Die "Schau auf dich"-Kampagne ließ sich die Regierung Millionen kosten.

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Rund 31,4 Millionen Euro oder 4,3 Millionen Euro pro Monat hat die türkis-grüne Bundesregierung seit Angelobung im Jänner bis Ende September für Inserate, TV-Spots, Banner, Radiowerbung und Social-Media-Kampagnen ausgegeben. Mit den Anzeigen bewerben Regierung seit jeher alles von Steuerausgleich über Gesundheitsuntersuchung bis Rettungsgasse – und natürlich auch sich selbst.

Im Jahr 2020 haben die vielen Inserate aber vor allem ein Thema: Corona. Auf ganzseitigen Schaltungen fordert die Regierung zum Social Distancing auf, informiert über Fördertöpfe und neue Schutzmaßnahmen. Informationswert hin oder her: Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Regierungswerbung auch eine versteckte Medienförderung ist. Vor allem in Zeiten, in denen wenige Autos kaufen oder eine Reise buchen, sind sie ein Trost für ausbleibende Werbebuchungen von Unternehmen.

Mangelnde Transparenz

Medienförderung über die Inserate-Gießkanne hat in Österreich Tradition, wie eine STANDARD-Auswertung der letzten Jahre zeigt (siehe Grafik). Seit 2012 müssen öffentliche Stellen ihre Werbeausgaben offenlegen. Seither gaben Bundesregierungen durchschnittlich rund 1,8 Millionen Euro pro Monat für Werbeschaltungen aus. Damit kann sich Österreich in absoluten Zahlen mit dem etwa zehnmal größeren Deutschland messen.

Im September kritisierte die EU-Kommission in einem Bericht die österreichische Praxis der intransparenten Regierungsinserate und äußerte Bedenken hinsichtlich politischer Einflussnahme.

Denn die verdeckte Medienförderung über Inserate unterliegt im Gegensatz zur gesetzlich geregelten Presse-, Publizistik- oder Corona-Sondermedienförderung keinen Regeln. Wo geworben wird, entscheiden die Kommunikationsabteilungen der Ministerien. Und diese präferieren in der Regel den Boulevard: Rund zwölf Millionen Euro oder 39 Prozent des Werbeetats gingen seit Angelobung im Jänner an die drei größten österreichischen Boulevardmedien "Krone" (5,3 Millionen), "Österreich"/"Oe24" (3,4 Millionen) und "Heute" (3,3 Millionen).

Nicht nur Ministerien, sondern insgesamt 5292 öffentliche und staatsnahe Stellen und Betriebe müssen ihre Werbeausgaben jedes Quartal der Medienbehörde melden. Dazu zählen neben Bund, Ländern und Gemeinden auch Versorger, Tourismusverbände, Kammern und Kultur- und Bildungseinrichtungen.

Bis Ende September 2020 haben sie insgesamt 151 Millionen Euro für Werbung ausgegeben – so viel wie noch nie in den ersten drei Quartalen eines Jahres seit Beginn der Erhebungen. Größter staatlicher Werbetreibender ist die Stadt Wien mit 19 Millionen Euro in den ersten drei Quartalen 2020. Das ist nicht mehr, als das Bundeskanzleramt ausgab (12,7 Millionen), und mehr als doppelt so viel wie die Ausgaben aller anderen Bundesländer zusammen. Auch die Bundeshauptstadt buchte Werbung vor allem beim Boulevard.

Kritik an Millionenausschreibung

Ende November hat die Regierung ein Vier-Jahres-Budget von 210 Millionen Euro für Media- und Kreativleistungen ausgeschrieben. Die Bundesbeschaffungsagentur nennt die Corona-Krise als Grund für den hohen Betrag, der als "maximale Obergrenze" zu verstehen sei.

Der Presseclub Concordia kritisierte das Vorhaben der Regierung und forderte eine Umschichtung eines wesentlichen Teils der 180 Millionen Euro in eine Medienförderung, die "vom Wohlverhalten gegenüber Inseraten-Auftraggebern unabhängig ist", so der Verein von Journalistinnen und Journalisten. "Insbesondere im Hinblick auf die erhöhte mediale Verantwortung im Pandemiegeschehen" müsse diese Förderung an Qualitätskriterien geknüpft werden. Diese könnten etwa eine Mitgliedschaft im österreichischen Presserat, Aus- und Fortbildung in Hinblick auf Wissenschaftsjournalismus oder auch die Zahl der beschäftigten Journalisten in Redaktionen berücksichtigen. (Philip Pramer, 15.12.2020)