Hatten Vögel wie der Kronenkranich Pendants im Erdmittelalter?
Foto: APA/EPA/RONALD WITTEK

Ob Pfauen oder Paradiesvögel, Kronenkraniche oder Kakadus: An extravagantem Gefieder hat die heutige Vogelwelt so einiges zu bieten. Ob ihre ausgestorbenen Cousins unter den Dinosauriern Ähnliches hervorgebracht haben, ist schwer zu sagen.

Zwar weiß man inzwischen, dass zahlreiche Dinosaurier des Erdmittelalters gefiedert waren – möglicherweise sogar die große Mehrheit. Aber von diesen Federn ist nur in Ausnahmefällen genug erhalten geblieben, um das Aussehen des gesamten Federkleids rekonstruieren zu können. Und noch viel seltener findet man Spuren von Pigmenten, die Rückschlüsse auf die Färbung ermöglichen würden. Selbst bei den wenigen Ausnahmefällen wie dem Sinosauropteryx bleibt es kaum mehr als eine vage Ahnung.

Der Neue

Nun hat ein internationales Team von Paläontologen im Fachjournal "Cretaceous Research" einen Dino vorgestellt, der seinen Zeitgenossen vor 110 Millionen Jahren mit dem ausgefeiltesten Federkleid imponiert hat, das man je bei einem Tier aus diesem Zeitalter gefunden hat. Entdeckt wurde das Exemplar, das die Bezeichnung Ubirajara jubatus erhielt, in der brasilianischen Crato-Formation. Es handelt sich um einen hühnergroßen Theropoden aus der Familie des bekannten Compsognathus.

Dieser kleine Raubsaurier aus der erweiterten Verwandtschaft der Vögel war schon Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt worden. Erst viel später wurde aus Fossilienfunden einiger ihm nahestehender Arten geschlossen, dass auch Compsognathus von Federn bedeckt gewesen sein muss. Der neuentdeckte Ubirajara hatte aber noch mehr zu bieten, wie die Röntgen-Untersuchung des Fossils durch Eberhard "Dino" Frey am Naturkundemuseum Karlsruhe zeigte.

Etwas wie Ubirajara jubatus haben Paläontologen bisher noch nicht gesehen.
Illustration: Bob Nicholls / Paleocreations.com 2020

Zunächst einmal war Ubirajara von einem Kleid aus feinen, daunenartigen Federn bedeckt, das aus einiger Entfernung eher wie der Pelz eines Säugetiers als wie typisches Vogelgefieder ausgesehen hätte. Dieses Federkleid zog sich über die Arme bis zu den Händen und in Form einer veritablen Mähne den ganzen Rücken entlang, inklusive Schwanz.

Die Forscher vermuten, dass diese Mähne durch Muskelkontrolle aufgerichtet werden konnte, um das Tier imposanter erscheinen zu lassen – ähnlich wie bei einem Hund, dem sich das Fell sträubt, oder einem Stachelschwein, das seine Abwehr in Bereitschaft versetzt. Wenn kein Droh- oder Imponiergehabe notwendig war, legte sich die Federmähne wieder eng an den Körper an und behinderte das Tier nicht, wenn es sich durch die Vegetation bewegte.

Ein Unikat

Ein solches Federkleid dürfte für die ganze Compsognathus-Familie typisch gewesen sein. Ubirajara hatte dazu aber noch ein Merkmal, wie man es noch nie gesehen hat und dem er auch seinen Namen verdankt (er bedeutet in der Sprache des brasilianischen Tupi-Volks "Herr des Speeres"): Über den Schultern ragten auf jeder Seite zwei anscheinend steife Strukturen aus Keratin aus dem Federkleid. Jeder dieser lange, dünnen Stäbe oder Ruten wies einen scharfen Grat in der Mitte auf. Ob daran noch feinere Strukturen verankert waren, lässt sich aus dem Fossil nicht ableiten.

Diese einzigartigen "Speere" wiesen nach hinten, um den Bewegungsspielraum des Tiers nicht einzuschränken. Vermutlich konnte Ubirajara sie aber aufspreizen wie die Speichen eines Regenschirms, um Rivalen einzuschüchtern oder Angehörige des anderen Geschlechts anzulocken. Die Forscher formulieren es geschlechtsneutral, weil sie nicht mit Sicherheit sagen können, ob es sich bei dem gefundenen Exemplar um ein Weibchen oder ein Männchen handelt, wie David Martill von der Universität Portsmouth erklärt. Mit Blick auf das typische Balzverhalten in der Vogelwelt und den Umstand, dass die Männchen dort fast immer prächtiger gefiedert sind als die Weibchen, spreche aber alles dafür, dass der kleine Saurier aus Brasilien männlich war.

Bühnenreif

Martill und seine Kollegen vermuten weiter, dass Ubirajara sein beeindruckendes Bühnenkostüm nicht einfach nur statisch zur Schau gestellt, sondern es auch mit einem elaborierten Tanz verknüpft hat, um es perfekt zur Geltung zu bringen. "Evolutionärer Erfolg dreht sich nicht nur ums Überleben", sagt Martills Kollege Robert Smyth, "man muss auch gut aussehen, wenn man seine Gene an die nächste Generation weitergeben will."

Trotzdem hatte das extravagante Outfit des Tiers eine sehr praktische Seite, wie die Forscher betonen. Kämme, Stacheln und Schilde aus Knochengewebe hat man bei Dinosauriern schon jede Menge gefunden. Aber dieses Material ist schwer, und sein Wachstum kostet viel Energie. Eine Struktur aus Keratin – also dem Material, aus dem Haare, Federn oder Schuppen bestehen – wiegt viel weniger und ist damit ideal für ein so kleinwüchsiges Tier. Und sie kann jederzeit nachwachsen, wenn sie verloren gegangen ist.

Bild nicht mehr verfügbar.

Beim Microraptor glaubt man doppelt zu sehen.
Illustration: Mick Ellison, American Museum of Natural History, Science /AAAS/AP/dapd

The Children of the Revolution

Damit kennt man nun einen weiteren Dino, der es in Sachen Extravaganz mit den heutigen Vögeln locker aufnehmen konnte. Mit dem Microraptor war vor 20 Jahren schon ein anderer entdeckt worden, der ein Gefieder hatte, wie man es von keinem Vogel kennt. Der kleine Theropode hatte nämlich auch an den Hinterbeinen Schwungfedern – was ihm einen vierflügeligen Flug ermöglicht haben dürfte, zumindest einen Gleitflug.

Für Smyth zeigt der glamouröse Ubirajara eines jedenfalls ganz klar: Das Balz- und Imponiergehabe, zu dem dieses Tier in der Lage war, stehe für eine Revolution im Kommunikationsverhalten der Dinosaurier. Deren Nachwirkungen könne man noch heute an den Vögeln sehen. (jdo, 20.12.2020)