In Griechenland wird besonders deutlich, dass die Migrationsproblematik in der EU nicht gelöst ist.

Foto: AFP

Zurzeit befinden sich 19.500 Flüchtlinge in den Aufnahmezentren auf den ostägäischen Inseln. Damit ist die Lage deutlich entspannter als im Vorjahr, als noch mehr als doppelt so viele Asylwerber etwa auf Samos, Lesbos und Chios lebten. Viele Programme – etwa das Wohnungsprogramm Estia, bei dem Flüchtlinge in Privatwohnungen untergebracht werden – werden deshalb nun auf den Inseln beendet.

46 Prozent der Flüchtlinge, die sich derzeit auf den Inseln befinden, stammen aus Afghanistan, 18 Prozent aus Syrien. 27 Prozent sind minderjährig. Die griechische Regierung hat bereits vor einigen Monaten beschlossen, neue, feste Aufnahmezentren auf Samos, Chios, Leros, Kos und Lesbos zu bauen, die allerdings geschlossen sein werden – das heißt, dass sich die Asylwerber künftig nicht mehr frei auf den Inseln werden bewegen dürfen. Diese Zentren sollen bis August 2021 fertiggestellt sein. Sie werden mit Mitteln der EU finanziert. Zuletzt hatten die schweren Erdbeben in der Ostägäis gezeigt, dass viele Gebäude nicht erdbebensicher sind.

Lager wird winterfest

Das neu zu bauende Zentrum auf Lesbos soll das Zeltlager Kara Tepe ersetzen. In dem Zeltlager, das im September provisorisch auf einem großen Platz neben dem alten Vorzeigelager Kara Tepe 1 errichtet wurde, sind derzeit 7.417 Flüchtlinge und Asylsuchende untergebracht – insgesamt 1.200 Familien mit vielen Kindern. Die Chefin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) auf Lesbos, Astrid Castelein, verweist darauf, dass das Zentrum seit September ausgebaut und verbessert wird. "Wir haben jetzt alle Zelte winterfest gemacht und isoliert, etwa auch mit Innenzelten und Plastikplanen außerhalb", erzählt sie dem STANDARD.

Mittlerweile wurden auch Duschkabinen mit warmem Wasser zur Verfügung gestellt. Da das Lager in einer extremen Notsituation errichtet werden musste, nachdem jugendliche Asylwerber das Lager Moria in Brand gesetzt hatten und tausende Menschen obdachlos geworden waren, waren die Bedingungen bisher mangelhaft. Die Bewohner beschwerten sich vor allem über den Mangel an Fließwasser und Duschen. Deutschland hat nun aber Container geliefert, in denen die Menschen sich waschen können.

Anschluss an Stromnetz von Mytilini

Nach den Regenfällen im Oktober, als es im Lager zu Überschwemmungen kam, hat man auch die Zelte in der blauen Zone, also in der Nähe des Strandes, abgebaut. Viele Flüchtlinge und Asylwerber sind mittlerweile auch nicht mehr im Zeltlager Kara Tepe, weil sie bereits aufs Festland gebracht wurden – andere wurden in das Vorzeigelager nebenan gebracht, wo sie in Containern leben, die extra für besonders vulnerable Gruppen, etwa Familien mit Kleinkindern, vorgesehen sind.

"Die Zelte sind keine Ideallösung und sollten durch Container ersetzt werden", sagt Castelein. Der Umbau des Lagers gehe aber nun mit der Elektrifizierung einher. Seit dieser Woche wird das Lager auch an die Wasserleitung der Stadt Mytilini und das Elektrizitätsnetz angeschlossen. Bisher wurde Wasser und Strom durch Tanks und Generatoren ins Lager gebracht. Die Beheizung der Zelte – unter anderem mit Heizungen, die von Österreich und Deutschland gespendet wurden – wird leichter möglich sein, wenn die Stromversorgung über die Stadtgemeinde erfolgt.

Drei Prozent Infizierte

Viele Familien haben sich kleine Öfen aufgebaut – wie sie dies bereits im alten, abgebrannten Lager Moria getan hatten. Die griechische Regierung hat auch in Auftrag gegeben, Drainagen zu bauen, sodass kein Wasser mehr innerhalb des Lagers stehen bleiben kann, sondern ins Meer abfließt, wenn es regnet. Castelein erzählt, dass alle Zelte im Zuge der Bauarbeiten abgebaut und danach neu und besser aufgebaut werden. In der blauen Zone nahe am Meer hat man mit diesen Bauarbeiten begonnen.

Die griechischen Behörden kümmern sich um die Gesundheitsversorgung im Lager, das Pandemiemanagement wird mithilfe der Weltgesundheitsorganisation durchgeführt. "Innerhalb des Kara-Tepe-Aufnahmezentrums liegt die Ansteckungsrate bei drei Prozent, auf der Insel Lesbos unter der griechischen Bevölkerung allerdings bei sechs Prozent", erklärt Castelein. Im abgebrannten Lager Moria war es bedeutend schwieriger, für Sicherheit zu sorgen, als nun im neuen Lager. Denn in Kara Tepe gibt es mehr Möglichkeiten für die Polizei, Areale zu kontrollieren und abzusperren. Schon im September war die Polizei dauernd vor Ort.

900 Flüchtlinge nach Deutschland

Seit September haben 3.000 Personen Lesbos verlassen. In den kommenden Wochen werden 900 nach Deutschland übersiedelt, es handelt sich um anerkannte Flüchtlinge, andere Familien werden von Belgien aufgenommen. Castelein hofft, dass noch weitere EU-Staaten anerkannte Flüchtlingsfamilien aufnehmen. Zehntausende anerkannte Flüchtlinge leben ja auf dem griechischen Festland, wo die Not groß ist, weil viele Sozialprogramme ausgelaufen sind. (Adelheid Wölfl, 17.12.2020)