Bäuerliche Idylle: Gibt die Regierung für das Wohlergehen der Bauern zu viel Geld aus?

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Es geschah in einer der heftigen Parlamentsdebatten über die Abschaffung der Hacklerregelung. Auf einer Tafel präsentierte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch, Verteidiger der Frühpensionsvariante, eine Rechnung, wonach der Staat für die Pension eines Bauern deutlich mehr ausgebe als für einen Arbeitnehmer. Während für Erstere stets genug Geld da sei, so die Kritik, werde bei Letzteren gekürzt.

Bevorzugt das Pensionssystem also manche Gruppen? Christine Mayrhuber vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat nachgerechnet. Demnach kostet die Altersversorgung der Bauern die Allgemeinheit tatsächlich im Verhältnis gesehen am meisten Geld. Während in die Pension eines Arbeiters oder Angestellten im Schnitt 132,70 Euro an Steuergeld fließen, beträgt diese sogenannte Ausfallshaftung pro Bauernpension mit 656,20 Euro fast das Fünffache. Bei den selbstständigen Gewerbetreibenden sind es immerhin noch 486,50 Euro.

Bauern sind eine aussterbende Gruppe

Oder, in einer anderen Rechnung aus dem aktuellen Gutachten der Alterssicherungskommission: Arbeiter und Angestellte zahlen sich ihre Pensionen zu 83 Prozent quasi selber mit Beiträgen, die Gewerbetreibenden lediglich etwa zur Hälfte. Bei den Bauern beträgt die Deckungsquote nur mehr 21 Prozent.

Mayrhuber warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. Im Fall der Bauern liege es in der Natur der Sache, dass der Staat mehr Geld für die Sicherung der Pensionen ausgeben müsse: "Es handelt sich um eine aussterbende Berufsgruppe."

Dazu muss man wissen: Im Umlageverfahren des heimischen Systems bezahlen die Erwerbstätigen mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen die laufenden Pensionen der Älteren. Weil die Beiträge nicht ausreichen, um das gesetzlich garantierte Leistungsniveau zu halten, schießt der Staat Steuergeld zu. Bei den Bauern wächst die Lücke besonders stark: Seit 1980 hat sich die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe beinahe halbiert, es müssen also immer weniger aktive Bauern die Altersversorgung stemmen. Auf 1.000 erwerbstätige Landwirte kommen mittlerweile 1.264 Pensionisten, bei den Arbeitern und Angestellten sind es nur 568.

Dies erklärt den Unterschied aber nicht restlos. Die Arbeiterkammer hat die Rechnung um das nachteilige Verhältnis bereinigt. Ergebnis: Die Deckungsquote liegt dann zwar höher, aber auch nur bei knapp über 50 Prozent.

Viele Einzahler, wenig Ertrag

Bei den Gewerbetreibenden ist das Verhältnis mit 1.000 zu 425 an sich am besten. Doch da kämen andere Effekte zu tragen, die den Bedarf an Steuermitteln erhöhen, analysiert Mayrhuber: Die Zahl der Selbstständigen ist in den letzten Jahren massiv gewachsen, doch vielfach kamen Ein-Personen-Unternehmen dazu, die wenig verdienen und deshalb geringe Beiträge zahlen. Unter den Pensionisten, die es derzeit zu erhalten gilt, sind hingegen viele besser situierte Gewerbetreibende mit hohen Leistungsansprüchen – das lässt die Lücke weiter aufklaffen.

Arbeiterkammer-Experte Wolfgang Panhölzl sieht dennoch einen Vorteil der beiden Gruppen. Während vom Einkommen eines Arbeiters oder Angestellten 22,8 Prozent für die Pensionsversicherung zu zahlen sind (wovon der Dienstgeber formell 12,55 Prozent entrichtet), sind es bei den Gewerbetreibenden nur 18,5 Prozent und bei den Bauern 17 Prozent. Dies sei nicht nachvollziehbar und trage dazu bei, dass der Staat zu den Pensionen dieser Gruppen mehr zuzahlen muss. Dass sich dann gerade die Vertreter der Selbstständigen und Bauern immer wieder über die Pensionskosten insgesamt beklagten, sagt Panhölzl, "ist schon erstaunlich".

Franz Ledermüller von der Sozialversicherung der Selbstständigen, die Gewerbetreibende und Bauern vereint, hält eine andere Rechnung entgegen. De facto kämen auch diese beiden Gruppen auf die 22,8 Prozent, zumal durch die niedrigeren Beiträge diverse Nachteile ausgeglichen würden. Der Vizegeneraldirektor belegt das mit einem Exkurs, mit dem sich eine Uni-Vorlesung füllen ließe. Genau das macht einen Vergleich schwierig: Das System der Sozialversicherung ist zu verwinkelt, um ein klares Bild zu bieten.

Umstrittenes Millionenpaket für Landwirte

Detailreich verteidigt Ledermüller auch jenes Paket, das die Opposition im Parlament vor ein paar Monaten erzürnt hat. Knapp 30 Millionen Euro pro Jahr lässt sich die türkis-grüne Koalition diverse Verbesserungen der Pensionsleistungen der Bauern kosten – ohne lange Debatte, wie die Sozialdemokraten bemängelten.

Ledermüller hat griffige Zahlen bei der Hand, um die schwierige Lage der Landwirte zu illustrieren. Mit 905 Euro im Monat verfügen die Bauern im Ruhestand im Durchschnitt über die niedrigste Pension aller Berufsgruppen. Fast jeder Fünfte bezieht die Ausgleichszulage, eine Art Mindestpension – auch das ist Rekord im negativen Sinn.

Diese düsteren Zahlen seien allerdings zu relativieren, wendet der Arbeiterkämmerer Panhölzl ein. Die Pensionen fielen auch deshalb so bescheiden aus, weil die ohnehin schon niedrigeren Beiträge auch noch von einer künstlich niedrigen Beitragsgrundlage berechnet würden. Der Ertrag der Betriebe werde dabei mit den pauschalen Einheitswerten bemessen – diese lägen in der Regel weit unter den realen Werten, sagt Panhölzl und verweist auf die viel diskutierte, einst vom Sozialministerium in Auftrag gegebene Studie der London School of Economics, die das Heranziehen der realen Einkommen als Beitragsgrundlage empfehle: "Die niedrigen Pensionen spiegeln die soziale Lage der Bauern nicht unbedingt wider." (Gerald John, 22.12.2020)