Einsamkeit stellt ein größeres Gesundheitsrisiko dar als hoher Blutdruck, Übergewicht oder Rauchen, sagen Psychiater und Psychotherapeuten.

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Wie es uns geht? Danke der Nachfrage, aber leider nicht so gut. Die Corona-Krise schlägt vielen schwer aufs Gemüt, um es laienhaft auszudrücken. Seit Beginn der Pandemie leiden rund acht Prozent der Bevölkerung in Österreich unter einer schweren depressiven Symptomatik, bei einer Untersuchung 2014 war es nur ein Prozent.

Dieser Befund stammt von einer aktuellen parlamentarischen Anfragebeantwortung von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Er bezieht sich dabei auf eine Untersuchung des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems. Die Daten stammen aus der Zeit vor dem zweiten Lockdown, sind also eine Art Zwischenbilanz, wie der Minister betont. Doch die Hartnäckigkeit der Krise dürfte die Situation nicht verbessert haben.

Angst und Schlafstörungen

Schon bei jeder und jedem Fünften treten demnach leichtere depressive Symptome auf, Angstsymptome oder Schlafstörungen plagen 16 Prozent der Bevölkerung, heißt es in Anschobers Antwort auf eine Anfrage des FPÖ-Abgeordneten Erwin Angerer. Insgesamt bewerten die Gesundheitsexperten die psychische Belastung durch Corona als drei- bis fünfmal so hoch wie vor der Krise.

Aus Daten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), die nur einen Teil der Situation abbilden, lässt sich heuer ein Auf und Ab bei psychischen Erkrankungen herauslesen. Vorausgeschickt werden muss, dass es sich bei den folgenden Zahlen um Fälle handelt, in denen eine Leistungen der ÖGK wie Arbeitsunfähigkeit, Rehabilitationsgeld oder Wahlarzthilfe verzeichnet wurde. Im März wurden demnach 61.700 Menschen mit psychischer Erkrankung registriert. Im April fiel die Zahl auf 49.700, seit Mai (51.000) stieg sie wieder auf 57.500 im September. Die Daten spiegeln nicht die tatsächliche Gesamtzahl an psychischen Erkrankungen wieder, Rückschlüsse aus der Medikamentenvergabe werden erst aufbereitet.

Brandbeschleuniger der Einsamkeit

Als "Brandbeschleuniger der Einsamkeit" bezeichnete am Mittwoch Pro Mente Austria, der Dachverband von 24 gemeinnützigen Organisationen aus dem psychosozialen und sozialpsychiatrischen Bereich, die Corona-Pandemie. Noch nie habe eine Erkrankung das Leben so vieler Menschen weltweit so radikal verändert. Vereinsamung sei aufgrund Corona-bedingter Maßnahmen zu einem Massenphänomen geworden, konstatierte der Psychiater und Psychotherapeut Günter Klug, der auch Präsident von Pro Mente Austria ist. Soziale Isolation stelle ein größeres Gesundheitsrisiko dar als hoher Blutdruck, Übergewicht oder Rauchen.

Die Fachleute fordern deshalb von der Regierung unter anderem Projekte gegen Einsamkeit und Stress auf breiter Ebene. Außerdem müsse gewährleistet sein, dass die Aufnahme in stationäre Einrichtungen auch für psychisch Erkrankte selbst während der Pandemie immer problemlos möglich ist. (Michael Simoner, 16.12.2020)