Immer öfter haben in den vergangenen Monaten westliche Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen mit chinesischen Zulieferern aus der Provinz Xinjiang gekündigt. Der Grund waren Gerüchte über ein Zwangsarbeitssystem, an dem die Baumwolllieferanten beteiligt sein sollten. Die Vorwürfe haben sich nun erhärtet, für viele westliche Unternehmen steigt der Druck.

Nach Recherchen des Aktivisten Adrian Zenz im Auftrag des Center for Global Policy in Washington wurden in den vergangenen Jahren mindestens eine halbe Million Uiguren zur Baumwollernte gezwungen. Obwohl der Mechanisierungsgrad in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist, wird ein Großteil der Ernte noch immer von Hand erledigt. Zuvor war diese Arbeit oft von Han-Chinesen freiwillig erledigt worden. Seit 2018 aber, so belegen es die Dokumente, haben die Behörden vor allem auf Uiguren aus dem Lagersystem zurückgegriffen.

Leugnendes Peking

Die chinesische Regierung hat dies bisher vehement bestritten. Es gebe keine Zwangsarbeit, heißt es. Die Arbeiter würden sich im Gegenteil über den Lohnzuwachs freuen. China will bis Ende dieses Jahres die Armut im Lande offiziell ausgemerzt haben. Die Provinz Xinjiang weist eines der niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen des Landes auf. Für die muslimische Minderheit der Uiguren bedeutet das Vorzeigeprojekt Xi Jinpings allerdings, dass aus Bauern und Viehhirten Erntehelfer werden sollen. Ähnliches ist auch aus Tibet bekannt, wo Nomaden in andere Berufe gezwungen werden.

Ernte mit der Maschine ist die Ausnahme: Ein Großteil wird noch per Hand erledigt.
Foto: imago images/Xinhua

Immer wieder war es in den vergangenen Jahren auch zu gewaltsamen Aufständen in der Provinz gegen die Politik Pekings gekommen. In der Folge errichtete Peking ein Lagersystem, um die muslimische Minderheit ideologisch umzuerziehen. Die im November vergangenen Jahres vom Internationale Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) veröffentlichten "China Cables" belegen, dass in den KZ-ähnlichen Lagern bis zu 1,5 Millionen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden. Insassen werden von ihren Familien getrennt und in den Lagern einer Gehirnwäsche unterzogen. Dazu gehört zum Beispiel das Singen patriotischer Lieder und das Lernen von Mandarin. Die "China Cables" aber zeigten detailliert auf, welche Maßnahmen von Peking direkt angeordnet wurden, um den Willen und die Identität der Inhaftierten zu brechen. Zuvor hatte Peking immer nur von vereinzelten "Ausbildungszentren" gesprochen.

Schwarze Liste

Am 2. Dezember hatten die USA die Xinjiang Production and Construction Corps auf eine schwarze Liste gesetzt. Das Staatsunternehmen ist aber nur für ein Drittel der Baumwollproduktion aus Xinjiang verantwortlich. Seit Oktober müssen in Xinijang tätige Unternehmen sicherstellen, dass sie keine Teile verwenden, die in den Lagern gefertigt worden sind.

Der Druck auf westliche Unternehmen wird jetzt weiter zunehmen. Denn 85 Prozent von Chinas Baumwolle werden in der von Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang angebaut, das macht rund ein Fünftel der Weltproduktion aus. Zwar haben sich viele Konzerne wie Adidas und Hugo Boss an der Better Cotton Initiative (BCI) beteiligt, doch bisher ist unklar, ob diese wirklich sicherstellen kann, ob die verwendete Baumwolle nicht doch von Zwangsarbeitern gepflückt wurde.

Im vergangenen März hatte der Thinktank Australian Strategic Policy Institute (Aspi) den Vorwurf erhoben, H&M sowie mehr als 80 andere ausländische und chinesische Unternehmen profitierten von Zwangsarbeit durch Uiguren. H&M hatte im Herbst die Zusammenarbeit mit einem chinesischen Lieferanten eingestellt. Aber auch Konzerne wie Volkswagen und BASF betreiben in der Provinz Werke. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 16.12.2020)