur eingeschränkt Taugliche in ihren jungen Jahren physisch und psychisch an ihre Grenzen geraten könnten. Die türkise Ignoranz hat wohl einen guten Grund: Denn für das Durchziehen der Teiltauglichkeit ist die ÖVP auf keinen Parlamentsbeschluss mit dem Koalitionspartner angewiesen, laut Rechtsansicht in Tanners Kabinett tut es dafür eine Verordnung oder ein Erlass, heißt es.

Nicht nur Bürgerpflicht, auch Bürgernähe gefragt

Noch vor Weihnachten wollen Tanner, Köstinger & Co also die Öffentlichkeit – und damit tausende Stellungspflichtige, deren Termin wegen Corona aufgeschoben wurde – informieren, welche nivellierten Kriterien für das Ableisten ihres Wehr(ersatz)diensts schon ab 1. Jänner gelten. Bürgernahes Regieren für in die Bürgerpflicht Genommene sieht anders aus – und dürfte aber auch ganz gute Aussichten für Beschwerden beim Höchstgericht haben. Doch solche grundrechtlichen Spitzfindigkeiten kümmern Türkis bekanntlich oft nicht allzu sehr – und bis der erste widerspenstige Teiltaugliche durch einen Entscheid der Justiz womöglich recht bekommt, haben er und viele seiner ebenfalls Hals über Kopf eingezogenen eingeschränkten Kameraden wahrscheinlich längst abgerüstet.

Auch wenn Tanner & Co das alles offenbar nicht allzu sehr anficht: Ein solch unbesonnenes und undurchdachtes Vorgehen in der Spitzenpolitik ist nicht nur unwürdig, sondern auch untauglich. (Nina Weißensteiner, 15.12.2020)