Die "Memory"-Karten am Salzburger Residenzplatz sorgten für reges Interesse bei den Passanten.

Foto: Stefanie Ruep

Salzburg – "Ein Adventkalender", mutmaßt eine Passantin, als sie die auf dem Boden ausgebreiteten, verdeckten Plakate am Salzburger Residenzplatz sieht. Doch es ist eben kein zu groß geratener Adventkalender, der am Mittwochnachmittag am Schotterplatz in der Salzburger Altstadt liegt, sondern ein "Memory"-Spiel. Auf den Karten sind Fotos von Straßenschildern aus dem Stadtgebiet zu sehen, die nach NS-belasteten Persönlichkeiten benannt wurden. Das jeweilige Gegenstück erläutert den historischen Zusammenhang der Personen mit dem NS-Regime und wann die Straße nach ihnen benannt wurde.

Die 128 "Memory"-Karten füllten 60 Quadratmeter auf dem Kiesplatz, wo sonst zu dieser Zeit der Christkindlmarkt stattfindet.
Foto: Alpine Peace Crossing

"Die Geschichten hinter den NS-belasteten Straßennamen sind von der Politik lange genug unter den Teppich gekehrt worden", sagt Robert Obermair, Vorsitzender des Gedenkvereins Alpine Peace Crossing, der die Aktion initiierte. "Diese Aktion ist eine Einladung an die Salzburger und Salzburgerinnen, genauer hinzuschauen." Die 128 "Memory"-Karten regten die Altstadtbesucher sofort zur Diskussion an. "Es gehört endlich aufgeräumt", sagt eine Frau, die sich für die Umbenennung einiger Straßen ausspricht. Ein älterer Mann, der bepackt mit zwei Einkaufstaschen eifrig eine Karte nach der anderen aufdeckt, meint: "So lernt man die Personen kennen, weil die meisten kennt man ja gar nicht."

Hanna Feingold besuchte Aktion

Abseits einiger prominenter Fälle wie der Josef-Thorak-Straße in Aigen, die nach Hitlers Lieblingsbildhauer benannt ist, ist die dunkle Vergangenheit vieler belasteter Straßen wenig bekannt. Etwa die Heinrich-Damisch-Straße in Parsch, die nach dem Journalisten und Mitbegründer der Festspiele benannt ist. Damisch diente als Sprachrohr für Antisemitismus und die Nationalsozialisten und trat schon 1932 der NSDAP bei. "Die Rechercheergebnisse haben uns selbst erstaunt. Eines unserer Teammitglieder wohnt seit dreizehn Jahren in einer der NS-belasteten Straße, ohne es bisher zu wissen", sagt Obermair.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Hanna Feingold, mit Initiator Robert Obermair vom Gedenkverein Alpine Peace Crossing.
Foto: Alpine Peace Crossing

Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg besuchte die Aktion am Mittwoch. Sie hebt gemeinsam mit Obermair das Schild Herbert-von-Karajan-Platz hoch und sagt: "Das ist der Babyelefant." Der Stardirigent Herbert von Karajan ist eine der prominentesten Personen auf der Liste, über die Benennung eines zentralen Platzes vor den Festspielhäusern wird seit Jahren debattiert.

Mehr Straßennamen für NSDAP-Mitglieder als Frauen

In Salzburg sind derzeit mehr Straßen nach NSDAP-Mitgliedern benannt als nach Frauen. Gleich 46 Straßen und Plätze tragen den Namen teils prominenter NSDAP-Mitglieder. Drei Namen gehen auf Parteianwärter zurück. Weitere 15 Personen waren zwar nicht in der Partei, aber nachweisbar Teil des Regimes. Das hat eine im Auftrag der Stadt eingesetzte Historikerkommission erhoben.

Das "Memory"-Spiel auf dem Salzburger Residenzplatz erläuterte den NS-Zusammenhang der Personen, nach denen in Salzburg Straßen benannt sind.
Foto: Stefanie Ruep

Der für Ende 2020 angekündigte Bericht der Kulturabteilung mit Empfehlungen, wie mit den belasteten Straßen zu verfahren ist, lässt noch auf sich warten. 2018 hieß es, es gebe erst eine Bewertung, wenn alle 64 Biografien aufgearbeitet sind. Eingeteilt werden die Personen in drei Kategorien: erstens jene, die nur dabei waren. Zweitens Nazis, deren Aktivitäten eine Erläuterungstafel benötigen, und drittens hochbelastete Personen, bei denen eine Umbenennung der Straße angeregt wird.

Zuletzt gab es ein zähes Ringen um eine Straßenbenennung für den verstorbenen Holocaust-Überlebenden und langjährigen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Marko Feingold. Der Vorstoß, die nach dem oberösterreichischen Landeshymnendichter und Antisemiten Franz Stelzhamer benannte Straße im Salzburger Andräviertel nach Feingold zu benennen, fand keine Mehrheit. Schlussendlich wurde der bisherige Makartsteg nach Marko Feingold benannt. (Stefanie Ruep, 16.12.2020)